Dortmund. Ein Liederabend mit Klasse. An Dortmunds Theater ist „Lust for Life“ zu sehen, alles andere als eine oberflächliche Song-Party. Großer Beifall.

Der Liederabend ist eine unterschätzte Tradition des Theaters, weil sie meist nicht mehr will, als die Zuschauer redlich zu unterhalten und den Intendanten etwas Geld in die Kasse zu spülen. Am Schauspiel Dortmund ist jetzt ein besonders gelungenes Exemplar dieses Genres zu entdecken: „Lust for Life“, also Lust am Leben.

Und doch ist dies keine dröhnende Gute-Laune-Party, sondern eine zarte, fast nachdenkliche Reflexion über Kunst und Musik, über das Leben und die großen Fragen, die es einem immer wieder stellt.

Schon die Szenerie ist entzückend und schafft trotz Abstandsregeln erstaunliche Nähe. 50 Zuschauer schauen (auf der Bühne sitzend) in den Proberaum einer Rockband. Während die Bandmitglieder auf Projektionen im Hintergrund großspurige Interviews geben, liegen auf den Proben die Nerven blank. Das böse Wort „Corona“ fällt kein einziges Mal, doch Auftritte gab es offenbar länger nicht. Von Versagensängsten getrieben, hoffen sie jetzt auf den großen Wurf.

Der Liederabend „Lust for Life“ setzt in Dortmunds Theater das Publikum auf die Bühne

Eine Stunde lang werden wir Zeugen kreativen Abstrampelns, das Regisseurin Selen Kara mit viel Herz in Szene setzt. Den Musikern Torsten Kindermann und Jan-Sebastian Weichsel gelingt derweil das Kunststück, völlig totgespielten Pop-Hymnen überraschende Arrangements zu verleihen. Dabei bekommt jedes Bandmitglied seinen schillernden Moment – die stimmstarke Linda Elsner, die Tocotronics „Hoffnung“ wundervoll intoniert, und Raphael Westermeier, der dem Coldplay-Schmachter „Fix You“ mit hoher Knabenstimme nie Gehörtes abringt. Ekkehard Freye bringt Bowies „Heroes“ auf Gläsern zum Klingen. Am Ende geht der nachdenkliche Blick in den leeren Zuschauersaal. Wo die Menge toben müsste, herrscht weiterhin Stillstand. Dazu stimmt Kindermann die ersten Takte von „All you need is love“ an, auf die Idee muss man erstmal kommen. Großer Jubel.

Nächste Termine: 17. Oktober, 20. November, Tel. 0231 / 50 27 222. Mehr Info hier