Gelsenkirchen. Immer mehr Bürger ziehen wegen der Corona-Auflagen vor das Verwaltungsgericht. Es geht um Kitas, Kneipen, Altenheime – und Rotlichtviertel.

Wer heute über zentrale Einkaufsstraßen schlendern will, darf sich nicht ohne Schutzmaske bewegen. Die meisten Bürger halten sich an die Corona-Regeln. Doch die Richter am Verwaltungsgericht spüren, dass der Widerstand gegen die Maßnahmen zunimmt.


Zwischen März und November gingen 163 Klagen, darunter viele aus Bochum, bei dem Gelsenkirchener Gericht ein.
Die Kläger wehren sich gegen Auflagen, halten sie für übertrieben, fühlen sich eingeschränkt in ihrer persönlichen Entscheidungs- und Bewegungsfreiheit.

Corona-Klagen: Von der Kita bis zum Pflegeheim

Überwiegend haben es die Kammern mit Eilverfahren zu tun, in denen die Kläger einstweiligen Rechtsschutz begehren. „In den meisten Fällen“, weiß Pressesprecher Wolfgang Thewes, „richten sich die Klagen gegen Quarantäne-Anordnungen und die Maskenpflicht.“

Überragende Bedeutung habe bei der Frage der Verhältnismäßigkeit von Entscheidungen auch die Zunahme der Zahlen. So sieht Thewes das öffentliche Interesse oft auch schwerer gewichtet als das Einzelinteresse. Die Liste der Einschränkungen, die Bürger nicht akzeptieren wollen, ist lang. Mal geht es um die Schließung von Gastronomie- und anderen Dienstleistungsbetrieben, mal um Versammlungsverbote, die Beeinträchtigung von Prüfungen beim Berufseinstieg oder auch um Betreuungszeiten in Kindertageseinrichtungen oder Besuchsrechte in Pflegeheimen.

Die meisten Anträge scheitern


Die meisten Anträge wurden zurückgewiesen oder an das Oberverwaltungsgericht verwiesen, wenn Kläger die Corona-Schutzverordnung generell nicht akzeptierten. So scheiterten besorgte Eltern beispielsweise mit ihrer Klage, ihr Kind von der Schulpflicht befreien zu lassen.
Keinen Erfolg hatte zunächst auch ein Bordellbesitzer, der wegen Schließung seiner Einrichtung die Grundsteuer erlassen bekommen wollte.
Zurückgewiesen wurden auch die Klagen gegen die Anordnung von Corona-Tests wie auch gegen die Allgemeinverfügung durch die Stadt Bochum und anderer Städte zu Kontaktverboten.

Auch gegen die Maskenpflicht wird geklagt.
Auch gegen die Maskenpflicht wird geklagt. © FUNKE Foto Services | Olaf Ziegler


Unter anderem hatte auch die Klage der NPD gegen das Verbot einer Wahlkampfveranstaltung in Bochum keinen Erfolg. Abschminken konnte sich ein Sportfreund die Nutzung eines Segelbootes auf dem Vereinsgelände, das er auch in Corona-Zeiten bewegen wollte.
Auch zu einer nachträglichen, nicht genehmigten Nottrauung in einer katholischen Kirche konnte das Gericht dem Brautpaar nicht verhelfen.

Obdachloser pocht auf Mindestabstand


Einen Teilerfolg erzielte ein
Obdachloser, der in einer Schlafstelle auf einen Abstand von 1,50 Meter zum Mitbewohner bestand.
Das Gericht gab ihm recht, auf den Abstand bestehen zu können, schloss allerdings seinen geforderten Aufenthaltsanspruch auch tagsüber aus

Für Eltern eines schwerstbehinderten Kindes hat sich der Weg zum Gericht ebenfalls gelohnt. Das Kontaktverbot wurde teilweise aufgehoben. Die Eltern dürfen ihr Kind täglich drei Stunden besuchen, müssen aber eine Schutzmaske tragen.

Gericht rechnet mit weiterer Zunahme

Das Verwaltungsgericht rechnet in den nächsten Wochen mit einer Zunahme an Klagen. Man sei in der Lage, effektiven Rechtsschutz zu gewähren und zeitnah zu entscheiden, so Presserichter Thewes. Der Sitzungsbetrieb läuft normal weiter. Der elektronische Rechtsverkehr ermöglicht den Richtern mit dienstlichen Laptops auch die Arbeit im Homeoffice.