Gelsenkirchen-Resse. Nachdem die Insolvenz des Hofes Holz in Gelsenkirchen-Beckhausen den Fortbestand unmöglich machte, siedelte man zum Mai um.
Es scheint, als sei man endlich angekommen: Das Projekt „Gemeinsam Landwirtschaft erleben“ des Förderkorbs hat einen großen Umzug hinter sich. Vom Hof Holz in Beckhausen aus siedelte man zum Mai um auf das Gelände des Lindenhofes in Resse. Hier, wo solidarische Landwirtschaft praktiziert wird, sind die Projekte der Initiative nun untergebracht und ergänzen sich perfekt mit den bereits bestehenden Strukturen. Auch wenn Landwirt Martin Schulze-Schleithoff eingangs etwas skeptisch war.
„Am Anfang hatte ich die Befürchtung, dass es für mich mehr Arbeit mit sich bringt als Hilfe.“ Schließlich kommen landwirtschaftlich unerfahrene junge Menschen her um zu lernen, im Rahmen einer Tagesstruktur mit ihren Händen zu arbeiten. Sie alle sind in ihrem Leben, das so lang noch gar nicht währt, schon mindestens einmal an der Gesellschaft oder sich selbst gescheitert, sollen nun Orientierung bekommen und wichtige Erfahrungen sammeln. Und das klappt prima.
„Es herrscht mehr Leben auf dem Hof und ich sehe, was diese Arbeit für die Jugendlichen bedeutet. Wie sie es immer wieder schaffen, das Besprochene umzusetzen, das begeistert mich sehr“, lobt der Landwirt und erzählt, da komme so manch einer an seine Grenzen. Etwa wenn es darum gehe, morgens die Rinder auf die Weide zu treiben. Für jemanden, der noch nie Kontakt hatte zu solch großen Tieren, sei das schon in den ersten Tagen eine Herausforderung. „Aber nach ein paar Tagen spürt man, die Angst ist verschwunden.“
Körperliche Arbeit schafft Teamgeist
Andererseits erlebt das Team vor Ort auch, wie Menschen mit einer Zuwanderungsgeschichte hier aufblühen, weil die Arbeit in der Landwirtschaft ihnen aus der Heimat vertraut ist. Und in anderen Momenten sei es gerade die körperlich anstrengende Arbeit in der Gruppe, die aus Menschen ein gutes Team macht.
„Auf die Jugendlichen warten hier Aufgaben, von denen sie manchmal zuvor gar nicht wussten, dass es sie gibt“, erzählt Alexander Bouazzi, der Projektleiter Garten des Förderkorbs. „Sie verlassen hier ihre Komfortzone – und gerade das ist gut für sie.“
Verkauf auf Buerschen Markt
Die Jugendlichen aus dem „Förderkorb“ versorgen mit ein paar Enten und Gänsen eigene Tiere, helfen aber auch bei denen des Lindenhofes mit. Gleiches gilt für den Anbau von Gemüse. Hier hat das Projekt eine eigene kleine Fläche, arbeitet aber auch auf dem großen Acker mit.Die vom Projekt erzeugten saisonalen Produkte verkaufen die Jugendlichen ab sofort wieder auf dem buerschen Wochenmarkt. Immer dienstags ist man in der Nähe der Sparkasse zu finden. Zum Angebot am Stand gehören auch Produkte aus den anderen Werkstätten des Projektes, wie etwa Dekoartikel.
Die Jugendlichen nehmen an ganz unterschiedlichen Projekten teil, die allesamt unter dem Dach der Katholischen Jugendsozialarbeit Gelsenkirchen (KJS) vereint sind. Die einen sind am Arbeitsmarkt gescheitert, andere schon in der Schule. Gerade sind es die Schulverweigerer, die hier auf dem Lindenhof mit anpacken.
Innerhalb der jeweiligen Projekte durchlaufen sie ganz unterschiedliche Stationen immer wieder, von der Hauswirtschaft über die Schreinerei bis eben zur Landwirtschaft. Zwei Wochen arbeiten sie auf dem Lindenhof, dann wechseln sie in die anderen Gebiete, um im nächsten Quartal wieder für zwei Wochen auf den Hof zu kommen.
„Im Schnitt bleiben die Jugendlichen ein Jahr in unserer Betreuung“, sagt Dieter Paeßens, stellvertretender Einrichtungsleiter der KJS. Zugewiesen würden die meisten durch die Agentur für Arbeit. „Wir sind sehr froh, dass wir hier auf dem Lindenhof angekommen sind, da es auf dem Hof Holz durch die Insolvenz keine Perspektive mehr für uns gab.“ Gleichsam verrät er, schon jetzt, nach nur wenigen gemeinsamen Monaten, sei man recht sicher, den Vertrag, der zunächst bis kommenden Mai läuft, verlängern zu wollen. Auch über die Förderung der Aktion Mensch für dieses Projekt hinaus.
Wertschätzung für Landwirtschaft steigt
Das würde auch Martin Schulze-Schleithoff freuen, der mittlerweile begeistert ist von dem Projekt und den jungen Menschen. „Wir auf dem Lindenhof sind dafür ja auch besonders geeignet, weil es ein kleiner Betrieb ist, die Arbeitsprozesse vielfältig sind und vieles von Hand gemacht wird.“ Das erlaube den Jugendlichen, in nahezu allen Bereichen selbst mit anpacken zu können. „Besonders schön ist, dass dadurch auch die Wertschätzung der jungen Menschen für die Landwirtschaft und ihre Produkte steigt.“