Duisburg-Altstadt. Margret Stohldreier hat sich mit dem Duisburger Rathaus beschäftigt und erklärt, was sich entdecken lässt. Der Prachtbau ist noch recht jung.
Margret Stohldreier interessiert sich für Stadtgeschichte. Die Duisburgerin engagiert sich bei „Mercators Nachbarn“, einem Zusammenschluss von Hobby-Historikern, die sich mit dem Gelehrten Mercator und der damaligen Zeit in Duisburg befassen. Zudem ist Margret Stohldreier aktives Mitglied der evangelischen Gemeinde Alt-Duisburg. Als sie mal wieder Dienst in der offenen Salvatorkirche schob und zum wiederholten Mal gefragt wurde, wie alt denn das Rathaus sei, begann sie zu recherchieren. Sie schaute sich das Gebäude genau an, entdeckte Köpfe, Schnörkel und manche Inschrift, die ihr Rätsel aufgaben. Ihr Wissen gibt sie nun bei Rundgängen rund ums Rathaus weiter. Ach, eigentlich bräuchte es mindestens zwei Touren, um all die Details und Geschichte(n) zu erklären. So viel sei schon einmal verraten: Das Rathaus sieht viel älter aus als es ist.
„Wann hat man schonmal etwas mit dem Rathaus zu tun. Vielleicht, wenn man heiratet, aber das machen die meisten ja nur einmal“, sagt Margret Stohldreier. Sie wundert es dennoch manchmal, wie wenig die Duisburger über das Gebäude wissen.
Mit dem Bau des heutigen Rathauses wurde 1897 begonnen. Zuvor gab es nur ein schlichteres Gebäude, in dem die Bürger ihre Amtsgeschäfte erledigen konnten. Doch im Zuge der Industrialisierung war Duisburg gewachsen und so beschloss der Rat, dass die Stadt ein ansehnliches Rathaus benötige. In einer Ausgabe der „Deutschen Bauzeitung“ aus dem Jahr 1903 heißt es dazu: „Am 3. Mai 1902 vollzog die Stadt Duisburg am Rhein die festliche Weihe eines neuen Rathhauses als eine Blüthe jenes intensiven Entwicklungs-Prozesses, welchen die deutschen Städte mit nur ganz geringen Ausnahmen nach dem deutsch-französischen Kriege durchmachten.“
Junger Architekt Friedrich Ratzel bekam den Auftrag für das Duisburger Rathaus
Im Kontrast zu den damals modernen Fabriken und Industriegebäuden entschied man sich für den Stil des Historismus. „Friedrich Ratzel war erst 26 Jahre alt, als er sich gegen 83 Mitbewerber durchsetzte und den Auftrag bekam, ein repräsentatives Gebäude zu entwerfen. Er beauftragte mehrere Bildhauer für die Reliefarbeiten. Ich finde, man sieht, dass er Sinn für Humor und Spaß bei der Arbeit hatte“, erklärt Margret Stohldreier und verweist auf den etwas versteckten Kopf eines Hofnarren, der noch heute auf die Passanten hinabblickt, die den Torbogen durchqueren. An anderer Stelle, an der westlichen Fassade über einer Tür, hat sich Architekt Ratzel selbst verewigt.
Wer sich genau umschaut, entdeckt noch allerlei andere Figuren. Adam und Eva zum Beispiel und zwei Herren mit edlen Gewändern. Das sind nicht etwa „die Könige von Duisburg“, sondern Karl der Große und Kaiser Wilhelm I. „Man war damals stolz, sich als deutsche Nation auch Kaiserreich nennen zu können“, weiß die Fachfrau. An der Rückseite befindet sich eine Roland-Figur. „Sieht ganz schön gewaltig aus. Vier Meter ist er hoch und das Sinnbild der Stadtrechte.“
Die Gedenktafel mit dem Zitat von Immanuel Kant „Zwei Dinge erfüllen das Gemüt mit immer neuer und zunehmender Bewunderung und Ehrfurcht, je öfter und anhaltender sich das Nachdenken damit beschäftigt: Der bestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir“ ist hingegen anlässlich der 700-Jahr-Feier der Stadt Königsberg angebracht worden.
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So ein Rathaus hat natürlich nicht nur einen Eingang. Die verschiedenen Türen dienten früher als Einlass zu den Ämtern. Man brauchte damals und auch nach dem Wiederaufbau im Jahr 1952 Platz für die Ämter und auch für die Brandwache, die Polizei, das Katasteramt, die Stadtkasse. Sogar eine Wohnung für den Hausmeister gab es.
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Heute befinden sich in dem Rathaus insgesamt 148 Räume. 17 davon werden für Sitzungen und Besprechungen genutzt. „In den anderen sind das Dezernat des Oberbürgermeisters inklusive Stadtkanzlei, das Referat für politische Koordination und bezirkliche Angelegenheiten, das Referat für Gleichberechtigung und Chancengleichheit sowie Stabsstellen, sämtliche Dezernatsbüros, das Amt für Kommunikation, das Büro Bildungsregion Duisburg sowie die Nachrichtentechnik untergebracht“, zählt Stadtsprecher Sebastian Hiedels auf.
Renovierungsarbeiten gab es in den vergangenen Jahrzehnten so einige. In Vorbereitung auf die 100-Jahr-Feier wurde 2001 und 2002 noch einmal ordentlich modernisiert. Der Paternoster, der seit 1953 seine Runden dreht, wurde 2003 durch einen neuen Aufzug ergänzt. 2018 wurden die Stühle im Ratssaal ausgetauscht und die Beschallungsanlage erneuert. Oberbürgermeister Sören Link ist jedenfalls angetan von seinem Amtssitz: „Das Rathaus liegt mitten im Herzen der Stadt. Noch immer fasziniert mich das geschichtsträchtige Ambiente. Der Paternoster im Eingangsbereich ist ein beliebter Blickfang und Fotomotiv für Besucherinnen und Besucher.“
Wunsch von Margret Stohldreier: Stadt soll mehr aus historischen Schätzen machen
Heute nutzen die meisten den Haupteingang am Burgplatz. Auf der Rückseite am Alten Markt befindet sich noch der Eingang zum heutigen Standesamt. „Früher war die Bebauung natürlich ganz anders. Es gab Gasthöfe hier und noch mehr Häuser. Da war der Torbogen eine willkommene Abkürzung“, beschreibt Margret Stohldreier und macht auf den Höhenunterschied von vier Metern zwischen Altmarkt und Burgplatz aufmerksam.
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Ein Anliegen hat die engagierte Duisburgerin allerdings: „Es ist so Schade, dass es rund ums Rathaus manchmal so ungepflegt aussieht und der historische Mittelpunkt als Parkplatz genutzt wird. Da könnte man viel mehr draus machen.“
>> Stadtgeschichte soll bei künftigen Projekten eine Rolle spielen
Derzeit gibt es eine Diskussion darüber, wie die Altstadt im Bereich der Münzstraße neu gestaltet werden soll. Aber auch das Mercatorquartier, das gegenüber vom Rathaus entstehen soll, haben die Stadtentwickler im Blick. Das Neubau-Projekt soll die Geschichte Duisburgs in der Bebauung wieder aufgreifen.
Dies wäre auch denkbar für die anderen Teile der Altstadt. Geplant ist zum Beispiel, die Stadtmauer stärker in Szene zu setzen. Den Planern ist wichtig, dass Duisburg langfristig nicht nur auf Industriekultur reduziert wird.