Duisburg-Beeck. Bei Facebook treten Lokalpatrioten für Duisburg-Beeck ein. Doch die Liebe für diesen Ort ist erloschen – warum, zeigt sich beim Stadtteil-Check.
Der gebürtige Beecker Torsten Karau ist ein erklärter Lokalpatriot. Auf seine Heimat lässt er nichts kommen. Weil sein Umfeld immer nur das Negative sehen wollte, gründete er 2012 als Gegenpol die Facebook-Gruppe „Erinnerungen an Beeck“. Tägliche Liebeserklärungen an Beeck veröffentlicht er dort, „aber mit dem Verliebtsein ist es jetzt vorbei“. Damit steht er nicht alleine, wie der Stadtteil-Check dieser Zeitung zeigt.
„Ich habe Beeck wirklich immer verteidigt“, sagt Torsten Karau, „aber aktuell kann man’s nicht mehr schönreden“. Diesen Eindruck sehen er und seine Frau Anja, die er zur Beeck-Liebhaberin machte, durch die Ergebnisse bestätigt. Mit einem Durchschnittswert von nur Ausreichend (4,13) sind viele Einzelkategorien entsprechend schlecht bewertet.
Wilde Müllkippen verärgern die Menschen in Beeck
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Besonders auffällig findet Karau die mangelnde Sauberkeit (4,74). „Wir erschrecken uns immer mehr. Es sieht manchmal sehr verheerend aus.“ Ob „Sperrmüll, zerfledderte Altkleidercontainer oder Altpapier, sobald ein Teil irgendwo steht, wird von Tag zu Tag mehr dazugestellt.“ Wer das anmahne, bekomme blöde Sprüche zu hören, dass es doch immer schäbig aussehe. „Das peitscht unsere Leute auf“, sagt der 48-Jährige und meint die fast 1300 Gruppenmitglieder auf Facebook. „Viele fühlen sich hier inzwischen unwohl, und wir wollen uns gar nicht ausmalen, wie schlimm es noch werden kann.“
Traurig statt wütend macht die Beecker dagegen das schrumpfende Freizeitangebot (4,79). Wer Fußball mag, ob er bolzen oder anfeuern will, kann zum BSV Beeck 05 gehen. Und Jugendliche treffen sich mit Kumpels im Lehnhofpark, wie schon Generationen vor ihnen. „Der hat aber seine besten Jahre längst hinter sich.“
Alteingesessene boykottieren inzwischen die Beecker Kirmes
Geradezu als kaputtgewirtschaftet empfindet das Ehepaar die Beecker Kirmes, die alljährlich der Höhepunkt im Stadtteil war. Einst rühmte sie sich, die größte Kirmes am Niederrhein zu sein. „Ein Volksfest ist das schon lange nicht mehr“, bedauert Karau. Deutlich kleiner als in früheren Jahrzehnten sei sie nun „und es fehlen Attraktionen“. Hinzu komme die Enttäuschung darüber, dass „mit der Tradition gebrochen wurde“ und die Stadt Duisburg den Rummel nicht mehr Ende August veranstaltet. Alteingesessene würden die Kirmes daher boykottieren.
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Besonders vermissen die Menschen und auch viele Vereine den Oberhof, der seit einem Brand im März geschlossen ist. Dass zudem die Kirche St. Laurentius aufgegeben und der Markt auf zwei, drei Stände geschrumpft sei, habe weitere beliebte Treffpunkte gekostet. Der Lichtblick: „Selbst an Markttagen hat man keine Probleme mehr, einen Parkplatz zu finden.“ Die Parksituation finden die Beecker mit der Note 3,82 dann auch vergleichsweise gut.
