Bottrop. Die generalisierte Ausbildung soll übergreifend auf Alten- und auf Krankenpflege vorbereiten. Bottroper Ausbilder sehen viele positive Aspekte.

Fachkräfte für die Pflege sind gefragt. Wer diesen Berufsweg einschlagen will, erhält seit diesem Jahr eine übergreifende Pflegeausbildung, die die Alten-, die allgemeine Kranken- und die Kinderkrankenpflege vereint. Was das bedeutet und was sie sich davon erwarten, darüber hat die WAZ-Redaktion mit Bottroper Ausbildern und Trägern gesprochen.

„Pflege umfasst alle zu Pflegenden“

Ein Vorteil der Reform laut Stefan Wiesmann und Dennis Tefett (li.): Den Schulen werde mehr Geld für Materialien zur Verfügung gestellt. Bei MaxQ. gibt’s eine neue digitale Pflegepuppe.
Ein Vorteil der Reform laut Stefan Wiesmann und Dennis Tefett (li.): Den Schulen werde mehr Geld für Materialien zur Verfügung gestellt. Bei MaxQ. gibt’s eine neue digitale Pflegepuppe. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde


Bei der Pflegeschule MaxQ. fasst man die neue generalistische Pflegeausbildung so zusammen: Die Azubis erhalten in den ersten beiden Jahren eine umfassende pflegerische Ausbildung. Für das dritte Jahr können sie sich entscheiden, ob sie weiterhin generalistisch lernen und zum Abschluss Pflegefachmann/-fachfrau werden möchten. Oder ob sie sich auf die Altenpflege bzw. die Gesundheits- und Kinderkrankenpflege spezialisieren möchten. „Man hat gesagt: Pflege umfasst alle zu Pflegenden. Die Auszubildenden lernen nicht nur eine Zielgruppe kennen, sondern das ganze Konstrukt Pflege“, erläutert Dennis Tefett, als selbstständiger Unternehmer u.a. für MaxQ. tätig. Dadurch lernten sie auch die Unterschiede zu verstehen zum Beispiel in der Versorgung eines Säuglings und eines alten Menschen.

Beruf soll attraktiver werden

Laut Stefan Wiesmann, Leiter des Bottroper MaxQ.-Standortes, war ein wesentlicher Grund für die Pflegeausbildungsreform, den Beruf attraktiver zu machen. Unter anderem sei vorstellbar, dass jemand, der die Altenpflege zunächst gar nicht machen wollte, durch die generalistisch angelegte Ausbildung seine Begeisterung für diese Richtung entdecke.

Beate Schönhaus, Leiterin Pflege am Marienhospital.
Beate Schönhaus, Leiterin Pflege am Marienhospital. © Unbekannt | Morris Willner


Tefett betrachtet die Möglichkeit der Entscheidung für einen Schwerpunkt im dritten Jahr allerdings auch kritisch und vermutet, dass am Ende viele beim generalistischen Pflegefachmann/-frau bleiben und Spezialisten in der Ausbildung mehr oder weniger abgeschafft werden. Denn: „Wenn ich mich zum Beispiel für die Altenpflege entscheide, dann darf ich im Anschluss an die Ausbildung nichts anderes machen.“ Anders als die Pflegefachleute, denen alle Berufszweige offenstehen. Und allein deren Abschluss auch noch EU-weit anerkannt wird.

Pflegeberufe gleichwertig betrachtet

Für Alexander Hohler, Fachbereichsleiter Senioren und Pflege bei der Caritas, steht fest: „Generell ist es so, dass wir die Ausbildungsreform begrüßen. Letztlich ist diese darauf angelegt, dass sich die Qualität in der Pflege verbessert und die Attraktivität der Pflegeberufe gesteigert wird.“ Die Anforderungen an Pflegende sei in den Einrichtungen gleichermaßen wachsend. „In den Pflegeheimen ist es vermehrt so, dass wir chronisch und mehrfach erkrankte Menschen versorgen. Und im Krankenhaus gibt es vermehrt Patienten, die pflegebedürftig sind und teilweise an Demenz leiden.“ Durch die Generalistik würden unterschiedliche Pflegeberufe ja in eine Ausbildung zusammengeführt.

Die Caritas habe sich für den Weg entschieden, ausschließlich Pflegefachleute generalistisch auszubilden, ohne spätere Spezialisierung. Hohler sieht den Vorteil, dass damit nun alle Pflegeberufe – ob ausgeübt in einer Senioreneinrichtung, im Krankenhaus oder der ambulanten Pflege – gleichwertig betrachtet werden. Er hofft, dass sich darüber letztlich mehr Nachwuchs für die Altenpflege gewinnen lässt.

Mehr externe Einsätze


Die neue Art der Pflegeausbildung stelle auch höhere Anforderungen an die Unternehmen, die ausbilden, unterstreicht Tefett. So müsse nun etwa nachgewiesen werden, dass Azubis zu zehn Prozent in der Praxis angeleitet werden, sagt auch Hohler.

Inhaltliche Veränderungen in der Ausbildung sieht Beate Schönhaus, Leitung Pflege am Marienhospital, auch dadurch, dass die Azubis in größerem Umfang externe Einsätze hätten: „Es gibt drei Pflichteinsätze: im Krankenhaus, in einer Senioreneinrichtung und im häuslichen Umfeld. Es geht immer darum, dass die Azubis lernen, den Menschen in all seinen Lebensphasen zu pflegen, von der Geburt bis ins hohe Alter, in sämtlichen Settings.“ Sie denkt, dass dies von Vorteil ist für die fertigen Pflegefachleute. „Ich glaube, dass es hilft, die Sektorengrenzen aufzuweichen, der Blick weitet sich.“

Zu kurz kommen könnte gegebenenfalls der Einsatz im Bereich der Kinderkrankenpflege, so Schönhaus. „Ich denke, dass wir da nochmal genauer hinschauen müssen.“ Und auch später gelte für die jeweiligen Träger mit ihren Fachabteilungen vielleicht zu gucken: Was brauchen die Leute noch an Fähigkeiten nach der Ausbildung?

Mehr Optionen und EU-weite Anerkennung

Und werden die Neuerungen gegen einen Nachwuchsmangel in der Pflege helfen? Schönhaus und Hohler geben zu bedenken: Auch andere Branchen wie Handwerksbetriebe haben Nachwuchssorgen. Schönhaus hebt aber hervor, dass die jungen Leute durch die neue Art der Pflegeausbildung mehr Optionen hätten, samt EU-weiter Anerkennung. „Wer für sich Empathie erlebt und Freude daran hat, andere Menschen zu begleiten, hat jetzt sehr gut Chancen und Perspektiven“, so Schönhaus.