Bochum. Die Wertermittler von Classic Data aus Altenbochum gelten als „Schwacke für klassische Fahrzeuge“. Sie bestechen mit einem Notensystem, dem Vier-Augen-Prinzip und einer ausladenden Datenbank.
In der Branche führt kein Weg an ihnen vorbei. Als „Schwacke für Oldtimer“ ist Classic Data bekannt, als der Wertgutachter für historische Fahrzeuge. Manchmal rückt die Spezialfirma aus Kornharpen sogar ins Blickfeld der breiten Öffentlichkeit, wenn sie nämlich als Sammler so gut wie weltweit aller Daten von einschlägigen Messen die Top Ten der teuersten Verkäufe des Jahres veröffentlicht: 27,5 Millionen Dollar für einen Ferrari 275, 11 Millionen Dollar für einen Ford GT 40. Schwindelerregende Preise in einem weiter boomenden Markt.
Wie Gemälde werden Fahrzeuge aus allen Epochen gesammelt. Und bei Classic Data sind eine ganze Menge davon dokumentiert. Meter lang sind die Regalreihen in den Büros und Garagen mit Katalogen, technischen Blättern, Berichten und Auktionsergebnissen. Ein schier unerschöpflicher und unbezahlbarer Fundus mit einer Datenbank, die mehr als 300.000 Fahrzeuge und gut 200 Marken aus 125 Jahren umfasst. Wer die Firmenzentrale betritt, dem schlägt quasi an jeder Ecke automobile Geschichte entgegen. Ob in der Garage, wo ein weinroter Vorkriegs-Kadett steht, oder im Büro von Geschäftsleiter Marius Brune mit dem Beistelltisch, der aus einem wuchtigen Sportreifen und einer darauf montierten Glasplatte besteht, oder der Sammlung von Modellen britischer Sportwagen im Regel.
Der Markt wächst weiter
Den Jägern und Sammlern einer Firma, die ihren Ursprung in Castrop-Rauxel, der Heimatstadt des Gründers Jochen Strauch, hat und die in Altenbochum ansässig ist, entgeht so gut wie nichts. Einzigartig sei ihr Datenmaterial, sagt Inhaber und Geschäftsführer Martin Stromberg (50) – wie Marius Brune (47) einst Angestellter in der Firma. Beide haben 2010 die Geschäfte übernommen, nachdem sie sich zwischenzeitlich mit der Firma Olditax selbstständig gemacht hatten. Es gibt mittlerweile Dependancen in mehreren Ländern, beobachtet wird der Markt in den USA mit so prestigeträchtigen Auktionen wie der im kalifornischen Monterey. In Großbritannien kümmert sich ein Geschäftspartner im Auftrag von Classic Data ausschließlich um den breiten britischen Markt.
„Der Markt wächst weiter“, sagt Martin Stromberg (50). Weltweit. „Es hat noch nie so viele Leute mit so viel Geld und so wenig Ahnung in unserer Branche gegeben.“
Umso wichtiger ist die Arbeit des Mittelständlers in dem außergewöhnlichen Segment, das in Deutschland noch einmal eine ganz besondere Note bekommt. „Denn in zwei Dingen glauben die meisten mitreden zu können“, sagt Marius Brune schmunzelnd. „Beim Fußball und bei Autos.“
Viele Faktoren bestimmen den Preis
Sie sind die Nummer eins der Branche. Unumstritten sind sie aber nicht. Nicht jedem schmeckt die Beurteilung des eigenen Fahrzeugs, die mal magerer ausfallen mag als man es sich gewünscht hat. Aber bei Classic Data halten sie sich zu Gute, sich an Fakten zu halten und objektiv überprüfbare Beurteilungen vorzunehmen. Firmengründer Jochen Strauch hat das Notensystem von 1 bis 5 eingeführt, mit dem die Oldtimer immer noch bewertet werden. 1 steht für „neu oder besser als neu“, 5 für „restaurierungsbedürftig“. Und: Es gilt das Vier-Augen-Prinzip. In der Classic-Data-Zentrale wird der generelle Marktwert des Fahrzeugtyps bewertet. Der Sachverständige besichtigt das Fahrzeug vor Ort.
Beurteilt wird dadurch im Verbund mit den 400 Sachverständigen in ganz Deutschland und auf Basis des immensen Datenmaterials über die Geschichte schier unendlich vieler Autos der Zustand von Fahrzeugen. Originalität spielt eine wichtige Rolle, wenngleich nicht die einzige. Schon gar nicht sind das eine, der Zustand, wie das andere, die Originalität, allein ausschlaggebend für Wert und Preis eines Autos. „Beides wird häufig verwechselt“, sagt Martin Stromberg. Am Ende entscheidet die Kombination vieler Faktoren und Fakten – und beim Käufer die pure Liebhaberei gepaart mit der Größe des Geldbeutels.
Wert schätzen ist auch eine Frage von Liebhaberei
Wenn Martin Stromberg von seinem Dienstwagen spricht, denkt man an Modelle aus der deutschen Oberklasse. Auf dem Parkplatz von Classic Data stehen aber nicht die Vorzeigemodelle aus Stuttgart oder München, sondern ein Mazda 929 und ein Austin Seven. „Wir können doch keine modernen Autos fahren“, sagt Martin Stromberg mit gespielter Empörung. Natürlich müssen und wollen sie auf der Straße das repräsentieren, was sie im Berufsleben buchstäblich sind: Wertschätzer von Oldtimern.
Im Laufe des Gesprächs fallen immer wieder Begriffe wie „verrückt“ oder „besessen“, der Unterton unterstellt dabei eine gehörige Portion Kauzigkeit und Spleen. Und wenn Marius Brune erzählt, bisweilen erhalte das Unternehmen aus Firmenauflösungen alte Autokataloge etwa aus den 1960er Jahren, die sie zwar nicht immer gebrauchen können, allerdings niemals wegschmeißen würden („So etwas macht man doch nicht“), ist längst klar, wie die beiden Männer und ihr Team ticken.
Lieber ein gutes Auto kaufen statt das erstbeste
Einige Tipps haben sie für alle parat, die daran denken, sich ein automobiles Schätzchen zuzulegen: Lieber ein gutes Auto kaufen statt den erstbesten. Sich beraten lassen und möglichst viel fahren. Wer nur den äußeren Schick eines Autos mag, aber nicht dessen freistehende Pedalen, die spärliche Innenausstattung, röhrende Motoren oder große Lenkrade, an denen richtig gearbeitet werden muss, sollte die Finger von einem Oldtimer lassen.
Heute sei es leichter, einen alten Wagen zu fahren. „Auch wenn man kein Schrauber ist und nicht mit jeder Schraube per Du ist“, so Stromberg. Viele Hersteller unterstützen die Szene gut, Mercedes und Porsche etwa. Und trotz des Hypes im Highend-Bereich seien die Kosten übersichtlich. 14.000 Euro werden in Deutschland durchschnittlich für einen Oldtimer ausgegeben.
Auch Martin Stromberg ist dieser Leidenschaft längst verfallen. Privat fährt er einen Fiat Spider. Seine Liebe verrät er mit einem Fingerzeig auf die letzten Ziffern seiner Telefonnummer: 911. Alles klar!