Bochum.. Marion Callies von der „Staff-Gruppe“ im Bochumer Tierheim ärgert sich, wenn Hunde, die vom Gesetz als „gefährlich“ eingestuft werden, als „Kampfhunde“ bezeichnet werden. Es seien vielmehr „Kampfschmuser“.

Nach einem Pressebericht über einen American-Staffordshire-Terrier, der im April in Wattenscheid ausgebüxt und mehrere Passanten zwar nicht verletzt, aber verschreckt hatte, war Marion Callies entsetzt. Die 43-Jährige, die seit vielen Jahren die „Staff-Gruppe“ im Tierheim leitete, ärgerte sich über den Begriff „Kampfhund“.

Sie glaubt, „dass die Menschen sich zu wenig über die Rasse informieren und unheimlich viele Vorurteile haben, die durch gewisse Berichterstattung in der Presse verstärkt werden“. Diese Hunde seien in Wahrheit menschen-freundlich und „Kampfschmuser“ und kein bisschen aggressiver oder schwieriger als jede andere Rasse auch.

 Die Ängste in der Öffentlichkeit vor den vermeintlichen „Kampfhunden“ sind groß und sitzen tief. Viele Menschen fürchten sich allein schon wegen ihrer mächtigen Beißkraft, egal ob Halter dieser Hunde dies für Unsinn halten oder nicht. Vor der Statistik des Ordnungsamtes aber, das alle gemeldeten Beißvorfälle registriert, hält die These von Marion Callies durchaus stand.

Marion Callies gibt dem Hund Luke (Border-Collie-Cattle-Dog-Mischling) Anweisungen. Foto: Björn Bowinkelmann
Marion Callies gibt dem Hund Luke (Border-Collie-Cattle-Dog-Mischling) Anweisungen. Foto: Björn Bowinkelmann © WAZ FotoPool | WAZ FotoPool

Der Statistik zufolge haben so genannte „gefährliche Hunde“ (zu denen außer dem Staffordshire Terrier der Pittbull Terrier, der Staffordshire Bullterrier und der Bullterrier gehören) im vergangenen Jahr in Bochum einen Menschen und ein Tier verletzt. Viel mehr Beißereien gab es vor allem durch andere große Hunde, die im Landeshundegesetz (LHundeG) nicht als „gefährlich“ bezeichnet werden - § 3 - und auch nicht unter §10 fallen. Dort sind „Hunde bestimmter Rassen“ aufgelistet, die ebenfalls nur unter besonderen Auflagen gehalten werden dürfen wie zum Beispiel der Rottweiler, die American Bulldog oder der Mastino Napoletano.

52 Beißvorfälle im vorigen Jahr gemeldet

Das Ordnungsamt registrierte im Vorjahr 27 Beißvorfälle, bei denen Menschen durch große Hunde verletzt wurden. Außerdem 25 Fälle, bei denen andere Tiere durch große Hunde gebissen wurden. Diese erfassten Tiere, sagte eine Stadtsprecherin auf WAZ-Anfrage, „zählten überwiegend zu den sonstigen großen Hunden“. Sie fährt fort: „Davon abgesehen waren die häufigsten Schäferhunde, sowohl in 2010 wie in 2011 jeweils sieben.“ Das dürfte freilich damit zusammenhängen, dass es viele Schäferhunde gebe.

Auch die Polizei bestätigte auf Anfrage, dass bei den gemeldeten Beißattacken die verschiedensten Hunde zugelangt hätten, quer durch alle Rassen.

Marion Callies meint: Wenn kleine Hunde Krawall machen würden, hieße es nur: „Der kleine Kläffer.“ Wenn aber ein Staff oder ein anderer großer Hund laut belle, herrsche sofort helle Aufregung.

„Die Arbeit in der Staff-Gruppe ist nicht mehr rasseabhängig“

Seit rund zehn Jahren arbeitet sie in der Staff-Gruppe. 20 ehrenamtliche Mitglieder kümmern sich mit regelmäßigem Training um diese Hunde dort, weil sie deutliche Verhaltensauffälligkeiten zeigen. Damals wurde die Gruppe gegründet, weil es im Tierheim so viele Staffordshire und ähnliche Rassen gab - eine Folge des verschärften Hundegesetzes, das strenge Auflagen zur Haltung verlangt.

Heute heißt die Gruppe zwar immer noch so, doch die Anzahl der Staffs nimmt ab. Stattdessen kommen verstärkt Exemplare anderer Rassen hinzu. Aktuell sind in der Staff-Gruppe vier Staffs, drei Rottweiler, acht Schäferhunde (darunter Mischlinge), vier Jack-Russel-Terrier, ein Border Collie/Cattle Dog Mix und ein Pointer Dalmatiner Mix. „Die Arbeit in der Staff-Gruppe ist nicht mehr rasseabhängig“, sagt Marion Callies.

„Gefährliche“ Hunde müssen mit Abstand am längsten im Tierheim bleiben

Ziel der Gruppe sind bessere Vermittlungschancen. Die Hunde, die unter § 3 und § 10 des LHundeG fallen, sind erlaubnispflichtig und müssen einen vierstündigen Wesenstest beim Amtsveterinär bestehen, um von der Maulkorb- und Leinenpflicht befreit zu werden.

Die Vermittlungsquote im Bochumer Tierheim sei „hoch“, sagt Marion Callies. Dennoch müssen die gesetzlich als „gefährlich“ eingestuften Hunde nach § 3 Hundesgesetz mit Abstand am längsten im Tierheim ausharren. 18 neue sind im Jahr 2011 aufgenommen worden. Die durchschnittliche Verweildauer betrug ein Jahr, was sicher auch den strengen Auflagen für die Haltung geschuldet ist. Trotzdem: Bei „sonstigen Hunden“ waren es nur 33 Tage Verweildauer.

Wer einen Hund nach nach § 3 und § 10 des Landeshundegesetzes halten will, muss unter anderem einen aufwändigen Sachkundenachweis beim Veterinäramt machen; nicht nur, wie bei sonstigen großen Hunden, beim Tierarzt.

In Bochum sind 9966 Hunde gemeldet, davon 1368 Hunde nach § 3 und § 10 des LHundeG.