Wattenscheid. Blaue Sitze im Lohrheidestadion? Nach den Fans der SG Wattenscheid 09 protestiert die Wattenscheider Politik geschlossen. Die Forderung ist klar.

Die Botschaft der Wattenscheider Fußballfans war am Karfreitag für zehntausende Menschen in großen Lettern zu lesen: „Treibt es nicht auf die Spitze – in der Lohrheide keine blauen Sitze“ – das Banner, das Fans der SG Wattenscheid 09 eine Woche zuvor noch im Lohrheidestadion aufgehängt hatten, wehte nun an einer Brücke über der A40. Längst geht es beim Streit um die Farben der Sitzschalen im neuen Lohrheidestadion aber nicht mehr bloß darum.

Das Wattenscheider Lohrheidestadion ist einerseits die Heimat des blau-weißen TV Wattenscheid 01 und des Leichtathletik-Olympia-Stützpunkts. Andererseits ist hier auch die schwarz-weiße SG Wattenscheid 09 zu Hause. Der ehemalige Fußball-Bundesligist spielt dort in der Oberliga meist vor 600 bis 1000 Fans. Aktuell wird das Stadion für 55 Millionen Euro grundlegend renoviert, erhält unter anderem eine Komplett-Überdachung und eine neue Haupttribüne. Aus der alten Schüssel wird eine Leichtathletik-Arena, in der auch Deutsche Meisterschaften stattfinden sollen.

Lohrheidestadion: Stadt Bochum entscheidet sich für blaue Sitze in Wattenscheid

Die Sitze auf der neuen Tribüne sollen blau und hellgrau werden. Grafische Darstellungen erinnern an die Farben des Bochumer Ruhrstadions, in dem der VfL Bochum spielt – ein No-Go aus Wattenscheider Sicht. Die SGW-Fans betrachten den VfL als Erzrivalen.

Protest-Banner gegen die neuen geplanten blauen Sitze im Lohrheidestadion – hier am Karfreitag über der A40.
Protest-Banner gegen die neuen geplanten blauen Sitze im Lohrheidestadion – hier am Karfreitag über der A40. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

In der vergangenen Woche hatten einige SGW-Fanklubs sowohl die Farbgebung als auch die Kommunikation der Stadt Bochum dazu kritisiert. Hinter den Kulissen gab es dafür nach WAZ-Informationen durchaus Verständnis und Gesprächsangebote auf verschiedenen Ebenen. Nun positioniert sich auch die Wattenscheider Politik geschlossen: Von einem „Alleingang im Bochumer Rathaus“ ist bei der Grünen Bezirksfraktion die Rede.

Wattenscheider Politik fühlt sich von den Verantwortlichen im Rathaus übergangen

Die blauen Sitze gehen definitiv zu weit.
Marc Westerhoff, CDU - stellv. Bezirksbürgermeister

„In den letzten Tagen haben sich die Verantwortlichen in der Wattenscheider Politik intensiv ausgetauscht“, heißt es in einer Stellungnahme, die der stellvertretende Bezirksbürgermeister Oliver Buschmann am Sonntagabend verschickte. In einzelnen Statements kritisieren die Fraktionen der SPD, CDU und Grünen sowie die Mitglieder der UWG und FDP die Entscheidung für die blauen Sitze – vor allem aber die Art und Weise, wie die Stadtspitze vollendete Tatsachen geschaffen habe.

Bemerkenswert: Auch die Bezirksfraktion der SPD, also der Partei von Oberbürgermeister Thomas Eiskirch, stellt sich gegen das Bochumer Rathaus. Wolfgang Rohmann, SPD-Fraktionsvorsitzender: „Es ist wie so oft: Es werden in Bochum ohne die Beteiligung der Bezirksvertretung Beschlüsse gefasst, die in Wattenscheid mindestens polarisieren, wenn nicht sogar auf Unverständnis stoßen.“ Das Stadion sei „für viele Wattenscheider noch immer ein Teil der Wattenscheider Identität“, so Rohmann.

