Bottrop. Kommunistin, Gewerkschaftlerin, Ratsfrau mit sozialer Ader - Das ist die Frau, die Dienstag die erste Sitzung des neuen Bottroper Rates eröffnet.

Für Irmgard Bobrzik ist der kommende Dienstag ein besonderer Tag. Selbstverständlich sei das eine Ehre für sie, sagt die Bottroperin, und das schrieb sie so auch an Oberbürgermeister Bernd Tischler. „Nach Auskunft der Verwaltung werde ich als ältestes Ratsmitglied die Ehre haben, am 10. November die erste Ratssitzung des neu gewählten Rates zu eröffnen und Sie als Oberbürgermeister zu vereidigen“, stand in dem Schreiben. Darin bat die DKP-Vertreterin, den Rat wegen der neuen Corona-Welle in der Dieter-Renz-Sporthalle tagen zu lassen. Das wird jetzt auch so geschehen, damit die Ratsvertreter gut Abstand halten können.

Irmgard Bobrzik ist im Mai 80 Jahre alt geworden. So alt wie sie ist kein anderes Ratsmitglied. 39 Jahre lang arbeitet sie jetzt schon im Stadtrat mit. 1976 wurde sie erstmals gewählt. Nur von 1994 bis 1999 war sie nicht dabei, sonst immer. „Ich habe sieben Oberbürgermeister erlebt“, sagt die Ratsfrau, und zählt sie schnell auf: „Ernst Wilczok, Theo Knorr, Diethard Kreul, Kurt Schmitz, Ernst Löchelt, Peter Nötzel und Bernd Tischler“. Einige kannte sie etwas näher. Mit Theo Knorr etwa hatte die Bottroperin schon früh zu tun, weil ihre Wohnung zur GBB gehört, die er beruflich vertrat. Kurt Schmitz, der ja auch DGB-Kreisvorsitzender war, und Irmgard Bobrzik kannten sich von der Gewerkschaftsarbeit her. „Menschlich waren und sind alle korrekt“, betont sie.

Die DKP-Ratsfrau wohnt seit 50 Jahren in derselben Wohnung

Irmgard Bobrzik sagt von sich, dass sie ziemlich bodenständig sei. „Ich wohne zum Beispiel schon 50 Jahre in Batenbrock in der selben Wohnung, und ich bin seit 50 Jahren in der DKP“, erzählt sie. Gut 40 Jahre lang engagierte sich die Mutter dreier Kinder als Versichertenälteste in der Rentenversicherung. „Da war ich die erste und zehn Jahre lang auch die einzige Frau“, erinnert sich die Bottroperin. Auch als ehrenamtliche Richterin am Verwaltungsgericht Gelsenkirchen war sie tätig und als Schöffin am Amtsgericht in Bottrop. „Ich habe einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Da hat es mir letztlich auch nichts ausgemacht, wenn wir jemanden ins Gefängnis schicken mussten“, sagt die 80-Jährige.


Beim Sozialverband VdK hilft sie bis heute auch als Sozialberaterin mit. „In Rentenfragen kenne ich mich ja ganz gut aus“, sagt die Ratsfrau. Der frühere CDU-Ratsherr Werner Abendroth habe sie angesprochen und in den Kreisvorstand geholt. „In den VdK bin ich schon vor ewigen Zeiten eingetreten“, sagt sie. Allein in Bottrop gehören Tausende dem Sozialverband an. „Die allermeisten sind zu uns gekommen, weil sie soziale Probleme haben. Das zeigt ja auch, dass unsere Gesellschaft nicht wirklich sehr sozial ist“, urteilt die DKP-Vertreterin.

Ihr Vater war mit Clemens Kraienhorst im KZ Esterwegen

So manchen Fingerzeig gab es von Irmgard Bobrzik schon im Bottroper Rat, dem sie 39 Jahre lang angehört.
So manchen Fingerzeig gab es von Irmgard Bobrzik schon im Bottroper Rat, dem sie 39 Jahre lang angehört. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde


Den Weg in die DKP fand die Bottroperin wegen Clemens Kraienhorst. Sie kannte den legendären Bottroper Kommunisten durch ihre Familie. „Mein Vater war zusammen mit ihm im Konzentrationslager Esterwegen und sie waren befreundet“, sagt Irmgard Bobrzik. Als ihr Vater dann später starb, habe Clemens Kraienhorst auch die Trauerrede gehalten. „Ich war jung verheiratet, große politische Ambitionen hatte ich eigentlich nicht“, erinnert sich die Bottroperin. Eigene Erfahrungen seien schließlich ausschlaggebend gewesen, dass sie sich doch politisch einmischte. „Ich hatte früher erst keine Wohnung, später bekamen meine Kinder keinen Kita-Platz“, erinnert sie sich. Das ging nicht nur ihr so. Als Kommunalpolitikerin hoffte sie, daran etwas ändern zu können.

„Die kommunale Schwangerschaftsberatung war mir ein großes Anliegen. Die anderen waren ja eher Überredungsanstalten“, meint die Bottroperin. Es habe lange gedauert, bis sie endlich da war. „Die DKP stellt einen Antrag im Rat, der dann erst einmal abgelehnt wird. Später kommt dann die SPD mit einer ganz ähnlichen Forderung heraus“, beschreibt Irmgard Bobrzik ihre Sicht solcher Fortschritte. Auch für den Bottrop-Pass, der finanzschwachen Familien zu Vergünstigungen in städtischen Einrichtungen verhalf, hatte die DKP-Ratsfrau lange gekämpft. Dass es den Pass heute nicht mehr gibt, bedauert sie sehr.

Bottrop war immer eine Hochburg der DKP


Bottrop war immer schon eine der Hochburgen der DKP. „Wir waren sogar mal zu fünft im Rat: mit Clemens Kraienhorst, Heinz Cymek, Franz Meichsner und Ferdi Kroll“, erinnert sich die Ratsfrau. Heute ist sie gemeinsam mit Michael Gerber für die DKP im Rat. Einfach sei das gerade für Kommunisten nie gewesen. „Es gab früher ja auch ein Berufsverbot“, erinnert sich die Bottroperin. Sie arbeitete bis zur Schließung als Monteurin im Bottroper Krups-Werk und war dort auch Betriebsrätin. Später wurde sie Altenpflegehelferin beim Diakonischen Werk und war auch dort in der Mitarbeitervertretung aktiv.

Dass ihre als linksextremistisch eingestufte Partei vom Verfassungsschutz beobachtet wird, nimmt die Bottroperin heute ziemlich gelassen. „Ich weiß gar nicht, ob sie auch mich persönlich unter Beobachtung haben. Die müssten da aber ja längst wissen: Die Frau ist langweilig für uns“, meint sie achselzuckend. Unabhängig davon ist Irmgard Bobrzik allerdings eines garantiert - ganz bestimmt nicht langweilig.