Bochum. Der Fahrradladen Balance lebt von seiner alternativen Unternehmenskultur. Jetzt feiert das Geschäft im Bermudadreieck Bochum den 40. Geburtstag.
Im Verkaufsraum des Fahrradgeschäfts „Balance“ in Bochum hängen Titelbilder vergangener Ausgaben des hauseigenen Magazins „Radgeber“. Zu jedem hat Michael Schulz (61) eine Geschichte zu erzählen. Die Münsteraner Tatortkommissare Axel Prahl und Jan Josef Liefers bekam man beispielsweise auf das Cover, weil man sich in einer Kneipe gut verstand.
„Etwas verrückt“ – „Balance“ der Fahrradladen in Bochum
Schulz ist einer der Geschäftsführer von „Balance – der Fahrradladen“, der im Bermudadreieck ein echtes Flaggschiff der lokalen Wirtschaft ist. Vieles, was hier passiert beschreibt Schulz als „etwas verrückt“. Und genau so wirkt es auch – von der Geschäftsgeschichte bis zu den Anti-Nazis-Stickern auf der Klotür. Jetzt feiert das ungewöhnliche Geschäft 40 Jahre Bestehen.
Entstanden ist Balance „im Geiste der Achtziger“ wie Schulz sagt. Die vier Gründer entstammten der Hausbesetzerszene. Man wollte ein selbstorganisiertes Kaufhaus gründen, ohne Hierarchien, ohne Angestellten. „Früher haben wir außerdem Theater- und Zirkusrequisiten verkauft. Da konnte es schon mal passieren, dass jemand in die Beratung platzte und nach Hasenzähnen fragte“, erzählt Schulz.
Es gibt sechs Geschäftsführer, aber keinen Chef
Manches hat sich verändert – die Theaterschminke ist verschwunden – anderes hat sich als Erfolgskonzept herausgestellt: noch immer gibt es keinen Chef, sondern insgesamt sechs Geschäftsführende, die Rolle rotiert und wird regelmäßig weitergegeben.
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Im hinteren Teil des Ladens liegt das Büro, wo gerade Ulrike Siegmann (61) arbeitet, ebenfalls Geschäftsführerin. Seit den frühen Neunzigern sei sie schon dabei, ungefähr seit der Zeit des Umzugs – ursprünglich stand das Geschäft auf der Herner Straße. „Als wir hierhergezogen sind, waren wir Teil einer Gemeinschaft von lokalen Geschäften“ erzählt sie.
Laden ist umgeben von Kneipen und Bars
Davon ist nicht mehr viel zu bemerken, denn das Balance ist umgeben von Kneipen und Bars. „Das ist ein Vorteil für uns, denn so ist immer etwas los. Häufig kommen Kunden am Montag zu uns und erzählen uns, sie hätten uns am Wochenende bei Bier oder Pizza gesehen.“ Ob der Laden die zusätzliche Aufmerksamkeit braucht, ist fraglich. Das Geschäft brummt nämlich – man sei eher zu 120 Prozent ausgelastet.
Das liegt unter anderem an der ungewöhnlich engen Kundenbeziehung, meint Michael Schulz: „Bei uns geht man mit dem Kauf eine Handelsbeziehung ein. Das heißt, man kann sein Fahrrad auch in unserer Werkstatt reparieren lassen. Viele Kundinnen und Kunden kaufen hier mittlerweile in der dritten Generation ihre Räder.“ Zähle man alle Fahrräder zusammen, die in der Geschichte von Balance verkauft wurden, könnte man damit eine ganze Kleinstadt versorgen, erzählt Schulz lachend.
Nachhaltige Produkte und regionale Waren
Weil Nachhaltigkeit großgeschrieben wird, gibt es hier auch allerhand Ersatzteile zu kaufen, die man sonst nur schwer bekommt. „Wir haben Nischenprodukte, für die Kunden von weit herkommen.“ Außerdem ist die meiste Ware regional hergestellt: Balance verkauft beispielsweise den beliebten Hersteller für Gravelbikes Riese-Müller oder ultraleichte Kinderräder von Woom.
Und sogar eine eigene Marke gibt es mittlerweile. Geschäftsführer Stephan „Ente“ Ensthaler baut unter dem Label „Le Canard“ – Französisch für Ente – Maßanfertigungen in Bochum-Langendreer. Denn: ein gutes Fahrrad passt nicht nur zu den Bedürfnissen, sondern auch zum Körperbau seines Besitzers. Deswegen sollte man Fahrräder auch am besten nicht im Internet kaufen, sondern nach einer ordentlichen Beratung vor Ort, mit anschließender Testfahrt – diese ist bei Balance Pflicht.