Bochum. Für blinde und sehende Besucher interessant ist „Mit anderen Augen“ ab Samstag in den Kammerspielen. Die Szenencollage unterhält mit viel Musik.

Einen ungewöhnlichen Theaterabend „rund ums Sehen“ verspricht das Schauspielhaus Bochum bei der nächsten Premiere am Samstag, 12. Februar, in den Kammerspielen. Denn dass die meisten von uns relativ normal mit zwei Augen die Welt betrachten können, ist nicht selbstverständlich. Doch wie fühlt es sich an, sehbehindert oder gar komplett blind zu sein? Das Stück „Mit anderen Augen“ will darauf Antworten finden: spielerisch, unterhaltsam und mit viel Musik.

Theaterabend für blinde Menschen im Schauspielhaus Bochum

Die Szenencollage aus Texten, Bildern, Klängen und Sinneseindrücken entsteht unter der Regie von Selen Kara, die mit dem amüsanten, deutsch-türkischen Kulturclash „Istanbul“ vor knapp fünf Jahren für einige Furore sorgte. Ein Stück für Sehbehinderte zu entwickeln, daran arbeitet sie gemeinsam mit dem Musiker Torsten Kindermann schon länger: „Es ist komisch, dass die meisten von uns kaum Berührungspunkte mit blinden Menschen haben“, sagt sie. „Für viele ist das eine komplett fremde Welt.“

Auch blinde Menschen gehen oft ins Theater

Blinde und sehbehinderte Menschen besuchen regelmäßig das Theater. Der Einlassdienst bietet an, sie direkt an ihren Platz zu führen. Audiodeskriptionen während der Vorstellungen gibt es allerdings noch nicht.„Daran arbeiten wir schon eine Weile, doch das ist schwierig“, sagt die Dramaturgin Dorothea Neweling. „Jeden Abend müsste das live von einem Sprecher in einer Kabine eingesprochen werden. Vom Tonband kann man das schlecht laufen lassen, weil sich während der Vorstellungen immer mal wieder etwas verändert.“„Mit anderen Augen“ feiert am Samstag, 12. Februar, um 19.30 Uhr Premiere in den Kammerspielen (ausverkauft). Wieder am 22. Februar sowie am 15. und 22. März. Dauer: ca. 90 Minuten ohne Pause. Karten: 0234 / 33 33 55 55.

Mit viel Recherchearbeit und zahlreichen Interviews tasteten sich Selen Kara und Torsten Kindermann immer tiefer vor: „Wir haben viele Menschen getroffen, die uns von ihren Erfahrungen berichtet haben. Darunter war auch der blinde Pianist und Akkordeonist Jörg Siebenhaar, der uns jetzt auf der Bühne begleitet“, so Kindermann.

Es soll „kein Betroffenheitsabend“ werden

Ganz wichtig ist den Theatermachern, keinen „Betroffenheitsabend“ daraus zu machen. „Das Stück ist total zugänglich, und man wird es mit einem positiven Gefühl wieder verlassen. Niemand braucht Angst zu haben“, sagt die Dramaturgin Dorothea Neweling.

Die ursprüngliche Idee, einige Teile des Abends in völliger Dunkelheit stattfinden zu lassen, um den Besuchern ein Gefühl von Blindheit zu geben, sei schnell wieder verworfen worden: „Die acht Schauspieler und Musiker befinden sich in einem Raum, der sich zwischen Dunkelheit, hellem Licht, Unschärfe und dem Verzicht von Farben bewegt“, sagt Selen Kara. So soll die Aufführung auch für sehbehinderte Besucher erfahrbar werden, dies zudem mit Hilfe einer Audiodeskription, die live eingesprochen wird.

Kleine poetische Erzählungen auf der Bühne

Eine durchgehende Handlung oder eine Geschichte gibt es nicht. Vielmehr werden eine Reihe in sich abgeschlossener Szenen rund ums Thema Sehen und Nichtsehen gespielt. „Das sind kleine, poetische Erzählungen, geeignet für alle Altersgruppen“, so Selen Kara. Gespielt werden sie von Michael Lippold, Anne Rietmeijer, Karin Moog und Romy Vreden, allesamt erfahrene Mitglieder des Ensembles.

Schauspielerin Anne Rietmeijer in dem Theaterabend „Mit anderen Augen“, der am Samstag Premiere in den Kammerspielen feiert.
Schauspielerin Anne Rietmeijer in dem Theaterabend „Mit anderen Augen“, der am Samstag Premiere in den Kammerspielen feiert. © Schauspielhaus Bochum | Silja Korn

Eine zentrale Rolle spielt zudem die Musik, die Torsten Kindermann und Jan-Sebastian Weichsel gemeinsam mit Volker Kamp und Jörg Siebenhaar live einspielen. Und wer ihre grandiosen Interpretationen bekannter Rock- und Popsongs (etwa im berühmten „Tribute to Johnny Cash“) kennt, der weiß: Das dürfte ein großer Spaß werden!

Musik spielt eine große Rolle

Diesmal haben sich Kindermann & Co. eine Reihe bekannter Songs ausgesucht, die thematisch ums Sehen und Hören kreisen: darunter „Sound of Silence“ von Simon & Garfunkel und „Is there anyone out there“ von Ray Charles, der im Alter von sieben Jahren erblindete.

Regisseurin Selen Kara hofft darauf, mit ihrem Abend auch Besuchergruppen anzusprechen, die gemeinhin nicht so oft ins Theater gehen. Speziell für sehbehinderte Menschen gibt es im Foyer ein ertastbares Modell des Bühnenbildes. Das Programmheft ist in Brailleschrift gedruckt.