Bottrop. Historiker zeigen in einem Buch die Verstrickungen mit der Hitler-Diktatur auf. So machte sich das Unternehmen für die Nazis unentbehrlich.

Emschergenossenschaft und Lippeverband waren in der Nazi-Zeit Teile des verbrecherischen Systems. Denn die Emschergenossenschaft, die auch in Bottrop zur Abwasserbeseitigung Klärbecken und Kanalisationen betreibt, hat als unentbehrliche Dienstleisterin die Herrschaft der Nationalsozialisten stabilisiert. Die Historiker Eva Balz und Christopher Kirchberg zeigen, dass Mitarbeiter der Unternehmen zu Opfern rassistischer und politischer „Säuberungsprozesse“ wurden und auf Baustellen viele Zwangsarbeiter schuften mussten.

"Die Art und Weise, auf die beide Wasserverbände ihren Aufgaben auch im Nationalsozialismus nachgingen, trug leider maßgeblich zu dessen Erhalt – und Erfolg – bei“, fasst Vorstandsvorsitzender Uli Paetzel ihre Forschungsergebnisse zusammen. Erste Erkenntnisse hatten die Historiker der Ruhruniversität Bochum im vorigen Jahr vorgestellt. Nun werden die ausführlichen Ergebnisse ihrer Forschungen in dem 180 Seiten starken Buch „Fließende Grenzen – Abwasserpolitik zwischen Demokratie und Diktatur“ (Klartext Verlag, ISBN: 978-3-8375-2183-2) veröffentlicht. 

Teil des menschenverachtenden Nazi-Systems

„Die beiden Abwasserverbände waren Teil des menschenverachtenden Systems der Nationalsozialisten. Sie entließen Mitarbeiter jüdischen Glaubens oder sozialdemokratischer Überzeugungen und beschäftigten über ihre Auftragnehmer indirekt Zwangsarbeiter. Dies bedeutet nicht zwangsläufig, dass der Vorstand und die leitenden Mitarbeiter überzeugte Nationalsozialisten waren“, sagt Autorin Eva Balz. Im Vordergrund stand die Frage, welche Entscheidungen ökonomisch vorteilhaft waren. 


Dies zeige zum Beispiel der Einsatz von Zwangsarbeitern. "Dieser sicherte den Baufortschritt auch in den Kriegswirren – und das oftmals zu günstigen Konditionen", erklärt Historiker Christopher Kirchberg. Durch Fotos, Bauakten und Rechnungen lasse sich belegen, dass ab 1942 mindestens 100 holländische, französische, russische und jüdische Zwangsarbeiter eingesetzt wurden. Nicht das von den Nazis propagierte Motiv der Vernichtung durch Arbeit war dabei maßgebend, sondern die Verfügbarkeit der Arbeiter.

Verdiente Mitarbeiter im Stich gelassen

Die Genossenschaft habe sich auch nicht gegen die Diskriminierung einzelner Mitarbeiter gewehrt, fassen Balz und Kirchberg zusammen. Dies zeige das Beispiel des Chefchemikers Hermann Bach. Er war Jude und wurde zwangsweise in den Vorruhestand versetzt. Dadurch lasse sich zwar keine direkte Verantwortung für Bachs Tod 1944 ausmachen, allerdings führte die Emschergenossenschaft die NS-Gesetze widerstandslos aus. Statt einigen schillernden Tätern trat dabei eine Vielzahl von Personen in den Blick, die Mitverantwortung am Nationalsozialismus und seinen Verbrechen trugen.

Als eine Konsequenz aus den Forschungen will Personalvorstand Raimund Echterhoff die Auszubildenden der Emschergenossenschaft für die Themen Nationalsozialismus und Fremdenfeindlichkeit sensibilisieren. Echterhoff: "Dies soll ein fester Bestandteil unserer Ausbildung sein, um den jungen Menschen die Konsequenzen scheinbar unpolitischer Handlungen im Arbeitsalltag bewusst zu machen".

Historiker forschten in Archiven

>>> Emschergenossenschaft und Lippeverband haben gemeinsam rund 1700 Beschäftigte und sind Deutschlands größter Abwasserentsorger und Betreiber von Kläranlagen. Die Wasserwirtschaftsverbände haben ihre Rolle während der Zeit des Nationalsozialismus erforschen lassen.

Dazu hat ein Forscherteam der Ruhr-Universität Bochum nicht nur in zahlreichen Archiven von Bochum über Berlin bis London recherchiert, sondern auch in den eigenen Foto-Archiven von Emschergenossenschaft und Lippeverband.