Bochum-Stiepel. 50 Jahre haben Ute Jäkel und Waltraud Gröschel aus Bochum Kindern das Schwimmen beigebracht. Generationen machten bei ihnen das Seepferdchen.
„Die Händchen unters Wasser.“ „Streck Deine Ärmchen aus.“ Waltraud Gröschel (81) und Ute Jäkel (83) aus Bochum wissen nicht, wie oft sie diese Sätze ausgesprochen haben. Unzählige Male. 50 Jahre lang haben sie Kindern das Schwimmen beigebracht. Jetzt nicht mehr. Die „Seepferdchen-Omis“ hören auf.
„Man muss viel loben“: Bochums „Seepferdchen-Omis“ hören auf
Mit einem lachenden und einem weinenden Auge haben die beiden Schluss gemacht. Der Schwimmkurs von Rot-Weiß Stiepel mittwochnachmittags im Becken der Gräfin-Imma-Schule sei immer „der Höhepunkt der Woche“ gewesen, sagt Ute Jäkel. Dafür könne man jetzt auch mal eine Einladung annehmen, findet Waltraud Gröschel.
Das kam für die zwei in den vergangenen fünf Jahrzehnten mittwochs nicht in Frage. „Wir waren immer da und auch nie krank“, sagen sie. Private Termine wurden verschoben, auch eigene Geburtstagsfeiern. Urlaub wurde in den Ferien gemacht, wenn das Bad geschlossen war. „Unsere Familien haben oft gesagt ,Ach, ihr habt ja wieder Euer Schwimmen’. Aber sie wussten, dass sie darauf Rücksicht nehmen mussten.“
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Gröschel und Jäkel war es zu wichtig, den Kindern das Schwimmen beizubringen. „Es ist so schön, am Ende den Erfolg zu sehen“, erzählen sie. „Und wenn man beruhigt ist, dass die Kleinen sicher schwimmen können.“ Mindestens zwei Generationen hätten bei ihnen das Seepferdchen gemacht. Wie viele genau, wissen sie nicht. „Wir haben nicht gezählt.“
Aber es waren viele, sehr viele, denen Ute Jäkel und Waltraud Gröschel das Springen, Tauchen und Schwimmen gezeigt haben. „Oft brachten die Eltern lächelnd ihre Kinder zum Kurs und erzählten uns, dass wir ihnen selbst auch damals zum Seepferdchen verholfen haben.“
Mit den Kindern seien sie immer sehr liebevoll umgegangen. „Man muss sie ja für das Schwimmen begeistern und viel loben“, erklärt Ute Jäkel. „Aber ich konnte auch sehr konsequent sein.“ Wie bei dem Jungen, der sie mit einem Schlauch gehauen hat. „Den habe ich dann gepackt und ins Wasser geworfen“, erinnert sie sich lachend. „Ab da kamen wir wunderbar klar.“ Viele Kinder hätten vorher und nachher geweint – „erst aus Angst vor dem Wasser, am Ende dann vor Freude, schwimmen zu können“.
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Zusammen im Wasser waren Ute Jäkel und Waltraud Gröschel eher selten. „Ich habe die Kinder im ersten Kurs über Wochen zum Seepferdchen geführt und sie dann an Waltraud in den nächsten Kurs übergeben“, berichtet Ute Jäkel. Das habe immer wunderbar geklappt, Probleme seien stets untereinander gelöst worden. „Da brauchten wir keinen Vorstand für.“
Ute Jäkel kam Anfang der 70er Jahre von der DLRG zu Rot-Weiß Stiepel. „Dort hatte ich den Lehrschein gemacht und wollte natürlich auch was tun.“ Wie gut, dass damals gerade das Schwimmbecken in der Gräfin-Imma-Schule gebaut wurde. Waltraud Gröschel war damals von Karlsruhe, wo sie Sport studiert hatte, nach Stiepel gezogen und vom Vermieter angesprochen worden. „Der war Mitgründer von Rot-Weiß.“ Ihr kamen viele Kinder gleich doppelt unter, denn zum Schwimmkurs bot Gröschel in den vergangenen 50 Jahren auch das Eltern-Kind-Turnen an.
„Seepferdchen-Omis“: Die Kinder haben sich kaum verändern, aber die Eltern...
Die Kinder hätten sich in all den Jahrzehnten nicht groß verändert, erzählt Ute Jäkel. „Wohl aber die Eltern. Die sind viel ehrgeiziger geworden. Da hat das Kind gerade erst das Seepferdchen gemacht und kann sich soeben über Wasser halten, da soll es schon das Bronze-Abzeichen erlangen.“ Aus ihrer Sicht zu früh.
Zu früh kam im Prinzip auch Jäkels Entschluss, keinen Schwimmkurs mehr zu geben. „Ich hatte mir immer vorgenommen, solange weiterzumachen, wie ich einen Kopfsprung und das Tauchen vormachen kann.“ Und das kann sie noch. „Doch ein Fußbruch und einen Bauchoperation haben mich ausgebremst“, sagt sie.
„Da war richtig Feuer hinter“
Bei Rot-Weiß Stiepel werden Waltraud Gröschel und Ute Jäkel durchaus vermisst. Auch wenn die Nachfolge geregelt ist. „Junge Eigengewächse aus dem Verein haben die Schwimmkurse übernommen“, sagt der Vorsitzende Rüdiger Edling. „Die Zukunft ist also gesichert.“ Das Engagement der „Seepferdchen-Omis“ könne man nicht hoch genug bewerten. „So eine Zuverlässigkeit über 50 Jahre wird man wohl nicht mehr finden. Da kann man nur den Hut ziehen.“„Da war richtig Feuer hinter“, lobt auch Hendrik Schulte. Seine beiden Töchter hätten viel gelernt. „Die Große schwimmt schon wie Bombe, die Kleine ist kurz davor, keine Schwimmflügel mehr zu brauchen.“ Jäkel und Gröschel seien „mit viel Liebe“ vorgegangen, „aber durchaus auch konsequent“.Die Schwimmkurse von Rot-Weiß Stiepel seien zwar in der Regel ausgebucht, sagt Rüdiger Edling. „Wir geben uns aber Mühe, kein Kind, das bei uns schwimmen lernen soll, nach Hause zu schicken.“ Kontakt könne über www.rot-weiss-stiepel.net aufgenommen werden.
Schwer sei der Abschied jetzt nicht gefallen, sagt Waltraud Gröschel. „Man muss ja mal aufhören.“ Und auch Corona habe den Abgang erleichtert. „Da konnten wir schon mal üben und feststellen, wie es ist, mittwochs keinen festen Termin zu haben.“
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