Bottrop. Viertklässler werden jetzt für die weiterführende Schule angemeldet. Eine Familie erzählt von ihren Sorgen. Teils kann die Stadt diese nehmen.
Ab 21. Februar können Familien in Bottrop ihren Nachwuchs für eine weiterführende Schule anmelden. Eine Entscheidung, über die sich viele Familien sehr gründliche Gedanken machen. Welche Schulform, welche Schule passt am besten zum Kind? Welche Kriterien sind uns wichtig? Wie frei fühlt sich die Schulwahl in der Praxis tatsächlich an? Familie Brandt aus Bottrop-Grafenwald hat uns von ihren Überlegungen und Sorgen erzählt.
„Seit Monaten ist das ein Thema bei uns“, sagt Vanessa Hein-Brandt (44). „Alles fing im letzten Jahr nach den Sommerferien an. Es war klar: Das nächste Zeugnis ist sehr wichtig, damit müssen wir uns bei verschiedenen Schulen bewerben. Der Druck ist damit höher. Die Kinder machen sich den selbst, kriegen aber natürlich auch von außen mehr Druck.“
Für die Bottroper Familie war von Anfang an klar: Ein Gymnasium kommt nicht infrage
Von Anfang an war für Familie Brandt klar: Ein Gymnasium kommt für Paul nicht infrage, vor allem aufgrund seiner Lese-Rechtschreib-Schwäche. „Schon in der ersten Klasse haben wir gemerkt, dass es nicht ganz rund läuft. Aber die Lehrer haben zunächst gesagt, alles sei soweit gut, wir sollen erst einmal abwarten.“ Als Paul in der dritten Klassen war, haben die Eltern ihn testen lassen. „Wir wollten für uns wissen: Wie sieht es aus“, sagt Thomas Brandt (53).
Als die Lese-Rechtschreib-Schwäche von der Caritas bestätigt worden sei, war das eine Erleichterung, berichtet Vanessa Hein-Brandt: „Er hatte so viel für die Schule getan, jeden Abend haben wir zusammen gelesen.“ Trotzdem blieben Schwierigkeiten bestehen, die inzwischen in einer Einzelförderung bei der Caritas angegangen werden. „Paul geht gerne hin“, sagt seine Mama – und der Zehnjährige nickt bestätigend. Erste Erfolge stellen sich ein.

Dennoch: „Paul ist kein Kind, was auf ein Gymnasium geht“, bekräftigt Vanessa Hein-Brandt. Zuletzt waren die Gymnasien bei den Schulanmeldungen immer die gefragteste Schulform. 2024 wurden rund 42 Prozent aller Fünftklässler dort angemeldet. Familie Brandt aber schaut genau aufs Kind, das von der Grundschule auch eine Realschulempfehlung bekommen hat, nahm andere Schulformen in den Blick, besuchte dort Tage der offenen Tür.
„Die erste Schule, die wir uns angeguckt haben, war in Kirchhellen, die Sekundarschule“, erzählt Paul. Danach ging es zur August-Everding-Realschule. „Die war auch sehr toll. Aber in der Sekundarschule habe ich mich wohler gefühlt.“ Aus Elternsicht, verrät seine Mutter, war zunächst die AER der Favorit.
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
Aber hier beginnen die Sorgen der Familie. Denn die August-Everding-Realschule ist seit Jahren sehr gefragt, muss jeweils Schülerinnen und Schüler abweisen. 2024 zum Beispiel waren bei einer Aufnahmekapazität von drei Klassen mit insgesamt 87 Schülerinnen und Schülern 106 Kinder angemeldet worden, drei davon aus anderen Städten. Die auswärtigen Anmeldungen werden jeweils zuerst abgewiesen.
Dass die AER so gefragt ist, verunsichert die Familie, die seit zwei Jahren in Grafenwald wohnt, damit zwar relativ nah zur AER im Fuhlenbrock, aber nicht in unmittelbarer Umgebung. Die Brandts haben Sorge, bei einer möglichen Abweisung von ihrer Wunschrealschule die freie Wahl einer Alternativschule zu verlieren, dann auf jeden Fall auf einer der beiden anderen Realschulen in Bottrop-Stadtmitte festgelegt zu sein.
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
Und auch die Sekundarschule, die der Familie bei ihrem Besuch dort ebenfalls gut gefallen hat, war in der Vergangenheit schon so gefragt, dass sie Fünftklässler ablehnen musste, wenn das 2024 auch nicht der Fall war. Hier irritiert Familie Brandt zudem ein wenig die Maßgabe, dass bei Sekundarschulen (wie bei Gesamtschulen) stets Schülerinnen und Schüler unterschiedlicher Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen sind. Schulleiter Stefan Völlmert erläutert auf Nachfrage der Redaktion: „Wir bilden drei Leistungstöpfe aus den Durchschnittsnoten der Fächer Deutsch, Mathe, Englisch und Sachunterricht.“
Fast wünschten sich Brandts, Paul hätte schon ein älteres Geschwisterkind an ihrer weiterführenden Wunschschule – das ist nämlich bei einem Anmeldeüberhang jeweils ein Auswahlkriterium von besonderem Gewicht.
Neu in Bottrop: Ein Anmeldetermin für alle weiterführenden Schulen
„Es gibt nur einen Termin zur Anmeldung, für alle Schulen gleichzeitig“, nennt Thomas Brandt eine weitere Sorge. Das ist in diesem Jahr tatsächlich etwas anders als zum Beispiel 2024, als für die beiden Gesamtschulen und die Sekundarschule ein vorgezogener Anmeldetermin galt.
Nadine Granow-Keysers, Leiterin des Fachbereichs Schule bei der Stadt, erklärt hierzu auf Nachfrage der Redaktion: Ein vorgezogenes Anmeldeverfahren sei nur dann vorgesehen, wenn ein Anmeldeüberhang an der Schulform zu erwarten ist. „Da wir in den letzten zwei Jahren keinen Anmeldeüberhang an den Gesamtschulen hatten, ist nun auch kein vorgezogenes Anmeldeverfahren mehr möglich“, erläutert Nadine Granow-Keysers. Gleiches gelte durch die Erhöhung der Klassenstärke im vergangenen Jahr für die Sekundarschule.
Pauls Vater sorgt zudem dies: „Man muss sich für eine Schule entscheiden, kann keine Alternative angeben.“ In Gladbeck, ergänzt Vanessa Hein-Brandt, sei das anders, dort könne man zwei Wunschschulen auf dem Anmeldeformular angeben. Diese Möglichkeit würden die Brandts als große Erleichterung empfinden. Bottrop verweist auf das hier genutzte EDV-gesteuerte Anmeldeverfahren, dass es so in Gladbeck nicht gebe.
„Man spielt mit der Anmeldung Russisch Roulette“
Für Vanessa Hein-Brandt fühlt sich das alles in allem so an: „Man spielt mit der Anmeldung Russisch Roulette.“ In ihm gesamten Bekanntenkreis, so die 44-Jährige, mache man sich solche oder ähnliche Gedanken.
Nadine Granow-Keysers kann der Familie die Sorge nehmen, bei einer möglichen Abweisung an ihrer Wunschschule zum Beispiel dann auf die Schulform Realschule festgelegt zu sein: „Automatisch erfolgt bei einem Anmeldeüberhang keine Zuteilung einer anderen Schule. Die Schulleitung informiert die Eltern und informiert gleichermaßen über die Schulen mit freien Aufnahmekapazitäten. Demnach ist die Schulform damit auch weiterhin änderbar.“