Die 64-Jährige sagt in einem ihrer seltenen Interviews, wie sie ihr leben gestalten will, sollte ihr Mann Bundeskanzler werden.
„Was da von einigen über das Frauenbild meines Mannes geschrieben wird, stimmt ganz einfach nicht.“
Charlotte Merz (64) wird mit einiger Wahrscheinlichkeit nach der Wahl am 23. Februar die neue Kanzlergattin in Deutschland. Doch die Ehefrau von Friedrich Merz steht nicht in der Öffentlichkeit. Und wenn es nach ihr geht, bleibt das auch so. Interviews gibt sie im Wahlkampf keine. Für unsere Redaktion macht die Direktorin des Arnsberger Amtsgerichts allerdings eine Ausnahme. „Ich bin eine selbstständige und berufstätige Frau im Sauerland“, sagt sie von sich selbst. Wir treffen Charlotte Merz im Gasthaus zur Börse in Arnsberg, einem integrativen Betrieb, den sie schätzt und unterstützt. Zu aktuellen politischen Themen, etwa der Migrationsdebatte, möchte sich Charlotte Merz nicht äußern.
Vermutlich kommen nach der Wahl große Veränderungen auf Sie zu. Sie werden Privatsphäre verlieren, ununterbrochen im Fokus der Öffentlichkeit stehen und Tag und Nacht bewacht werden müssen. Wie bereiten Sie sich darauf vor?
Charlotte Merz: Als Richterin bin ich damit vertraut, zwischen der öffentlichen Rolle und der Privatperson zu unterscheiden, das hilft mir. Alles im Leben hat Vor- und Nachteile – und alles ist zeitlich begrenzt. Damit ist es eine Situation, mit der ich umgehen könnte. Aber jetzt geht es erst einmal darum, die Wahl auch wirklich zu gewinnen.
Wenn Ihr Mann der nächste Bundeskanzler wird, gehen Sie dann mit nach Berlin oder bleiben Sie im Sauerland?
Eine berechtigte Frage, die mir oft gestellt wird. Ich habe vor, mein Leben im Sauerland wie gewohnt weiterzuführen, mit meiner Arbeit als Richterin und Amtsgerichtsdirektorin. Ich möchte ganz normal jeden Morgen zur Arbeit fahren. Auch, weil ich davon ausgehe, dass mein Mann deutlich weniger Zeit im Sauerland verbringen kann, wenn er Kanzler wird.
Einsamkeit ist ein großes Thema für die Ehepartner von hochrangigen Politikern. Manche zerbrechen an der Situation. Wie wappnen Sie sich?
Sagen wir mal so: Ich kann gut mit mir selbst allein sein. Natürlich bin ich noch lieber mit meinem Mann zusammen. Aber man kann sich halt im Leben nicht immer alles aussuchen. Und einsam bin ich nicht. Wir leben seit 1994 im Sauerland und haben ein starkes soziales Umfeld, eine gute Nachbarschaft und einen großen Freundeskreis. Langweilig wird es mir also nicht werden.
Leben Sie gerne im Sauerland? Sie kommen aus Saarbrücken.
Am Anfang habe ich mich tatsächlich etwas „verschleppt“ gefühlt, weil das Leben auf dem Land schon komplett anders ist. Ich hatte bis dahin immer in Städten gewohnt. Theater, Kino, Konzert, das ist alles auf dem Land mit einem größeren Organisationsaufwand verbunden. Aber dafür habe ich eine intakte Natur und eine hohe Lebensqualität. Ja, ich lebe gern hier. Und ich finde es schade, dass jetzt im Wahlkampf so viele Klischees über das Sauerland aufgewärmt werden.
„ Das Gerede vom rückwärtsgewandten Sauerland ist nichts weiter als ein Klischee. “
Zu den Klischees gehört sicher auch, dass man im Sauerland ein traditionelles Frauenbild vermutet. Sie haben drei Kinder großgezogen und gleichzeitig Karriere im Rechtswesen gemacht. Mussten Sie sich das erkämpfen?
