Duisburg. Weil ihr Kind gegen Masern geimpft werden sollte, hat Nathalie B. OB Sören Link bedroht. Vor Prozessbeginn gab es ein überraschendes Gespräch.

Der Streit um die Impfung eines Mädchens in Duisburg war im August 2019 eskaliert: Die 43 Jahre alte Mutter warf Oberbürgermeister Sören Link einen Brief in den Briefkasten, in dem sie ihm für den Fall einer Impfung den „Krieg erklärt“. Am Freitag sollte der OB im Prozess gegen die Frau vor dem Amtsgericht aussagen. Eine überraschende Besprechung kurz vor Prozessbeginn änderte dann aber den Verhandlungsverlauf. Ein Urteil gegen die 43-Jährige fiel dennoch. Die Frau nahm es mit einem Lächeln auf dem Gesicht entgegen.

Journalisten hatten die Fernsehkameras im Gerichtssaal aufgebaut, Gerichtsdiener kurzfristig mehr Stühle herangeschafft – das Interesse am Prozess gegen Nathalie B. war groß. Zum Auftakt der Verhandlung berichtete Richter Haberland von einem Gespräch, um das Strafverteidiger Marius Meurer kurz vor Prozessbeginn gebeten hatte: Dort kündigte der Verteidiger ein Geständnis an – auf Vernehmungen der Zeugen verzichtete das Gericht deshalb.

Der prominente Zeuge Sören Link führte daraufhin in der Wachtmeisterei ein dienstliches Gespräch mit dem Direktor des Amtsgerichts. Telefonisch stand er auf Abruf. Kurze Zeit später verlies er kommentarlos das Gericht.

Duisburg: Impf-Streit gipfelt in Drohung an Sören Link

Viel mehr sagte dagegen Nathalie B.: Die 43-Jährige, die in Strickpullover und Jeans zum Prozess erschien, ist mehrfache Mutter. Wie viele Kinder sie genau hat, ist unklar. Von sieben Kindern aus drei Beziehungen berichtet der Richter während der Verhandlung.

Vor Gericht gab sich die Mutter trotzig und ruhig.
Vor Gericht gab sich die Mutter trotzig und ruhig. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Um eine Tochter entbrannte im Sommer 2019 der Impf-Streit zwischen den Eltern und dem Jugendamt: Das Kind, das seinerzeit bei einer Pflegefamilie lebte, sollte gegen Masern geimpft werden. Die Eltern liefen dagegen Sturm. „Wir wollten nicht, dass unser Kind körperlichen Schaden nimmt“, sagt die Mutter vor Gericht ruhig.

Der Hintergrund: Zunächst behauptet die 43-Jährige, ein Gutachten halte ihr Kind für impfschadengefährdet. Später muss sie klarstellen: Für ein Geschwisterkind besteht eine Impfunfähigkeitsbescheinigung. Die Eltern schrieben deshalb zig E-Mails und Briefe an das Jugendamt, bei dem die Vormundschaft liegt.


Die Auseinandersetzung gipfelt in zwei Drohungen: Einer Jugendamtsmitarbeiterin schreibt die Mutter am 26. August unter anderem: „Wenn Sie mein Kind verletzten, verletze ich sie und ihre Behörde.“

Einen Tag später geht sie zur Privatadresse von Sören Link in Walsum und wirft einen Umschlag ein. Der Oberbürgermeister liest den Brief und nimmt die Bedrohungen nach Angaben von Stadt und Gericht äußerst ernst. „Falls Sie diese Zwangsimpfung durchführen, erklären wir den Krieg gegen Sie und Ihre Agenda“, schreibt die Mutter auf Englisch. Sie kündigt außerdem an, Link Schaden zuzufügen.

Kindesentzug: 43-Jährige hatte bereits Ärger mit dem Gesetz

Was trieb die Frau, die wegen Kindesentziehung – sie war mit drei ihrer Kinder ohne Wissen der Väter nach Spanien geflohenim April 2019 zu einer Bewährungsstrafe verurteilt wurde, zu diesen Drohungen? In der Verhandlung gibt sie sich trotzig, aber ruhig. Ihre Meinung trägt sie sprachlich klar sortiert vor. Sie habe sich von dem Jugendamt an die Wand gestellt gefühlt, habe keine andere Wahl gehabt. „Ich entschuldige mich nicht. Ich bin eine Mutter, die Sorgen um ihr Kind hatte“, sagt Nathalie B. und gibt offen zu: „Mich interessiert das Behördensystem nicht besonders.“

Die Deutsch-Britin lebte nach eigenen Angaben in den letzten Jahren in Kommunen in Spanien, Deutschland und England, einen festen Wohnsitz und einen Job hat sie nicht. Noch im Prozess gab sie an, dass Jugendamt wegen Körperverletzung verklagen zu wollen.

Gericht verurteilt Mutter zu vier Monaten hat

Nach nur knapp einer Stunde gab es für das Gericht keine Zweifel: Es verurteilte die 43-Jährige wegen Nötigung in zwei Fällen zu vier Monaten Haft. Da Nathalie B. diese Strafe mit der Untersuchungshaft, in der sie seit November saß, nahezu komplett abgesessen hat, konnte sie den Verhandlungssaal als freie Frau verlassen.

Ihr Kommentar dazu: „Es ist kalt draußen, ich hätte auch noch einen Monat einsitzen können.“ Ihre Tochter, um die es in dem Rechstreit ging, hat sie seit August 2018 nicht mehr gesehen. Sie lebt mittlerweile wieder bei ihrem Vater.