Trotz Ladensterben: „Die Grundversorgung ist gut“
Dabei gebe es immer weniger Bedarf an Stellplätzen, finden die Karaus. Denn viele Fachgeschäfte sind weggefallen. So gab es früher etwa viele Metzgereien. „Jetzt haben wir eine gute türkische Metzgerei, aber ein Schweinekotelett gibt’s da nicht“, sagt Karau und zählt weiteren Fachhandel von früher auf: Schreibwarengeschäfte, Modeläden, Optiker, eine Parfümerie und eine Drogerie. Aktuell gibt es aber ausreichend Supermärkte und Discounter mit Kundenparkplätzen. „Die Grundversorgung ist gut“, sagt Anja Karau (45) und findet dafür die Note für die Kategorie Einkaufen (3,47) gerechtfertigt. „Wenn es aber um etwas Spezielleres geht, ist die Note sehr geschmeichelt.“
Verdient schlecht bewertet sei der Nahverkehr (3,67). Zumal die Busse und Bahnen häufig überfüllt seien, schildert Torsten Karau. Dass jedoch schon jahrelang die Straßenbahnstrecke zwischen Laar und Beeck tagsüber nur von Bussen bedient wird, empfänden viele als Armutszeugnis. Der Lichtblick: „Die neue Buslinie 917 nach Homberg wird sehr gut angenommen.“
Glockengeläut und Muezzin-Ruf: Beecker leben ihre Nachbarschaft multikulturell
Doch die Karaus wollen nicht immer nur draufhauen und betonen daher, dass es viele gute Imbisse und Kneipen gibt. Vor dem Gaststätten- und Restaurantsterben sei Beeck aber nicht gefeit (Gastronomie: 4,08). Der Spitzenplatz falle aber zurecht an Medizin (3,08), weil es viele Ärzte gebe und die Apotheken sehr serviceorientiert arbeiten. Für Senioren (3,93) leiste vor allem die Arbeiterwohlfahrt lobenswerte Arbeit, „die sehr gut angenommen wird“.
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Falsch und zu niedrig bewertet findet das Ehepaar allerdings die Gemeinschaft (4,6), selbst wenn die Pfarrfeste vermisst werden. „Unsere Nachbarschaft ist gut. Beeck ist multikulti, man akzeptiert und hilft sich“, sagt Torsten Karau und erinnert daran, dass beim Corona-Lockdown nicht nur die christlichen Glocken aus Solidarität läuteten, sondern auch der Muezzin rief.
Alles in allem würden die beiden Facebook-Gruppengründer ihrem Lieblingsstadtteil aktuell nur eine Vier plus geben – und liegen damit nicht weit weg vom Stadtteil-Check (4,20). „Wir warten die Entwicklung ab“, resümiert Torsten Karau und ertappt sich neuerdings sogar ab und an beim Gedanken, aus Beeck wegzuziehen. „Aber welcher Duisburger Stadtteil hat denn keine Probleme? Wo ist denn die Welt noch in Ordnung?“ Das ist dann doch ein leises Bekenntnis zu seiner Heimat Beeck.
>> Die König-Brauerei hat viel für Beeck getan
- Die Polizeipräsenz in Beeck findet Anja Karau gut, denn ihr fallen in letzter Zeit häufiger Streifen auf. Zudem begrüßt sie, dass es immer noch eine kleine Wache an der Karl-Albert-Straße gibt. Das trage zum Sicherheitsgefühl bei (Note: 4,3), „Ich umgehe es trotzdem, nachts im Dunkeln draußen zu sein.“ Das habe weniger mit Beeck zu tun, als mit täglichen Polizeimeldungen aus ganz Duisburg. „Man weiß dadurch, was alles passieren kann.“
- Ein Wahrzeichen Beecks sei übrigens nicht in den Stadtteil-Check eingeflossen, bedauert Torsten Karau, aber für den Stadtteil enorm wichtig: die König-Brauerei. „Köpi hat sehr viel für Beeck getan“, und deshalb sollten alle Beecker sie unterstützen, indem sie Bier aus Beeck als Hausmarke trinken.