Essen. Die neue Pflegeausbildung soll auf Alten- und Krankenpflege vorbereiten. Der Verbund der evangelischen Träger in Essen bildet nun umfassend aus.
Es ist ein Abschied von vertrauten Berufsbezeichnungen – und ein Neustart für die Pflege: Holm Schwanke, Leiter des Evangelischen Fachseminars für Pflegeberufe in Essen, nennt den 1. Januar 2020 sogar ein „historisches Datum“. Ab dann werden Alten-, Kinderkranken- und Krankenpfleger nicht mehr getrennt ausgebildet, „es gibt dann nur noch die dreijährige, europaweit anerkannte Ausbildung zur Pflegefachfrau oder zum Pflegefachmann“. Mit einem im Dezember geschlossenen „Diakonie-Verbund“ bereiten sich die evangelischen Pflegeschulen und Ausbildungsträger in Essen auf die neue Ausbildung vor.
Nachwuchs für die Pflegeberufe gewinnen
Künftig sollen die Auszubildenden die verschiedenen Arbeitsfelder auch in der Praxis kennenlernen. Wer etwa einen Vertrag mit einem Krankenhaus abschließt und parallel die Pflegeschule besucht, wird zeitweilig auch im Seniorenheim arbeiten. „Viele Krankenpflegeschulen dachten erst, dass sich für sie nichts ändert, aber nun brauchen sie Partner in der stationären Altenpflege“, sagt Schwanke.
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Und die finden sie in dem neuen Diakonie-Verbund, zu dem neben zwei Pflegeschulen 13 evangelische Ausbildungsträger gehören von den Kliniken Essen Mitte (KEM) bis zu Altenwohn- und Pflegeheimen. Die mehr als 350 Auszubildenden könnten hier die Akutversorgung ebenso wie die ambulante und stationäre Langzeitpflege erleben und individuell vertiefen. „Damit können wir gemeinsam die Herausforderungen der neuen Pflegeausbildung meistern und den für uns alle so wichtigen Pflegefachkräftenachwuchs in unsrer Stadt gewinnen und ausbilden“, sagt Diakoniepfarrer Andreas Müller.
Altenpfleger leiden unter dem schlechten Image ihres Berufs
Auch Holm Schwanke erhofft sich von der generalistischen Ausbildung einen Schub für die Pflegeberufe: Gerade Altenpfleger hätten unter dem schlechten Image ihres Berufes gelitten, obwohl sie formal schon bisher den Krankenpflegern gleichgestellt waren. „Ihnen wurde mit Mitleid begegnet, ihre Arbeit als ,Alten-Leuten-Popo-Abwischen‘ abgetan.“ Viele hätten im Bekanntenkreis nicht erzählt, dass sie Altenpfleger seien, „sondern nur, dass sie in der Pflege arbeiten“.
Durch die neue, breitere Ausbildung werde gewiss mehr Interesse an dem Beruf geweckt. Zumal es nun im Laufe des Berufslebens möglich sei, von einem Arbeitsfeld ins andere zu wechseln. Bisher hätten gerade Abiturienten meist der Krankenpflegeschule den Vorzug gegeben, ein Platz an der Altenpflegeschule sei von einigen Bewerbern als zweitbeste Lösung angesehen worden. Nun da die Ausbildung vereinheitlicht sei, dürfte sich das ändern, glaubt Schwanke.
„Die neue Ausbildung ist breiter, aber flacher“
Vor allem Altenpfleger empfänden auch die neue Bezeichnung „Pflegefachkraft“ als Gewinn. „Der Name einer Ausbildung kann sie gefühlt aufwerten“, sagt Schwanke. Umgekehrt schmerze es allerdings zum Beispiel die Kinderkrankenschwestern, dass ihre sehr positiv besetzte Berufsbezeichnung verschwinden solle. Hier könnte man über eine mit einem entsprechenden Titel versehene Spezialisierung nachdenken.
Träger reagieren auf das Gesetz zur Reform der Pflegeberufe
Mit dem Gesetz zur Reform der Pflegeberufe tritt ab Januar 2020 die generalistische Pflegeausbildung für die Kranken-, Kinderkranken- und Altenpflege in Kraft. Alle Azubis erhalten nun zwei Jahre lang eine gemeinsame Ausbildung, in der sie einen Vertiefungsbereich im praktischen Bereich wählen. Wer diese generalistisch ausgerichtete Ausbildung im dritten Jahr fortsetzt, erwirbt den Abschluss „Pflegefachfrau/
-mann“. Wer dagegen bereits weiß, welchen Schwerpunkt er später in seiner Arbeit setzen will, kann im dritten Jahr einen gesonderten Abschluss in der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege oder in der Altenpflege erwerben.
Die Kooperationspartner des evangelischen Ausbildungsverbundes sind: das Ev. Fachseminar für Pflegeberufe und die Schule für Gesundheits- & Krankenpflege der Ev. Kliniken Essen-Mitte sowie folgende Träger der praktischen Ausbildung: Adolphi-Stiftung Senioreneinrichtungen gGmbH, Ev. Altenheim Bethesda, Ev. Altenzentrum am Emscherpark e.V., Ev. Pflegeheim Paulushof gGmbH, Ev. Seniorenzentrum Frohnhausen gGmbH, Ev. Senioren-Zentrum Kettwig gGmbH, Diakoniestationen Essen gGmbH, Diakoniewerk Essen gemeinnützige Senioren-und Krankenhilfe GmbH, Johannes-Heim. Senioren- und Pflege gGmbH Essen, Martineum Altenhilfe gemeinnützige Betriebsgesellschaft mbH, Ev. Altenwohnheim Dellwig gGmbH Seniorenstift Martin Luther, Stiftung Waldthausen, Ev. Kliniken Essen-Mitte gGmbH (KEM).
Denn, das räumt der Pflegeschulleiter ein: „Die neue Ausbildung ist breiter, aber flacher.“ Das müsse kein Makel sein: Wer sich entsprechend fortbilde, habe heute in der Pflege gute Karrieremöglichkeiten, etwa als Stations- oder Wohnbereichsleitung. Ohnehin erlebe er zufriedene Schüler, die eine „attraktive Ausbildungsvergütung“ von 1100 Euro brutto erhielten. Nach Abschluss der Ausbildung lägen die Vermittlungsquoten bei 100 Prozent. Und es sei ein Gerücht, dass alle Altenpfleger nach wenigen Jahren ausscheiden: „Wir haben jüngst Altenpfleger geehrt, die 25 oder 30 Jahre in derselben Einrichtung gearbeitet haben. Es ist ein wunderschöner Beruf.“