„Die blauen Sitze, die die Stadtfarben von Bochum darstellen, gehen definitiv zu weit“

„Mehr Fingerspitzengefühl“ von der Verwaltung hätte sich Marc Westerhoff (stellv. Bezirks-Bürgermeister, CDU) gewünscht. Seine Meinung: „Ich hätte mir eine rote Laufbahn gewünscht, wie sie immer im Lohrheidestadion vorhanden war. Man hätte auf andere Art und Weise einen Bezug zum TV Wattenscheid 01 zeigen können. Die blauen Sitze, die die Stadtfarben von Bochum darstellen, gehen definitiv zu weit.“

Die Stadt hatte zuletzt klargestellt, dass das Farbkonzept unabhängig von Vereinen ausgesucht worden sei – sowohl was den TV 01 oder die SGW, natürlich auch den VfL betrifft.

Die neue Tribüne des Wattenscheider Lohrheidestadions – Stand Anfang März 2024. Aufgrund des Umbaus können Fans aktuell nur auf einer Seite des Stadions sitzen.
Die neue Tribüne des Wattenscheider Lohrheidestadions – Stand Anfang März 2024. Aufgrund des Umbaus können Fans aktuell nur auf einer Seite des Stadions sitzen. © FUNKE Foto Services | Biene Hagel

Der Grüne Oliver Buschmann ärgert sich, die SG Wattenscheid sei nicht einbezogen worden: „Stattdessen hat die Verwaltung beim Thema Farbgestaltung in der Lohrheide wieder die alte Gutsherrenart an den Tag gelegt, von der wir eigentlich gedacht hatten, dass sie endlich der Vergangenheit angehört.“

Winkler: Die „Wattenscheider Seele“ werde verletzt

Ähnlich wie Buschmann beklagt auch Hans-Josef Winkler (UWG), dass die SG Wattenscheid 09 übergangen worden sei: „Wieder einmal wird die Wattenscheider Seele unnötigerweise verletzt. Wattenscheid hat nun einmal eine eigene Identität; dieses sollte in der Bochumer Verwaltung inzwischen angekommen sein.“ Rolf Heyer (FDP) meint: „Ich bin ich kein fanatischer Wattenscheider, schon gar kein SGWler. Mir ist das egal, aber ich kann die Aufregung verstehen.“

Den Stadion-Umbau an sich stellt dabei allerdings niemand in Frage: „Mit großer Freude“ habe man die Nachricht darüber aufgenommen (Rohmann, SPD). Der neue Sportpark habe „eine Strahlwirkung weit über Bochum hinaus“ (Westerhoff, CDU).

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Stadt Bochum: Entscheidung für blaue Sitze ist endgültig

Wie es nun weitergeht? Die Fraktionen bieten Lösungsvorschläge an, bringen etwa eine Tribüne mit einem Schriftzug „Wattenscheid“ ins Spiel und bunte oder neutrale Sitze. Buschmann: „Ich bin mir sicher, dass das Thema in der nächsten Bezirksvertretung aufgerufen werden wird. Alle demokratischen Fraktionen in der Bezirksvertretung Wattenscheid fühlen sich übergangen und sind vom Vorgehen der Verwaltung enttäuscht. Für uns alle ist es entscheidend, dass es einen ergebnisoffenen Dialog der Verwaltung mit TV01, SGW und der Bezirksvertretung gibt, welche Farbe die Stadionsitze in der neuen Lohrheide erhalten sollen.“

Ein Gesprächsthema bleibt das neue Lohrheidestadion damit sicher, nicht nur in der Bezirksvertretung. Die Pressestelle der Stadt stellte aber bereits vor gut zwei Wochen auf WAZ-Anfrage klar: Die Entscheidung für die blauen Sitze sei endgültig.

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