Ich arbeite in einem Beruf, in dem ich das Privileg kompletter Gleichberechtigung habe. Dafür musste ich nicht kämpferisch unterwegs sein. Frauen bekommen dasselbe Geld und machen dieselbe Arbeit wie die Männer. Wichtig ist: Die Leistung muss stimmen. Es war bei uns übrigens von Anfang an normal, dass ich gearbeitet habe. Da gab es auch im familiären Umfeld keine Sprüche, dass die Frau doch zuhause bei den Kindern bleiben soll. Das Gerede vom rückwärtsgewandten Sauerland ist nichts weiter als ein Klischee. Wir leben genauso modern wie in den Städten. Und bei uns ist doch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf teilweise sogar einfacher als in den Städten.
Weil wir zum Beispiel kurze Wege haben und keinen Stau. Als ich 1994 ins Sauerland kam, war unsere jüngste Tochter noch im Kindergartenalter. Und das war tatsächlich ein Problem, weil es in Westdeutschland damals noch gar keine Kitas mit Ganztagsbetreuung gab. Das hat sich zum Glück geändert, dadurch haben Familien mehr berufliche Möglichkeiten. Bei uns auf dem Land gibt es außerdem immer noch eine starke Vereinsstruktur, in der Kinder vielfältig gefördert werden. Und es finden sich immer Nachbarn, die mal ein Auge auf sie haben können. Warum sollten Frauen wegen der Kinder nicht arbeiten? Für mich ist meine Arbeit immer selbstverständlich gewesen, und ich wünsche mir, dass es auch für alle anderen Frauen möglich wird – allein schon, damit sie eigene Rentenansprüche erwerben und in der Gesellschaft insgesamt mehr Gleichberechtigung gelebt wird.
Klar, wir haben immer alles zusammen gemacht und auch unser Familien- und Eheleben gleichberechtigt organisiert. Unser erstes Kind haben wir bekommen, da war ich noch im Studium. Wichtiger noch als die Frage, wer den Müll runterbringt, finde ich dabei übrigens die mentale Unterstützung. Wir haben beide Rücksicht auf den Job des anderen genommen und die Kinderbetreuung so aufgeteilt, dass sie mit unseren beruflichen Verpflichtungen vereinbar war. Mein Mann hat mich immer komplett unterstützt, weil er es selbstverständlich und richtig fand, dass ich gearbeitet habe. Was da von einigen über das Frauenbild meines Mannes geschrieben wird, stimmt ganz einfach nicht. Ich kann es in keinster Weise nachvollziehen.
Aber die Frage ist doch: Gibt es nicht in der CDU zu wenige Spitzenpolitikerinnen?
Natürlich. Aber kommt das daher, dass Männer sie ausbremsen? Oder gibt es vielleicht schon an der Basis zu wenige Frauen? Ich glaube, die CDU hat das Problem erkannt. Deswegen fördert mein Mann auch gezielt die Anwerbung von Frauen für die Kreis- und Ortsverbände. Meine Beobachtung ist: Die Bereitschaft von Frauen, in die Politik zu gehen, ist nicht so ausgeprägt.
Woran liegt das?
Meiner Wahrnehmung nach sind Frauen konsensorientierter als Männer. Frauen engagieren sich sehr, wenn es um ein konkretes Projekt vor Ort geht, z.B. einen Zebrastreifen vor der Schule oder mehr Kitaplätze. Aber wir müssen differenzieren: Ich glaube, solange Frauen keine Kinder haben, haben sie es genauso einfach und genauso schwierig wie die Männer in der Politik. In dem Moment, wo Familie da ist, fühlen sich Frauen hauptverantwortlich, das ist heute leider immer noch so. Und dann überlegen sie sich, ob sie abends Zeit bei einer Sitzung verbringen oder mit ihren Kindern. Denn die Zeit mit den Kindern lässt sich nicht nachholen, irgendwann sind sie groß.
Drei Kinder, sieben Enkelkinder
Charlotte und Friedrich Merz leben seit den 1990er-Jahren in Arnsberg.
Charlotte Merz ist Direktorin des Amtsgerichts Arnsberg, Fachgebiet Familien- und Insolvenzrecht.
Das Ehepaar Merz hat drei Kinder und sieben Enkelkinder, sie alle wohnen nicht mehr im Sauerland.
