Bochum-Stahlhausen. An der Essener Straße in Bochum soll in Nachbarschaft zur A 448 ein neues Gewerbegebiet entstehen. Dafür müssen viele Kleingärtner Platz machen.

Noch ist es zu beiden Seiten der Essener Straße in Bochum schön grün. Doch das wird sich ändern. In absehbarer Zeit soll zwischen Stadtautobahn A 448 und Bogestra-Betriebshof Engelsburg ein neues Gewerbegebiet entstehen. Dass dafür der Kleingartenverein Thiemannshof weichen muss, ist schon seit längerem klar. Nun haben auch die Pächter von Grabeland-Parzellen gegenüber die Kündigung erhalten. Sie sind sauer.

Bochum: Neues Gewerbegebiet an der Essener Straße vertreibt Kleingärtner

Im vergangenen Oktober hat die TIH Gewerbepark Bochum GmbH das frühere Thyssen-Gelände von der Outokumpu Nirosta GmbH gekauft. „Am 14. Dezember bekamen wir dann die Kündigung“, berichtet Michael Müller, der schon seit Jahrzehnten eine Parzelle auf dem Grabeland Thiemannshof besitzt. „Mit der Aufforderung, unsere Parzellen sauber und frei von jeglichen Gegenständen geräumt bis zum 31. Januar zu übergeben“, zitiert der 66-Jährige aus dem Schreiben, das alle Pächter in Aufruhr versetzt.

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„Wie sollen wir das schaffen in dieser knappen Zeit?“, fragen sie im Hinblick auf die zurückliegende Weihnachtszeit, in der ohnehin niemand im Garten gewesen sei, auf die schlechte Witterung und auf logistische Probleme beim Abtransport. „Die haben das doch schon eher gewusst und hätten uns früher mal Bescheid geben können“, schimpft ein Hobbygärtner.

„Wir sind ja alle bereit zu räumen“, will Michael Müller die Kündigung an sich gar nicht anfechten. „Die ist schon rechtens. Aber ein zeitlicher Aufschub wäre schon wichtig für uns.“

Für zusätzlichen Ärger sorgen Pachtforderungen. „Wir haben im Sommer unseren Jahresbeitrag bis Mitte 2022 bezahlt“, sagt Ismet Öztürk. „Jetzt bekam ich ein Schreiben, in dem der neue Besitzer noch einmal Pacht für die Zeit von Oktober bis Januar verlangt. Wir sollen also doppelt zahlen.“

Pächter Michael Müller hat mit dem Räumen seiner Parzelle auf dem Grabeland Thiemannshof an der Essener Straße in Bochum schon begonnen. Viel Zeit bleibt ihm und den anderen Hobbygärtnern nicht.
Pächter Michael Müller hat mit dem Räumen seiner Parzelle auf dem Grabeland Thiemannshof an der Essener Straße in Bochum schon begonnen. Viel Zeit bleibt ihm und den anderen Hobbygärtnern nicht. © FUNKE Foto Services | Dietmar Wäsche

Zumindest dazu wird es laut Eigentümer nicht kommen. „Das war ein Missverständnis“, teilt Svenja Haferkamp, Sprecherin der Thelen-Gruppe, auf WAZ-Anfrage mit. Die TIH Gewerbepark Bochum GmbH ist eine Tochter des Projektentwicklers aus Essen. „Da ist ein Fehler im Zuge des Übergangs passiert.“

Neues Gewerbegebiet in Bochum: Eigentümer will auf Hobbygärtner zugehen

Ob es für die Hobbygärtner einen zeitlichen Aufschub oder anderweitige Hilfe von Seiten des Eigentümers geben wird, ist dagegen offen. „Wir sind sehr darum bemüht, das Ganze einvernehmlich zu lösen“, versichert Svenja Haferkamp. „Dazu laufen bereits Gespräche mit den Beteiligten.“

Haferkamp spricht beim Grabeland Thiemannshof von einer „sehr bedeutsamen und großen Fläche“, die den ehemaligen Sportplatz des TuS Griesenbruch und den nördlichen Bereich darüber mit einschließt. Zur „bestmöglichen Entwicklung“ des Areals befinde man sich bereits „in Gesprächen mit verschiedenen Akteuren“.

Umzug soll bis 2024 geschehen

In Abstimmung mit den betroffenen Kleingärtnern der Kleingartenanlage Thiemannshof hat die Stadt Bochum nach einer Ersatzfläche gesucht. Als geeigneter Standort wird die vorwiegend landwirtschaftlich genutzte Fläche Westseifen westlich der Straße Herrenacker in Höntrop angesehen. Seitens des Stadtverbandes der Kleingärtner gibt es laut Stadt keine Einwände.

Für die Verlagerung der Kleingartenanlage an den Standort Westseifen ist die Aufstellung des Bebauungsplanes Nr. 1021 erforderlich. Dies ist im Sommer 2021 durch den Ausschuss für Planung und Grundstücke geschehen.

„Derzeit werden die erforderlichen Fachgutachten erarbeitet und der städtebauliche Entwurf konkretisiert“, teilt Stadtsprecher Peter van Dyk mit. Die frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit und der Behörden soll im ersten Quartal dieses Jahres erfolgen. Innerhalb der nächsten zwei Jahre sollen die Kleingärtner dann umgezogen sein.

Auch diese Fläche soll zukünftig wieder als Gewerbefläche genutzt werden, teilt die Stadt auf WAZ-Anfrage mit. Dazu hat die Politik bereits im Jahr 2018 den Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan Nummer 1002 – Essener Straße / A 448 – gefasst. „Da heute schon in den Spitzenstunden die verkehrliche Auslastung im Bereich der Essener Straße/Kohlenstraße an der Kapazitätsgrenze angelangt ist, muss über alternative Erschließungsmöglichkeiten nachgedacht werden und auf welchen Flächen die Erschließung der neuen Gewerbegebiete sichergestellt werden kann“, sagt Stadtsprecher Peter van Dyk. Im Gespräch ist ein eigener Anschluss der Essener Straße zur A 448.

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Dass die gegenüberliegende Kleingartenanlage „Thiemannshof“ aufgegeben werden muss, liegt an dem verseuchten Boden dort. „Er ist mit polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) flächendeckend belastet“, teilt die Stadt mit. Von der Unteren Bodenschutzbehörde (UBB) seien entsprechende Nutzungs- und Anbau-/Verzehrsempfehlungen formuliert worden. Eine kleingärtnerische Nutzung ist aus Sicht der Stadt auf Dauer nicht mehr möglich, eine Sanierung der Kleingartenanlage aufgrund der Topografie und der Struktur nicht wirtschaftlich – wohl aber eine gewerbliche Nutzung.

Bochum: Klimaschutz soll in neuem Gewerbegebiet große Rolle spielen

„Der Bereich ,Thiemannshof’ kann unter Berücksichtigung der vorhandenen Belastungen gewerblich genutzt werden“, sagt Peter van Dyk weiter. Konkrete Planungen lägen allerdings zurzeit noch nicht vor. „Die Fläche ist im Regionalen Flächennutzungsplan als gewerbliche Baufläche dargestellt und befindet sich im Eigentum der Bochum Wirtschaftsentwicklung. Sie soll künftig unter Berücksichtigung der Sanierungsauflagen für gewerbliche Zwecke saniert und zu einem nachhaltigen, unter Klimaschutz- wie -anpassungsaspekten optimierten Gewerbegebiet entwickelt werden.“