Bottrop. Ein Streit um Böller war in der Silvesternacht in Bottrop eskaliert. Nun ist das Urteil gegen einen 18-jährigen Messerstecher gefallen.

Die Stiche gingen in den Hals, in die Brust und in den Bauch: Vor knapp sechs Monaten hat ein 18-Jähriger in Bottrop elfmal mit einem Messer auf einen Nachbarn eingestochen. Dass der Mann überlebt hat, ist nur dem Zufall und der Kunst der Ärzte zu verdanken. Jetzt ist der Täter verurteilt worden. Die Strafe: drei Jahre Jugendhaft. 

Richter zur Bottroper Messerattacke: „Völlig nichtiger Anlass“

Richter Markus Dörlemann sprach von einem „tragischen Geschehen.“ Auch von einem „völlig nichtigen Anlass“ war im Prozess am Essener Landgericht die Rede. Es war die Silvesternacht, als das Drama seinen Lauf nahm. Der 18-Jährige hatte mit Freunden gefeiert. Um kurz nach Mitternacht wurden die ersten Böller gezündet. Doch die ausgelassene Stimmung war ruckzuck vorbei.

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Ein Nachbar hatte offenbar Angst um das Auto seiner Partnerin, bat die junge Party-Gruppe um mehr Rücksicht. Doch die Ansprache verhallte im Nirgendwo. Danach ging dann alles ganz schnell. Der 36-Jährige stürmte auf die Gruppe los und schlug sofort zu. Auch eine schwangere Frau wurde dabei mitgerissen und ging zu Boden. Was danach passierte, ist unklar.

Opfer aus Bottrop ist knapp dem Tod entgangen

Laut Urteil entwickelte sich eine Rangelei, irgendwann wälzten sich der 18-Jährige und der Nachbar auf dem Rasen. Auch dabei soll der Ältere noch zugeschlagen haben. Dass er mit einem Messer gestochen und schwer verletzt worden ist, hat er zunächst gar nicht mitgekriegt. Wie knapp er dem Tod entgangen ist, wurde erst im Krankenhaus deutlich: Lunge, Leber und Herzbeutel waren verletzt, der Bauchraum war geöffnet.

Im Prozess vor der 25. Strafkammer hatte der 18-Jährige von Notwehr gesprochen. „Ich hatte Todesangst“, sagte er den Richtern. Sein Verteidiger, Irfan Durdu, formulierte es so: „Der doppelt so schwere und doppelt so breite Mann saß auf ihm, hat ihn teilweise gewürgt und auf ihn eingeprügelt.“ Er habe regelrecht gewütet.

Von einer Notwehr-Situation sind die Richter trotzdem nicht ausgegangen. Laut Urteil hätte der 18-Jährige den Messer-Einsatz zumindest ankündigen müssen. „So nach dem Motto: Halt, Stopp: Ich habe ein Messer.“ Das habe der Bottroper jedoch nicht getan.

Richter am Essener Landgericht: Rechtlich kein versuchter Totschlag

Zwei Brüder, die mit auf der Anklagebank saßen, sind freigesprochen worden. Einem konnte nicht mal die geringste Beteiligung an der Schlägerei nachgewiesen werden. Der andere habe zwar einmal zugetreten, doch das sei durch Nothilfe gedeckt gewesen. Der 36-Jährige hatte im Prozess unumwunden zugegeben, als erster zugeschlagen zu haben. Ein Fehler, wie er bei seiner Zeugenvernehmung ehrlicherweise zugab. Er habe sich respektlos behandelt gefühlt, hätte aber nicht so schnell ausrasten dürfen.

Das Urteil lautet auf gefährliche Körperverletzung. Die Staatsanwaltschaft hatte sogar vier Jahre Jugendhaft wegen versuchten Totschlags beantragt. „Wer in den Hals und in den Oberkörper sticht, weiß, dass das tödlich enden kann“, so Anklägerin Sarah Erl. Das sahen auch die Richter so. Sie gehen allerdings davon aus, dass der 18-Jährige freiwillig aufgehört hat, obwohl er weiter hätte zustechen können. Rechtlich könne deshalb nicht mehr von einem versuchten Totschlag gesprochen werden.

Nach der Urteilsverkündung ist der junge Bottroper vorübergehend aus dem Gefängnis entlassen worden – nach fast sechs Monaten Untersuchungshaft. Sollte das Urteil des Essener Landgerichts rechtskräftig werden, muss er den Rest der Strafe zu einem späteren Zeitpunkt absitzen. Seine Freundin brach auf dem Gerichtsflur vor Freude in Tränen aus.