Bochum-Riemke. Zwei Straßen wurden abgesperrt. Autofahrer nutzen nun andere Wege durch ein Bochumer Wohnviertel. Maßnahmen dagegen reichen den Anwohnern nicht.
Die Lage ist verzwickt. Um den Verkehr aus einem Wohnviertel in Bochum-Riemke zu bekommen, hat die Stadt Bochum im November 2023 an zwei Stellen Poller gesetzt. Doch in der Folge haben sich die Autofahrer andere Wege im Quartier gesucht. Sie fahren jetzt durch noch engere Straßen, um ein Stück der „unbequemen“ Herner Straße (Tempo 30, viele Ampeln, Blitzer) zu umgehen. Die Anwohner dort wollen sich damit nicht abfinden. Ihr Protest fand auch schon Gehör bei Politik und Stadt. Doch erste Maßnahmen, die Situation vor ihren Haustüren zu entschärfen, gehen ihnen nicht weit genug. Sie fordern mehr.
„Zu viele Raser“: Bochumer wollen wieder Ruhe im Viertel
Die Poller stehen an der Ecke Am Hausacker/Eduardstraße und Eduardstraße/Auf der Markscheide. Sie unterbinden den Schleichverkehr zwischen Herner Straße und Tippelsberger Straße. Allerdings nur über diese Route. Über Windthorststraße und Am Wiedelskamp kann man auch weiterhin die viel befahrene Herner Straße umgehen. Dass man sich dafür durch enge Gassen quetschen und entgegenkommenden Autos teils umständlich ausweichen muss, störe kaum jemanden, berichten die Anwohner.
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„Und es sind zu viele Raser dabei“, sagt eine Frau, die nach eigenen Angaben seit mehr als 50 Jahren im Viertel lebt, bei einer Protestaktion einiger Anwohner am Freitagnachmittag, 24. Mai. So viel Verkehr wie jetzt habe es hier in den kleinen Straßen noch nie gegeben. Das sei vor allem gefährlich, weil es keine wirklichen Bürgersteige gibt. „Die Fußgänger müssen auf der Straße gehen.“ Und das seien einige, weil die Freizeitanlage am Hausacker viele Menschen anlocke.
Die Stadt hat auch schon reagiert. Die Windthorststraße wurde zu einer „unechten“ Einbahnstraße. Dabei wird auf die blauweißen Richtungsschilder verzichtet und nur an einer Seite die Einfahrt verboten, in diesem Fall an der Ecke Windthorststraße/Eduardstraße. „Diese Vorgehensweise erlaubt es den Anwohnenden, ausgehend von ihrer Wohnung, die Straße weiterhin in beide Richtungen zu befahren“, erklärt Stadtsprecher Peter van Dyk auf WAZ-Anfrage. „Der große Vorteil ist also, dass damit Umwege vermieden werden.“
„Ene Mene Meck, der Verkehr muss weg.“
Und dass niemand mehr von der Eduardstraße in die Windthorststraße abbiegen darf. Seit einer Woche stehen die Schilder. Und sie hätten auch schon die gewünschte Wirkung erzielt, sagt eine Anwohnerin. Aber es gebe noch genügend schwarze Schafe, die das Durchfahrtverbot missachten würden „und dann natürlich extra aufs Gaspedal steigen, um nicht erwischt zu werden“.
Von daher reicht der Nachbarschaft diese Maßnahme noch lang nicht aus, um wieder Ruhe ins Viertel zu bekommen. Sie fordert eine weitergehende Verkehrsberuhigung, damit nur noch Schrittgeschwindigkeit – also sieben Km/h – gefahren wird. Schilder würden da nicht ausreichen, da sind sich vor Ort alle einig. Engmaschige Kontrollen seien eine Möglichkeit, aber wegen der dünnen Personaldecke bei Stadt und Polizei schwer umzusetzen. Bleiben Blumenkübel, die – versetzt aufgestellt – den Verkehrsfluss bremsen könnten.
