Mülheim. 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland – das Jubiläum wird auch in Mülheim mit interessanten Veranstaltungen gefeiert.

Das Leben jüdischer Menschen in Deutschland steht in diesem Jahr bundesweit im Fokus, denn es reicht 1700 Jahre zurück. Auch auf lokaler Ebene greift eine Veranstaltungsreihe des Stadtarchivs das Thema auf und beleuchtet verschiedene „Aspekte jüdischen Lebens in Mülheim“.

Kaiserliches Dekret aus dem Jahr 321

Anlass der Feierlichkeiten ist ein kaiserliches Dekret aus dem Jahr 321. Kaiser Konstantin in Rom unterzeichnete damals ein Dokument, mit dem er erlaubte, dass Juden in den Stadtrat von Köln aufgenommen werden durften. Es ist die früheste erhaltene Quelle zum jüdischen Leben in Europa nördlich der Alpen und sie beweist, dass zu dieser Zeit schon Juden in Köln lebten.

Dr. Stefan Pätzold, Leiter des Mülheimer Stadtarchivs, stellt die Veranstaltungsreihe „Iudaica
Dr. Stefan Pätzold, Leiter des Mülheimer Stadtarchivs, stellt die Veranstaltungsreihe „Iudaica" vor. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

„Streng genommen gab es vermutlich auch vorher schon jüdische Bürger in Köln, aber das ist nicht belegt“, erläutert Dr. Stefan Pätzold, Leiter des Mülheimer Stadtarchivs. Also feiert man die Zeitspanne von 1700 Jahren. Gemeinsam haben die jüdische Gemeinde Duisburg/Mülheim/Oberhausen sowie die drei Städte ein breitgefächertes Veranstaltungsprogramm anlässlich des Jubiläums auf die Beine gestellt. Es beginnt mit einer Festveranstaltung in der jüdischen Gemeinde am 6. Juni, die man ab 16 Uhr online mitverfolgen kann.

Mülheimer Juden waren zumeist arm

In Mülheim wird die Reihe „Iudaica“ am Donnerstag, 10. Juni, um 18 Uhr eingeläutet mit einem Vortrag von Archivleiter Dr. Stefan Pätzold. Er berichtet über das Dekret von Kaiser Konstantin I. im Jahre 321 und erläutert die historischen Hintergründe. Außerdem skizziert er die Anfänge jüdischen Lebens in Mülheim während der frühen Neuzeit. „Die Juden damals waren Hausierer, Krämer, Handwerker und sehr arm. Sie wurden steuerlich doppelt belastet“, gibt er schon einen Einblick in seine Ausführungen.

Ob sein Vortrag live stattfinden kann oder online zu genießen ist, sollten Interessierte kurz vorher auf der Internetseite des Stadtarchivs überprüfen. Das gilt auch für die anderen Veranstaltungen in dieser Reihe. Am 24. Juni will Nathanja Hüttenmeister, eine Expertin für jüdische Friedhöfe und jüdische Inschriften, zu einen Rundgang über den jüdischen Friedhof an der Gracht einladen (16 Uhr). Im Anschluss, um 18 Uhr, hält sie im Stadtarchiv eine „Einführung in die jüdische Sepulkralkultur am Beispiel des Friedhofs in Mülheim an der Ruhr“ – den es laut Stefan Pätzold übrigens seit Mitte des 18. Jahrhunderts gibt.

Rundgang über den jüdischen Friedhof

„Abgestempelt. Judenfeindliche Postkarten“ heißt eine Wanderausstellung der Bundeszentrale für politische Bildung, die vom 14. Juni bis 31. August im Stadtarchiv gezeigt werden soll. Der Berliner Wolfgang Haney hat fast 1000 antisemitische Postkarten zusammengetragen, eine Auswahl kann man sich anschauen. Die meisten stammen noch aus der Zeit vor dem 1. Weltkrieg und sind durch Vorurteile und Diskriminierungen geprägt. In welcher Form die Präsentation stattfinden kann, entscheidet sich je nach Infektionslage.

Gesamtprogramm

Das Gesamtprogramm für Mülheim, Duisburg und Oberhausen finden Interessierte unter https://www1.muelheim-ruhr.de/veranstaltungen/1700-jahre im Internet.Interessierte sollten, bevor sie eine Veranstaltung besuchen, an den Veranstaltungsorten nachfragen, ob diese inPräsenz oder online stattfindet.

Nach der Sommerpause stehen weitere Veranstaltungen an. Am 3. September (16 Uhr) führt Anne Kebben zu einigen der 178 Stolpersteine in der Stadt. Die Teilnehmer lernen den Lebensweg einiger ehemaliger Mitbürger jüdischen Glaubens kennen. Zwei weitere Vorträge beleuchten weitere Aspekt jüdischen Lebens in der Stadt. Der prominente Sporthistoriker Dr. Henry Wahlig spricht am 28. Oktober über „Die Geschichte jüdischer Sportler in Mülheim und im Ruhrgebiet“, für den 11. November ist ein Vortrag von Dr. Gerhard Ribbrock, ehemaliger stellvertretender Leiter des Kunstmuseums, geplant. Es spricht über den Mülheimer Maler Arthur Kaufmann, dessen Kunst von den Nazis als entartet bezeichnet wurde und der 1936 in die USA emigrierte.