Duisburg. Der Umgang mit Obdachlosen in Duisburg ist umstritten. Ehrenamtler reden von Tatenlosigkeit, das Diakoniewerk beklagt eine falsche Barmherzigkeit.

Wie hilft man idealerweise den Obdachlosen in Duisburg? Darüber streiten sich die Stadtverwaltung, die Wohlfahrtsverbände und die Initiativen von Ehrenamtlichen schon länger. Die Stadt Duisburg hat einen ersten Runden Tisch organisiert, um zumindest die Institutionen zusammenzubringen. Es gibt erste Pläne, außen vor stehende Ehrenamtliche - und grundsätzlich unterschiedliche Sichtweisen.

Nach massiver Kritik aus dem Kreis des Petershofes, wo Pater Oliver Obdachlose in Containern beherbergt, ist jetzt geplant, die Container bis Jahresende leerzuziehen und die Bewohner auf andere Unterkünfte zu verteilen. Für jede Person werde in individuellen Fallkonferenzen an Lösungen gearbeitet, betont eine Stadtsprecherin.

Wohnungslosenhilfe des Diakoniewerks in Duisburg wehrt sich gegen Kritik

Viele werden über das Diakoniewerk laufen, das mit der Zentralen Anlauf-, Beratungs- und Vermittlungsstelle, dem Wolfgang-Eigemann-Haus für obdachlose Männer, dem Wohnkonzept für Frauen sowie Projekten wie den 100(8) Häusern für Duisburg der Ansprechpartner schlechthin ist - aber aktuell auch Zielscheibe für manche Kritik von Ehrenamtlern.

Udo Horwat, Geschäftsführer des Diakoniewerks Duisburg, glaubt, dass Ehrenamtlern manchmal das rechte Maß fehlt.
Udo Horwat, Geschäftsführer des Diakoniewerks Duisburg, glaubt, dass Ehrenamtlern manchmal das rechte Maß fehlt. © FUNKE Foto Services | Fabian Strauch

Geschäftsführer Udo Horwat und Fachbereichsleiter Roland Meier vom Diakoniewerk wehren sich gegen den Vorwurf, die Wohnungslosenhilfe kümmere sich nicht: „Das stimmt einfach nicht!“

Im Umgang mit den Ehrenamtlern hofft das Diakoniewerk künftig auf bessere Abstimmung und „fruchtbare Zusammenarbeit“. Oder anders gesagt: „Wenn Pater Oliver Menschen beherbergt, erwarte ich, dass er konstruktiv hilft, damit sie ihre Ansprüche umsetzen können - und das geht nur mit uns“, sagt Horwat. Und was ist mit denen, die durchs Raster fallen wie etwa polnische Arbeitsmigranten? „Da gucken wir gerne, wie wir Hilfe organisieren können.“

Professionelle Obdachlosenhilfe braucht das Ehrenamt - und umgekehrt

Allein im Diakoniewerk seien über 50 Ehrenamtler aktiv, die professionelle Hilfe könne die Arbeit ohne sie gar nicht stemmen, betont Horwat. Umgekehrt geht es nach Ansicht der beiden aber auch nicht. Es könne falsch sein, einem Wohnungslosen immer wieder Angebote zu machen. Wer aus guten Motiven heraus hilft, dem fehle manchmal das rechte Maß, glaubt Horwat. Und Meier ergänzt, dass man die Obdachlosen durch die langfristige Begleitung auf der Straße halte.

Vereine wie „Herzenswärme e. V.“ oder „Muddi hilft“ verteilen regelmäßig warme Suppen, Schlafsäcke und Bekleidung. Zusätzlich will jetzt eine Initiative einen Waschbus auf den Weg bringen, eine andere einen Bus zum Aufwärmen aufbereiten. Für die Diakonie ist das zu viel des Guten: „Bringen wir ihnen Decken, reduzieren wir sie auf ihre Obdachlosigkeit und manifestieren ihren Zustand“, sagen Roland Meier und Udo Horwat.

Manifestiert Barmherzigkeit die Obdachlosigkeit?

Roland Meier; Fachbereichsleiter Wohnungslosenhilfe und Sozialpsychiatrie beim Diakoniewerk Duisburg, ist selbst auch Ehrenamtler, glaubt aber, dass nur ein professioneller Umgang den Obdachlosen gerecht wird.
Roland Meier; Fachbereichsleiter Wohnungslosenhilfe und Sozialpsychiatrie beim Diakoniewerk Duisburg, ist selbst auch Ehrenamtler, glaubt aber, dass nur ein professioneller Umgang den Obdachlosen gerecht wird. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Die deutliche Kritik am ehrenamtlichen Engagement relativiert sich etwas, wenn man weiß, dass Meier Mitgründer des Vereins „Gemeinsam gegen Kälte“ ist und seit über 20 Jahren auch ehrenamtlich anpackt. Mit dem Unterschied, dass das oberste Ziel des Vereins ist, „den überwiegend allein stehenden Menschen durch Beratung und Gespräche den professionellen Hilfesystemen zuzuführen, den Menschen wieder auf die Beine zu helfen“.