Das Ehepaar Merz unterstützt gemeinsam mit der „Friedrich und Charlotte Merz-Stiftung“ Bildung, Ausbildung und Erziehung im Stadtgebiet Arnsberg. Geld gibt es unter anderem für Schulprojekte, mit denen die Zahl der Sitzenbleiber verringert werden soll.
Sehen Sie sich als Vorbild für Mädchen?
Der Begriff Vorbild ist mir zu abstrakt. Ich möchte junge Mädchen durch Vorleben ermutigen, dass sie alles werden können, was sie möchten. Und ich möchte auch die Mütter ermutigen, ihre Mädchen stark zu machen, mit Selbstbewusstsein auszustatten. Die Mädchen müssen eine gescheite Ausbildung haben – und zwar für das, was sie gerne machen, worin sie gut sind, wo das Herz mitgeht. Dann können sie ihren Weg machen.
„Vor 15 Jahren hatten wir eine sehr gute Zeit in unserem Leben, in der wir mit Politik nichts zu tun hatten. Die Kinder waren aus dem Haus, wir hatten wieder Zeit füreinander.“
Es gab mal eine Zeit, in der Friedrich Merz nicht in der Politik aktiv war. Wie haben Sie damals gelebt?
Vor 15 Jahren hatten wir eine sehr gute Zeit in unserem Leben, in der wir mit Politik nichts zu tun hatten. Die Kinder waren aus dem Haus, wir hatten wieder Zeit füreinander. Damals konnten wir am Wochenende wegfahren, wir hatten Zeit zum Reisen. Wir wandern gerne, und wenn wir in einer Stadt sind, machen wir das übliche Kulturprogramm. Aber vor allem unternehmen wir gerne Fahrradtouren, auch mehrtägige, wo man nur ein Gepäckstück dabeihat. Da hat man abends das Gefühl, richtig etwas geschafft zu haben. Inzwischen haben wir allerdings E-Bikes.
Sie gelten als Beraterin Ihres Mannes. Stimmt das?
Die Bezeichnung Beraterin wäre übertrieben. Richtig ist, dass wir auch viel über das reden, was uns in unseren Berufen beschäftigt. Aber das macht doch jedes Paar so. Ich erzähle Dinge, die mich tagsüber beschäftigt haben, und natürlich erzählt mein Mann auch, was er an guten oder schlechten Dingen erlebt hat.
In Bildern: Friedrich Merz und seine Heimat, das Sauerland
Im November 2023 beteiligt sich Friedrich Merz am bundesweiten Vorlesetag in der Arnsberger Regenbogenschule. Er den rund 50 Kindern der vierten Klassen aus dem Buch „Die Leuchtturm-Haie“ von Gisela Pauly vor.
Ihr Engagement für Kultur ist in Berlin wohl kaum bekannt. Sie sind Mitbegründerin und Vorsitzende der Stiftung Kirchenmusik im Sauerland, die großartige Projekte auf die Beine stellt, sie fördern junge Künstler und sie unterstützen das Klavierfestival Ruhr. Warum ist Ihnen das wichtig?
Kultur ist essentiell für den Zusammenhalt und das Miteinander. Ohne Kultur ist alles nichts. Ich möchte auch weiter Vorsitzende der Stiftung Kirchenmusik im Sauerland bleiben. Und ich habe auch schon zwei Karten für ein Konzert des Klavierfestivals Ruhr gekauft. Falls mein Mann an dem Termin nicht kann, frage ich eine Freundin, ob sie mitkommt.
Sie spielen selbst ein Instrument?
Ja, Klavier. Friedrich hat mir zum 30. Geburtstag ein Klavier geschenkt. Ich habe von Zuhause Klavierspielen gelernt, und dann habe ich mit 30 noch einmal angefangen Klavierunterricht gehabt. Als ich dann die Leitungsfunktion am Amtsgericht übernommen habe, ging das zeitlich leider nicht mehr. Aber ich denke, dass ich wieder anfangen werde, da ich nach wie vor große Freude daran habe. Klavierspielen ist für mich wie eine Seelendusche.
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