Duisburg. Wolfgang de Greiff hatte eine Darmkrebs-OP. Im Bezirksamt Homberg wollte er die Toilette nutzen – und wurde abgewiesen. Dann war es zu spät.
- Ein 77-Jähriger aus Duisburg wollte ein paar Monate nach einer Darmkrebs-Operation die Toilette im Bezirksamt Homberg nutzen.
- Das Personal vor Ort, das den Einlass kontrolliert, wies ihn ab. Auch bei der gegenüberliegenden Sparkasse lies man ihn nicht auf die Toilette. Schließlich war es zu spät.
- Der Duisburger sieht in dem Fall unterlassene Hilfeleistung. Was die Stadt Duisburg über den Vorfall denkt.
Es gibt Ereignisse im Leben, die einen auch Tage, Wochen und Monate später nicht loslassen. Der Duisburger Wolfgang de Greiff hat so eine Erfahrung machen müssen. „Jeder aus meinem Umfeld, dem ich meine Geschichte erzählt habe, hat mit Unverständnis reagiert“, sagt er der 77-Jährige. Er sucht Antworten. Möchte verstehen, wie dieser für ihn einschneidende Vorfall überhaupt passieren konnte.
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Es war der 30. September 2020, ein Mittwoch. Wolfgang de Greiff, der in Friemersheim wohnt, war wie fast jeden Tag mit Sohn Marius in Homberg unterwegs, um wichtige Medikamente für ihn zu besorgen. „Ein paar Monate vorher hatte ich eine Darmkrebsoperation“, sagt er. Das hatte Folgen für den Patienten. Sein Verdauungssystem war in den ersten Monaten gestört, „permanent“, so schilderte er es, musste er auf die Toilette. So auch an diesem Tag.
Bezirksamt Homberg: Mitarbeiter verweigerten den Gang zur Toilette
Er suchte das Bezirksamt Homberg am Bismarckplatz auf, um die dort integrierte Behindertentoilette aufzusuchen. „Nicht möglich“, hieß es dort vor dem Amt. Das Personal für die Einlasskontrollen ließ den Friemersheimer nicht eintreten. „Die sagten, ich brauche einen Termin, um ins Bezirksamt zu gehen“, sagt de Greiff. Zu diesem Zeitpunkt bestand bereits die Pflicht für eine vorherigen Terminbuchung. De Greiff schilderte seine Situation, erwähnte auch die Darmkrebsoperation – aussichtslos. „Die Mitarbeiter haben mich abgewiesen.“
Also ging de Greiff zur gegenüberliegenden Sparkasse. Doch auch hier wollte man ihn mit Verweis auf die Corona-Lage nicht die Toilette nutzen lassen, die Mitarbeiter empfahlen ihm ein nahe liegendes Café. Dieses erreicht de Greiff nicht mehr rechtzeitig. „Da war das Malheur schon passiert“, sagt er. De Greiff suchte ein Krankenhaus in der Nähe auf, konnte sich dort säubern und umziehen. Anschließend erstatte er Anzeige bei der Polizei, sieht in dem Vorfall bis heute eine unterlassene Hilfeleistung.
Staatsanwaltschaft Duisburg hat das Ermittlungsverfahren eingestellt
Das sieht die Justiz anders. Die Staatsanwaltschaft Duisburg stellte das Ermittlungsverfahren im Dezember 2020 ein, wie ein Schreiben belegt, dass dieser Redaktion vorliegt. Demnach konnte kein Täter ermittelt werden, „weitere Nachforschungen versprechen zur Zeit keinen Erfolg“, heißt es. „Ich habe nicht mal 20 Minuten gebraucht, um herauszufinden, wer an diesem Tag vor dem Amt stammt“, sagt hingegen der Friemersheimer. Er legte Beschwerde gegen den Bescheid der Staatsanwaltschaft beim Generalstaatsanwalt in Düsseldorf ein. Auch hier ohne Erfolg. „Nach Prüfung des Sachverhalts sehe ich keinen Anlass, die Aufnahme von Ermittlungen anzuordnen. Die Entschließung der Staatsanwaltschaft entspricht – auch unter Berücksichtigung Ihres Beschwerdevorbringens – der Sach- und Rechtslage“, teilte man ihm mit.
