Bochum-Wattenscheid. 16 Jahre Schneiderin, 32 Jahre Straßenbahnfahrerin: Für Beate Simoneit aus Bochum beginnt der Ruhestand. Zum Dienstschluss gab es Überraschungen.

Der Bochumer Hauptbahnhof wurde am Mittwoch für Straßenbahnfahrerin Beate Simoneit (64) im doppelten Sinne zum großen Bahnhof. Es war die letzte Dienstfahrt der Wattenscheiderin nach 32 Jahren am Steuer einer Straßenbahn der Bogestra.

„Die Queen wurde seinerzeit auch nicht besser empfangen“

Auf der Anzeigetafel am Bahnsteig standen statt der Liniennummer und dem Fahrtziel diesmal die Worte „Beate, genieße Deine neu gewonnene Zeit! Zum Ruhestand wünschen Dir Deine Kolleginnen und Kollegen alles Gute.“ Dasselbe wurde durch Lautsprecher durchgesagt.

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Zudem standen rund 15 Menschen aus ihrem Kollegium auf dem Bahnsteig, warfen kleine Luftschlangen und hatten Blumen in der Hand. Um genau 14.04 Uhr stieg die Fahrerin der Linie 316 sichtlich gerührt aus und überließ den Befehlsgeber, wie das Steuergerät einer Bahn heißt, zur Weiterfahrt nach Wanne-Eickel einem Kollegen. „Die Queen wurde seinerzeit auch nicht besser empfangen“, freute sie sich augenzwinkernd.

„Schwups, das sind 48 Arbeitsjahre! Die gehen schneller vorbei als man denkt“, sagte sie unmittelbar nach dem Austeigen. Eingerechnet hatte sie die 16 Jahre, die sie ab der 10. Schulklasse als Schneiderin gearbeitet hatte. 48 Jahre durchgehend gearbeitet: Das schaffen heute nur noch wenige.

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Erster Gratulant auf dem Bahnsteig war ihr Ehemann (60), mit Blumen und Küsschen. Auch er ist Bogestraner und fuhr früher Straßenbahnen. Im gemeinsamen Beruf haben sich die beide kennen- und liebengelernt

Beate Simoneit kennt jede Strecke im Bogestra-Gebiet wie ihre Westentasche. Jede einzelne Linie ist sie gefahren: „Alles was die Bogestra zu bieten hat.“ Sie ist natürlich auch alle Arten von Bahnen gefahren: Standardwagen, M-Wagen (ein Meter Spurweite), Niederflurwagen und zuletzt die Variobahnen. Unfälle hat sie mit einer Mini-Ausnahme nie gebaut: Einmal erwischte sie mit ihrem Koloss in Bochum-Gerthe einen Außenspiegel eines geparkten Autos, weil sie sich beim Abstand verschätzte. „Wenn Sie mit 30 Tonnen gegen einen Spiegel fahren, ist der ab, ganz ab.“

Blumen und Küsschen vom Ehemann: Um 14.04 Uhr endete für Beate Simoneit der Dienst als Straßenbahnfahrerin nach 32 Jahren bei der Bogestra.
Blumen und Küsschen vom Ehemann: Um 14.04 Uhr endete für Beate Simoneit der Dienst als Straßenbahnfahrerin nach 32 Jahren bei der Bogestra. © FUNKE Foto Services | Gero Helm

Verhalten wird rücksichtsloser: „Die Straßenverkehrsordnung wird ignoriert“

In den vergangenen Jahren sei das Verhalten der Verkehrsteilnehmer rücksichtloser geworden, sagt sie und meint zum Beispiel Verstöße beim Wenden, bei durchgezogenen Linien und Sperrflächen, bei Einbahnstraßen und bei roten Ampeln. „Die Straßenverkehrsordnung wird ignoriert.“

Das Kollegium des Bogestra hat Beate Simoneit schöne Grüße auf die Anzeigtafel am Bahnsteig des Hauptbahnhofes geschrieben.
Das Kollegium des Bogestra hat Beate Simoneit schöne Grüße auf die Anzeigtafel am Bahnsteig des Hauptbahnhofes geschrieben. © FUNKE Foto Services | Gero Helm

Auch das Verhalten einiger Fahrgäste, vor allem von Heranwachsenden, habe sich „extrem verändert“, sagt sie und meint schlechtes Benehmen, einen Mangel an Anstand (keinen Sitzplatz für Ältere freimachen usw.), Beleidigungen sowie aggressives und gewalttätiges Auftreten.

In Zukunft wird Beate Simoneit weiterhin mit der Bogestra fahren, aber nur manchmal als Fahrgast mit dem Rentner-Ticket für Bogestraner für zehn Euro im Monat. Die „neu gewonnene Zeit“ von der Bahnsteig-Anzeigetafel wird sie zusammen mit ihrem Mann häufiger als bisher auf einem Campingplatz außerhalb Bochums verbringen. Dort haben es sich die beiden bereits sehr schön gemacht. „Wohnwagen, Vorzelt mit allem Drum und Dran.“

„Jetzt kann man es langsam angehen lassen.“

Beate Simoneit (64) geht nach 32 Jahren am Steuer von Bogestra-Straßenbahnen in Rente

Zudem wartet zu Hause in Wattenscheid ein großer Garten. Der Druck des Geldverdienens, des Straßenverkehrs und des Schichtbetriebes ist jetzt vorbei: „Jetzt kann man es langsam angehen lassen.“

Genug Zeit hat sie jetzt noch für etwas anderes, das ihr wichtig ist: „Ich werde jetzt wieder mehr Sport machen: Fitnessstudio, Radfahren, Nordic Walking.

Mehr als 1000 Fahrerinnen und Fahrer

Die Bogestra beschäftigt weit mehr als 1000 Fahrerinnen und Fahrer. Rund ein Viertel sind Frauen.

Weitere Kräfte werden gesucht. Bewerbungen sind jederzeit bei dem Unternehmen möglich.

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Auch einige Kolleginnen und Kollegen kamen zur letzten Dienstfahrt von Beate Simoneit in den Hauptbahnhof Bochum.
Auch einige Kolleginnen und Kollegen kamen zur letzten Dienstfahrt von Beate Simoneit in den Hauptbahnhof Bochum. © FUNKE Foto Services | Gero Helm