Eine Idee, die Jörg Uwe Kuberski gerne aufnehmen will. Der SPD-Ratsherr war zur Protestaktion der Anwohner gekommen, um über die Situation vor Ort zu sprechen. Man müsse es „nach und nach hinbekommen, die Begebenheiten der Straßen so zu verändern, dass nicht mehr gerast wird“. Das gehe aber nicht von Heute auf Morgen, bittet Kuberski um ein wenig Geduld.
„Durch die Poller ist der überwiegende Teil ja raus aus dem Viertel.“
Die Verkehrsberuhigung am Hausacker hinzubekommen, habe auch drei Jahre gedauert. Schon beim Beschluss sei klar gewesen, „dass wir das erstmal mit den Pollern machen und dann gucken, wo wir nachbessern müssen“. Das ist nun an der Windthorststraße und am Wiedelskamp der Fall. „Wichtig war uns, dass die Maßnahme am Hausacker nicht viel Geld kostet und diese auch leicht und günstiger wieder rückgängig gemacht werden kann, wenn es nicht klappt.“ Davon könne aber keine Rede sein. „Durch die Poller ist der überwiegende Teil ja raus aus dem Viertel.“
Das sieht man auch im Rathaus so. „Die Maßnahme hat für die meisten Anwohnenden zu einer deutlichen Reduzierung des Verkehrs geführt“, teilt Peter van Dyk mit. „Schleichwegverkehr“ gebe es nicht mehr. „Die ortsfremden Personen, ohne Ziel im Wohnquartier, sind nicht mehr vorhanden, da es nun deutlich länger dauert, durch das Wohngebiet zu fahren. Der Verkehr, der jetzt im Wohnviertel unterwegs ist, ist Verkehr der Anwohnenden zwischen Cruismannstraße und Tippelsberger Straße bzw. von Besuchern und Besucherinnen, gegebenenfalls Anlieferverkehr.“
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„So gesehen hat die Maßnahme die gewünschte Wirkung erzielt und wird von der überwiegenden Mehrheit als Erfolg bewertet.“ Dennoch sei es richtig, „dass sich für die Anwohnenden der Windthorststraße und auch von Am Wiedelskamp zusätzliche Belastungen ergeben haben. Insbesondere um auch Konflikte mit Fußgängern zu verringern, wurde daher die Einbahnstraße eingerichtet.“
Stadt Bochum zufrieden mit Maßnahme: „Verkehr wurde reduziert und hat sich verteilt“
Mit der Einbahnstraßenlösung werde sich laut Stadt auf der Windthorststraße vermutlich ein Verkehr von 300 bis 400 Fahrzeugen am Tag einstellen. „Das bedeutet, dass dort in der Spitzenstunde nur noch alle ein bis zwei Minuten ein Fahrzeug verkehren wird“, so van Dyk. „Zum Vergleich: Vor Einführung der Poller fuhren über Am Hausacker 2500 Fahrzeuge am Tag.“ Jetzt seien es nur noch knapp die Hälfte. „Der Verkehr im Wohnquartier wurde also deutlich reduziert und die verbliebenen Belastungen gerechter verteilt.“
Stadt Bochum: „Haben Wohnviertel weiter im Blick“
Dass sich nicht alle Verkehrsteilnehmer an die neue Einbahnstraßenregel auf der Windhorststraße halten, will die Stadt Bochum kontrollieren. „Wie bei vielen anderen Maßnahmen müssen sich die Menschen auch mit dieser neuen Verkehrssituation erst einmal vertraut machen“, sagt Stadtsprecher Peter van Dyk. Die Stadtverwaltung werde sich die neue Situation vor Ort anschauen, eine spezielle Überwachung sei vorerst aber nicht geplant.
Die Stadt habe das Wohnviertel aber weiterhin im Blick. „Im Zusammenhang mit der Veloroute wird die Stadtverwaltung das ganze Wohngebiet zwischen Cruismannstraße und Tippelsberger Straße noch einmal unter die Lupe nehmen“, kündigt van Dyk an. Konkretere Angaben könnten zum gegenwärtigen Zeitpunkt aber noch nicht gemacht werden.