Bochum. 62.000 Euro von einer Bochumer Bildungseinrichtung soll eine Ex-Bürokraft veruntreut haben. Im Prozess offenbarten sich familiäre Abgründe.

Ein erbitterter Familienstreit wurde am Donnerstag vor dem Amtsgericht ausgetragen. Nicht vor einem Familiengericht, sondern in einer Strafsache. Einer 66-jährigen Frau wurde die Veruntreuung von insgesamt 62.000 Euro vorgeworfen, die einer gemeinnützigen Bildungseinrichtung in Bochum gehörten. Im Prozess erwuchs daraus ein ebenso heftiger wie trauriger Geschwisterstreit, der zeitweise eskalierte.

„Du lügst doch hier ohne Ende!“, schleudert die Angeklagte ihrem Bruder entgegen: dem Hauptzeugen in dem Prozess und Geschäftsführer (68) der GmbH. „Lüge, Lüge, Lüge, dreckige Lüge!“ - Der Mann erklärte: „Ich weiß nicht, was sich meine Schwester zusammenphantasiert! Du hast eigenmächtig Geld vom Konto geklaut!“

Beträge zwischen 500 und 19.999 Euro vom Bochumer Firmenkonto abgehoben

Die Angeklagte war in der Bildungseinrichtung, die viel für Arbeitsagenturen arbeitet, ab 2017 oder 2018 als Bürokraft tätig. Laut Anklage soll sie zwischen November 2018 bis Januar 2019 in 17 einzelnen Fällen heimlich Firmengeld an Geldautomaten abgehoben oder auf ihr privates Konto und das einer Bekannten (52) überwiesen haben, die ebenfalls angeklagt war. Es geht um Beträge zwischen 500 und 19.999 Euro.

Die Angeklagte war empört. Ihre Aussagen liefen darauf hinaus, dass ihr das abgehobene Geld zugestanden habe, als Arbeitslohn. „Ich habe zwei Jahre für lau für Dich gearbeitet!“ Ihr Bruder bestritt dies vehement. Die jeweiligen Schilderungen lagen so weit auseinander wie ein Frei- und ein Schuldspruch.

Das Verhandlungsklima vor dem Amtsgericht Bochum war rau

Von der ersten Minuten an war das Verhandlungsklima seitens der Verteidigung energisch bis scharf, der Ton zeitweise giftig. Den Geschäftsführer der Bildungseinrichtung nahm ein Verteidiger mit bohrenden Fragen stundenlang in die Mangel.

Dabei stellte sich mehr und mehr heraus, dass die Wahrheit in der Mitte zwischen den Streitparteien gelegen haben könnte. Seltsam war zu Beispiel, dass der Geschäftsführer seine Schwester mit 1000 Euro netto im Monat privat entlohnt hatte, ohne Anstellungsvertrag. Mittlerweile gehen beide längst getrennte Wege.

Strafprozess geriet zur familiären Schlammschlacht

Der Streit um Einzelheiten geriet seitens der Angeklagten zeitweise zur Schlammschlacht um sensible Familienthemen, die gar nichts mit dem Untreue-Vorwurf zu tun hatten. Die Stimme der Frau bebte zeitweise vor Zorn. Schlimmste Dinge warf sie ihrem Bruder vor, was dieser als Verleumdung quittierte. Einmal mussten aus Sicherheitsgründen zwei Wachtmeister in den Saal kommen.

Nach dreieinhalb Stunden beinharter Verhandlung ohne Pause stellte das Gericht das Verfahren ohne Urteil ein, aber mit Auflagen: Die 66-Jährige muss 20.000 Euro an den Bildungs-Betrieb zurückzahlen, die Mitangeklagte 300 Euro an eine Einrichtung für Krebsnachsorge bei Kindern.