Bottrop. Auch in Bottrop leben Menschen aus Russland und der Ukraine. Der Krieg wird das Zusammenleben auch hier beeinflussen, so die Befürchtung.

Der Krieg in der Ukraine – er kann auch Auswirkungen auf Bottrop haben. Das fürchtet zumindest Nora Schrage-Schmücker. Sie leitet das Quartiersbüro auf Prosper III, einer Siedlung, in der auch viele Aussiedler aus Russland und den ehemaligen Sowjetrepubliken, darunter die Ukraine, leben. Noch hat sie vor Ort keine Konflikte wahrgenommen, sie weiß aber, dass hier auch Menschen leben, die aufseiten Putins stehen, die ihre Informationen möglicherweise vor allem aus russischen Staatsmedien und sozialen Netzwerken beziehen.

Warum sie diese Befürchtung hegt? An anderer Stelle hat sie diese Erfahrung bereits machen müssen. In Dorsten habe sie sich in einem interkulturellen Projekt engagiert. Dort hätten Türken und Kurden bestens zusammengearbeitet und es habe keine Probleme gegeben. Bis es zum Konflikt zwischen der Türkei und den Kurden kam. Schleichend habe dann ein Prozess eingesetzt, an dessen Ende die Gruppe dann zerfallen sei, sich teils feindlich gegenüberstand und es gar zu Drohungen gekommen sei.

Viele Menschen seien noch in einer Art Schockstarre

Wie gesagt, davon sei hier noch nichts zu merken, doch ihre Erfahrung macht sie da misstrauisch. Sie mache sich große Sorgen, sagt Nora Schrage-Schmücker. Zumal es nicht nur die Linie zwischen Russen und Ukrainern gebe. Sie wisse von russischen Familien, die Putin nahestehen, wisse aber auch, dass es unter den russischstämmigen Bottropern klare Gegner des russischen Machthabers gebe. Die Gruppe sei also in sich auch nicht so homogen, wie es manchmal nach außen den Eindruck mache.

Im Moment seien sicher viele noch in einer Art Schockstarre. Womöglich hätte man auch hier bis zum Schluss nicht dran geglaubt, dass Putin seine Armee tatsächlich die Ukraine überfallen lässt, hat immer noch irgendwie die Hoffnung gehabt, dass die Diplomatie einen Weg findet, so Nora Schrage-Schmücker. Nun gelte es genau zu beobachten, ob ein Prozess einsetze, der den Konflikt dann auch in Bottrop sichtbar macht.

Bottroperin glaubt, dass das ukrainische und das russische Volk in Ruhe leben möchten

„Ich hoffe, dass ich mich täusche und dass mein schlechtes Gefühl vielleicht wirklich nur ein schlechtes Gefühl ist“, bringt sie ihre Zweifel und den momentanen Gemütszustand auf den Punkt. Nur die aktuelle Entwicklung, die russischen Soldaten vor Kiew ließen sie „schwarz sehen“.

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Julia Luft teilt diese Einschätzung nicht. Die 45-Jährige lebt seit 1998 in Deutschland, hat zuvor 21 Jahre in Kasachstan und der ehemaligen Sowjetunion gelebt. Dass sich der Konflikt auch auf die hier lebenden Ukrainer und Russen ausweitet, kann sie sich nicht vorstellen. Aus Gesprächen mit befreundeten Ukrainern und Russen habe sie vielmehr den Eindruck, dass beide Seiten eigentlich in Ruhe leben möchten. „Die Menschen dort haben keine Lust auf Krieg.“ Sie versuchten dort ihr Leben so normal wie möglich weiter zu führen, das habe sie von den Eltern einer ukrainischen Arbeitskollegin erfahren. Doch die Einschränkungen seien eben immens, so seien etwa die Banken geschlossen.

Am Bottroper Rathaus weht als Zeichen des Friedens die Europaflagge

Auch sie habe die Hoffnung gehabt, dass es nicht zu einem Krieg kommen würde, doch bei ihr sei diese Hoffnung schon geschwunden, als Armeen und Panzer an der Grenze zur Ukraine aufmarschiert sind. Putin beschränke sich nicht auf bloße Drohgebärden, so ihre frühe Einschätzung. Auf der anderen Seite gebe es eben auch Ukrainer, die nun vom Westen, der EU und den USA, enttäuscht seien. Von dort seien viele Versprechungen gekommen, aber nichts wurde gemacht, gibt sie die Stimmen wieder.

Oberbürgermeister Bernd Tischler hat ebenfalls reagiert. Anlässlich des völkerrechtswidrigen Angriffs Russlands auf die Ukraine ließ er am Rathaus als ein Zeichen für den Frieden die Europaflagge hissen. „Ich bin entsetzt angesichts der aktuellen Ereignisse in der Ukraine, die Bilder von dort sind zutiefst besorgniserregend. Meine Gedanken und meine volle Solidarität gelten den Menschen vor Ort. Krieg und bewaffnete Konflikte können nie die Lösung sein, sondern rufen immer nur Leid hervor.“ Wichtig sei nun der entschiedene Einsatz für Werte wie Frieden, Freiheit und Demokratie.

Mit dem Hissen der Europaflagge soll daran erinnert werden, dass die Mitglieder des Europarats, darunter auch Russland und die Ukraine, für den Frieden und die Zusammenarbeit der Völker in Europa einstehen.

Christen beten für den Frieden

Angesichts des Kriegs in der Ukraine rufen die christlichen Kirchen in Deutschland die Gläubigen zum Gebet für den Frieden auf. Die Kirchengemeinden und christliche Gruppen sind eingeladen, am kommenden Sonntag, 27. Februar, am frühen Abend in Friedensgottesdiensten und gemeinsamen Gebeten der Opfer des Krieges zu gedenken und für Frieden in der Ukraine zu bitten. Die Kirchenglocken sollen zum Gebet einladen. Auch Bischof Franz-Josef-Overbeck ruft dazu auf. In Bottrop beteiligt sich unter anderem die Pfarrei St. Cyriakus. In der zentralen Innenstadtkirche findet bereits am Samstagmittag zur Marktzeit ein Friedensgebet statt. Um 12 Uhr sind alle eingeladen in der Kirche für den Frieden zu beten. Außerdem werde man den Gottesdienst am Sonntagabend um 18 Uhr in besonderer Weise gestalten, so Propst Jürgen Cleve.