Dortmund. Explosionen, Kugelhagel auf Häuser, ein angeschossener Mann: Eine ganze Serie von Anschlägen in NRW scheint nun aufgeklärt. Die Details.

Im Herbst 2024 liefen weit über 100 Bandidos aus NRW zu den Hells Angels über. Innerhalb von nur vier Wochen schlugen nun in Dortmund, Holzwickede und Unna Kugeln in Gebäuden ein, in Bochum und Oberhausen explodierten Eingangstüren. Was zunächst auf einen neuen Rockerkrieg zwischen verfeindeten Gruppierungen hindeutete, soll laut Ermittlungsbehörden letztlich andere Hintergründe haben.

Dortmunder Staatsanwaltschaft spricht von „Einzeltätern“

„Wir gehen nicht davon aus, dass es sich um Taten zwischen rivalisierenden Rockergruppen handelt“, sagt Staatsanwalt Henner Kruse bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit der Dortmunder Polizei am Donnerstagmittag (13.2.). Vielmehr hätten die Ermittlungen ergeben, dass die Tatverdächtigen ehemalige Hells Angels des Chapters in Unna seien, die jedoch „in Ungnade gefallen und ausgeschieden sind“. Sie bekamen den Status „Out in bad standing“, was man übersetzen kann mit „vogelfrei“. Von einem „Rockerkrieg“ wolle man daher nicht sprechen, sondern von Einzeltätern aus einer Rockergruppierung, „die sauer waren und jetzt Rache geübt haben“, so der Staatsanwalt wörtlich.

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Kriminaldirektor Denis Andric, Leiter der am Montag (11.2.) extra gegründeten Spezialeinheit „BAO Chrom“, betont: „Hintergrund der Taten ab dem 7. bis 10.2. einschließlich, sind wirklich klubinterne Streitigkeiten, die ihren Ursprung in persönlichen Differenzen hatten.“ Damit diese persönlichen Differenzen nicht in den Club getragen werden, sei eine Person ausgeschlossen worden, eine weitere sei aus Solidarität gefolgt.

Drei Männer aus Bochum in Haft

Konkret handele es sich dabei um zwei Männer (25, 33) aus Bochum. Ein 38-Jähriger müsse erst noch dem Haftrichter vorgeführt werden, als Haupttäter gelten aber die beiden jüngeren Männer. Ihnen wird gemeinschaftlicher, versuchter Mord vorgeworfen, weil sie mit Maschinengewehren etwa 60 Schüsse auf das Reihenhaus eines Rockers in Holzwickede abgefeuert haben sollen.

Dortmund Rockerkrieg
Im Erdgeschoss dieses Reihenhauses in Holzwickede schlief ein Mädchen, als rund 60 Kugeln auf Türe und Wände abgefeuert wurden. © Funke Medien NRW | Lisa Goedert

„Im Erdgeschoss schlief ein Mädchen, wo auch Projektile in der Nähe eingeschlagen sind“, erklärt der Dortmunder Staatsanwalt Henner Kruse. Diese Tat erfülle die Mordmerkmale „Heimtücke“ und „niedriger Beweggrund“. Dazu komme der Verstoß gegen das Kriegswaffengesetz und das Herbeiführen der Sprengstoffexplosionen in Bochum und Oberhausen.

Vorerst mysteriös bleibt aber die Schusswunde des Holzwickeder Rockers, die erst zwei Tage nach dem Anschlag auf sein Haus entstand. Der Mann selbst mache keine Angaben dazu und verhalte sich äußerst unkooperativ – wie auch alle anderen Betroffenen des Rachefeldzugs.

Explosion in der Nacht in Bochum
Die Haustür in Bochum-Hiltrop wurde mit einem selbstgebastelten Sprengsatz zerstört. © WTVnews_Bochum

Die Schüsse im Januar auf das Tattoostudio in Dortmund und ein Haus in Unna werden seitens der Staatsanwaltschaft ebenfalls als schwere Straftaten gewertet, jedoch nicht als Mordversuch, da sich zum Tatzeitpunkt keine Personen in den Gebäuden befanden. Außerdem scheint noch unklar, ob diese überhaupt auf das Konto der Festgenommen gehen: Die Taten vom 7. bis 10. Februar könne man eindeutig dem Rachefeldzug der verstoßenen Hells Angels zuordnen, aber „die Taten davor müssen wir noch überprüfen“, gibt Kriminaldirektor Andric zu bedenken. Bei letzteren sei nämlich eine ganz andere Munition verwendet worden: „Bisher gibt es keine sehr deutlichen Hinweise, dass diese im Kontext stehen.“

„Wir hoffen, also gehen eigentlich auch davon aus, dass wir die Tatserie unterbrochen haben – dass wir die Richtigen in Haft haben, dass das jetzt aufhört“, so Staatsanwalt Kruse.

Was über die Vergangenheit der Tatverdächtigen bekannt ist

Laut Kruse haben die Hauptverdächtigen beide die deutsche Staatsbürgerschaft und jeweils bereits mehrjährige Haftstrafen verbüßt – der 33-Jährige stehe sogar noch unter laufender Bewährung. Der 25-Jährige sei zudem im Zusammenhang mit Automatensprengungen aufgefallen. Für die Herstellung der in Bochum und Oberhausen verwendeten Sprengsätze soll aber der ebenfalls festgenommene 38-Jährige zuständig gewesen sein. Bei der Hausdurchsuchung wurden geringe Mengen Plastiksprengstoff gefunden und ein selbstgebastelter Sprengkörper, der aus Sicherheitsgründen gleich auf einem Feld in der Nähe kontrolliert zum Explodieren gebracht wurde, weil er nicht transportsicher war.

Insgesamt wurden in den vergangenen drei Tagen acht Wohnobjekte durchsucht, fünf Personen vorläufig festgenommen, zwei Waffen, vier Fahrzeuge (zwei davon Tatfahrzeuge) und 23.000 Euro Bargeld sichergestellt. Von den zunächst fünf Festgenommenen sind zwei wieder auf freiem Fuß.

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