Horwat betont, dass es gerade bei suchtkranken Obdachlosen wichtig sei, Hilfe anzubieten, aber auch klare Grenzen zu setzen: „Wir können dafür sorgen, dass die Betroffenen Entgiftungsplätze bekommen oder substituiert werden.“ Horwat beschreibt den Haken, dem alle Hilfe innewohnt: Sie muss angenommen werden. Der Familienvater, der im Suff seine Familie schlägt, werde von den Menschen um ihn herum stabilisiert: „Die Frau trennt sich nicht, die Arbeitskollegen verschleiern seine Unpünktlichkeit oder die schlechte Arbeitsleistung und diese falsch verstandene Barmherzigkeit verschlimmert die Situation“, sagt Horwat. „Solche Systeme könnten auch durch Ehrenamtler stabilisiert werden.“

Besser Lebensmittelgutscheine verteilen als Suppe

Kritik übt Meier auch an der Verteilung von Suppe. Mit Lebensmittelgutscheinen könnten die Wohnungslosen selbst bestimmen, was sie sich kaufen, „das ist uns wichtig“. Meier bekennt allerdings auch, dass jene, die von der Stadt Duisburg im Hotel Salm untergebracht wurden, dort nicht kochen können, die Freiheit somit endlich ist.

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Das Hotel Salm, das immer wieder in der Kritik steht, verteidigt Roland Meier. Es sei im Vergleich zu sogenannten „ordnungsrechtlichen Unterkünften“ in anderen Städten fast schon „edel“. Er nennt es allerdings eine „Katastrophe“, dass manche Zimmer doppelt belegt werden.

Angesichts der hohen Kosten habe die Kommune ein Interesse daran, dass die Bewohner schnell in andere Wohnformen vermittelt werden. Solange würde das Diakoniewerk die Leute unterstützen, etwa mit einem Busticket oder einem Handy, um mit dem Jobcenter und dem Diakoniewerk Kontakt zu halten.

Wohnungspolitische Forderungen des Diakoniewerks

In einer wohnungspolitischen Stellungnahme hatte das Diakoniewerk kürzlich mehrere Forderungen aufgestellt. Nötig sei eine Beratungsstelle im Duisburger Norden, ein sinnvoller Umgang mit jenen EU-Bürgern, die hier mittellos gestrandet sind und keine Ansprüche haben, sowie bezahlbarer Wohnraum.

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Letzteres versucht die Diakonie über das Projekt „1008 Häuser“ umzusetzen. Hier werden stark sanierungsbedürftige Objekte fit gemacht und an eine „schwierige Zielgruppe“ vermietet. Für den Besitzer ist die Unterstützung durch die Diakonie im Umgang mit seinen Mietern ein Pfund.

„Wir sind an fast 1000 Betroffenen dran, unterstützen und betreuen sie, in der Beratungsstelle waren im vergangenen Jahr sogar über 1300 Menschen“, sagt Horwat. Im Vergleich dazu würden die freiwilligen Helfer nur einen kleinen Ausschnitt von Menschen auf der Straße sehen - „und den gibt es in jeder größeren Stadt“, betont er. Selbst jene, die inzwischen in Einrichtungen der Diakonie leben, würden zum Freunde treffen, trinken oder betteln in die Stadt gehen - und sich eine warme Suppe holen.

„In 40 Jahren ist noch nie einer auf der Straße erfroren“

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Klar sei aber auch, dass man nicht jeden erreiche. „Wir machen alles möglich, aber manches braucht Zeit und Kompromissbereitschaft“, sagt Meier. Kürzlich habe er für eine hochschwangere Frau einen Platz in der Frauenunterkunft organisiert. Da sei sie nicht eingezogen, weil ihr Freund nicht habe mitkommen können und sie nicht warten wollte, bis es eine Wohnung für die kleine Familie gibt. „Sie ist lieber im Container geblieben, in der scheinbar einfacheren Lösung“, beschreibt Meier.

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Auch die Forderung nach Unterkünften für Obdachlose mit Hund gehe an den Bedürfnissen vorbei. „In den letzten zwei Jahren hatte ich nicht einen Fall.“ Horwat ergänzt, dass man „unmöglich jedem Bedürfnis nachkommen kann.“ Alles in allem laufe es jedoch gut: „In 40 Jahren ist noch nie einer auf der Straße erfroren,“, sagt Meier, „keiner muss im Winter draußen schlafen.“

>> LEISTUNGEN DES DUISBURGER DIAKONIEWERKS 2019

• 172 Menschen wurden im Rahmen der Nachgehenden Hilfen begleitet, um in einer eigenen Wohnung klarzukommen

• 63 Menschen haben im Wolfgang-Eigemann-Haus gewohnt und wurden von da aus in Suchthilfe oder Sozialpsychiatrie vermittelt.

• 71 Menschen konnte über das Betreute Wohnen geholfen werden, 46 Menschen wurden über Wohngemeinschaften integriert, 81 in andere Einrichtungen vermittelt.

• Weiteren Klienten hat die Diakonie nach Angaben von Roland Meier in der Wohnungsnotfallberatung unterstützt, bei materiellen Problemen geholfen, in sozialpsychiatrische Angebote vermittelt und manches mehr.