Bochum-Bergen. Das frühere Zwangsarbeiterlager in Bergen soll saniert werden. Das Bochumer Bündnis gegen Rechts sieht darin eine seltene Möglichkeit..

Spannung und Skepsis gleichermaßen erzeugen die Entwicklungen um den Erhalt und die Sanierung des früherem Zwangsarbeiterlagers an der Bergener Straße. 155.000 Euro will der Bund beisteuern, meldete kürzlich die Bundestagsabgeordnete und Staatsministerin Michelle Müntefering (SPD). Sicherlich eine gute Nachricht, aber der Katalog der offenen Fragen wird damit nicht dünner.

Hoffnungen keimt damit inzwischen auch beim Bochumer Bündnis gegen Rechts, seit die Geschichte der Barackensiedlung hoch im Bochumer Norden allmählich stärker ins Bewusstsein rückt. Damit auch die Verantwortung für alle Maßnahmen, die hier unternommen werden.

Einmalig nicht nur für Bochum

"Das ist eine einmalige Chance", meinen Susanne Wycisk und Uli Borchers vom Bündnis. Der Anspruch ist hoch, hier eines der wenigen, überhaupt noch existierenden Beispiele zur historisch-politischen Bildung zu erhalten und zu rekonstruieren.

So sei etwa überhaupt noch nicht beachtet oder gar untersucht worden, was tatsächlich im Boden neben den Baracken liege, oder im angrenzenden Wald. Wie die von der Stadt vermieteten und bewohnten Gebäude saniert werden müssten, darüber gibt es keine Aussagen.

Was Wycisk und Borchers beunruhigt und umtreibt, ist vor allem die Fokussierung der Stadtverwaltung auf das kleine Haus am Eingang der Siedlung, das wahrscheinlich als Kommandantur diente. "45 Quadratmeter", nennt Uli Borchers die Dimension. Dazu weitere acht eingeschossige Baracken in Massivbauweise. "Soll das auf die Kommandantur beschränkt bleiben?"

140 Namen mit Daten gesammelt

Vieles zum Thema Zwangsarbeit sei längst noch nicht aufgearbeitet, auch das Bochumer Bündnis sammelt immer noch Details. 140 Namen und Daten von früheren Bewohnern des Lagers sind schon festgehalten. "Aber wie war hier ihr Alltag, wie wurden sie bewacht, verpflegt und versorgt?", das müsste, sind die beiden überzeugt, an diesem Beispiel, immerhin einem "Täterort", deutlich gemacht, erforscht und erfahrbar werden.

Die Fäden der Geschichte laufen hier deutlich zusammen, die Wege der Zwangsarbeiter zu den Zechen lassen sich praktisch im Gelände nachzeichnen. Die Spuren, die sie im Bergbau, der Industrie und damit der Entwicklung des Ruhrgebiets hinterließen, könnten anhand der Schicksale hier verknüpft werden.

Immense Zahl von Zwangs- und Fremdarbeitern

Die Krupp-Großzeche „Constantin der Große“ verfügte über mehrere Lager zur Unterkunft von Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern aus den besetzten Ostgebieten. 3.500 Zwangsarbeiter befanden sich 1944 auf den Constantin-Schachtanlagen, insgesamt 40 Prozent der Belegschaft.

Das Lager an der Bergener Straße wurde 1941/42 für Zivilarbeiter der Zeche gebaut. Die Baracken waren zunächst mit 70 sogenannten fremdländischen Zivilarbeitern belegt. Im Laufe des zweiten Weltkrieges soll sich diese Zahl auf über 600 Mann gesteigert haben, vor allem Polen und Galizier.

Denn die verbliebenen Stammbelegschaften im Ruhrbergbau waren überaltert, viele der arbeitsfähigen deutschen Männer waren im Krieg getötet worden oder in Gefangenschaft. Die Anwerbungskampagnen für Fremdarbeiter wurden außerdem dadurch belastet, dass durch die Kriegsschäden der Wohnraum knapp war. So wurden Zwangsarbeiterlager offenbar vielfach zu Bergarbeiterheimen umgenutzt. Im Lager Bergen wurden in den 1950er Jahren etwa 100 Bergleute untergebracht.

Info: Stadt schätzt Kostenrahmen

Die Sanierungskosten für einen beispielhaft untersuchten Block der Siedlung liegen nach der Machbarkeitsstudie des Bochumer Liegenschaftsamtes bei ca. 1,19 bis 1,26 Millionen Euro, für das Einzelgebäude bei ca. 280.000 bis 291.000 Euro.

Die Abweichungen im Kostenrahmen zwischen den drei unterschiedlichen Nutzungsvarianten fallen demnach dabei eher gering aus. Hochgerechnet auf die gesamte Siedlung ergibt sich ein Gesamtbetrag von ca. 10,1 Millionen Euro.

Das Förderprogramm des Bundes aus 2020 umfasst 30 Millionen Euro, die für „Maßnahmen an national bedeutsamen oder das kulturelle Erbe mitprägenden unbeweglichen Kulturdenkmälern“ beantragt werden können.