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Der Tatbestand der unterlassenen Hilfeleistung, auf die de Greiff sich beruft, sei in diesem Falle nicht gegeben. Unverständlich für den 77-Jährigen. „Mir geht es absolut nicht darum, mich mit der Sache zu bereichern oder um persönliche Rache“, betont er im Gespräch mit der Redaktion immer wieder. „Ich möchte es einfach nur verstehen.“ Er schrieb an die Landesbehindertenbeauftragte, diese leitete seine Schilderungen an das Justizministerium weiter. „Dort sagte man mir am Telefon, ich solle doch meine Rachegelüste begraben und Ruhe geben“, sagt er. Überprüfen lies sich das von dieser Redaktion nicht.
Friemersheimer hatte Kontakt zur Stadt Duisburg
Die Sparkasse habe kurz nach dem Vorfall Kontakt zu de Greiff aufgenommen, entschuldigte sich und spendete 500 Euro an den Verein „Mobil mit Behinderung“, in dem sich de Greiff engagiert. Auch zum Büro für Chancengleichheit der Stadt Duisburg habe er bereits Kontakt gehabt. Dort versicherte man ihm, dass sich der Leiter des Bezirksamtes, Markus Dorok, mit ihm in Verbindung setzen werde. „Ich habe betont, dass ich jederzeit zu einem Gespräch bereit bin“, sagt de Greiff. Doch dazu kam es nach seinen Angaben nie, der Bezirksamtsleiter habe sich nie persönlich bei ihm gemeldet.
Das sieht die Stadt Duisburg anders. Auf Anfrage dieser Redaktion erklärt Stadtsprecher Malte Werning, wie es zu dieser Situation kommen konnte: „Seit März 2020 befinden wir uns in der Corona-Pandemie. Um sowohl unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, aber ebenso auch die Bürgerinnen und Bürger bestmöglich zu schützen, beschränken wir Kontakte auf ein notwendiges Minimum, insbesondere in Innenräumen. Das gelingt nur, indem wir nur denjenigen Zugang gewähren, die mit einem zuvor gebuchten Termin vorsprechen.“
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Dass die Mitarbeiter, die für einen externen Sicherheitsdienst arbeiten, Wolfgang de Greiff abgewiesen haben, bestätigt Werning. Er betont: „Die Toiletten waren und sind geschlossen, da wir hier nicht die pandemiebedingt gebotene Desinfektion der WC-Räume in dem erforderlichen Umfang bereitstellen können.“
Stadt Duisburg möchte die Abläufe noch mal intern überprüfen
Bezirksamtsleiter Markus Dorok habe zudem laut Stadtsprecher Werning im Januar 2021 mit Wolfgang de Greiff telefoniert. „Er erläuterte ihm die Situation über die Sperrung der Toiletten und die besonderen Auflagen in öffentlichen Gebäuden in Corona-Zeiten. Leider war Herr de Greiff allerdings mit unseren Erklärungen nicht einverstanden“, sagt Werning. „Stimmt nicht“, sagt hingegen der Geschädigte. Aussage gegen Aussage also. De Greiff betont, dass er aber nach wie vor gesprächsbereit wäre. „Das wäre schon wünschenswert, wenn die sich dazu herablassen, mal mit mir sprechen würden.“
Die Stadtverwaltung betont derweil, dass sie den Vorfall sehr bedaure. „Wir haben den damaligen Vorfall aber zum Anlass genommen, unsere Abläufe noch einmal intern zu überprüfen, um hier in vergleichbaren Situationen sensibler agieren zu können“, kündigt Malte Werning an.