Mülheim. Der unangemessene Kommentar am Arbeitsplatz, die deplatzierte Berührung: Die Mülheimer „Hilfe für Frauen“ erklärt, wie man sich wehren kann.
Der Mülheimer Verein „Hilfe für Frauen“ unterstützt seit über 30 Jahren Frauen in schwierigen Lebenssituationen. Wir haben mit Karoline Marks von der Frauenberatungsstelle darüber gesprochen, wie Frauen sich gegen Anfeindungen wehren können und wo sie Hilfe finden.
Es müssen nicht körperliche Angriffe sein, schon unangemessene Kommentare oder eine Hand, wo sie nicht hingehört, können Frauen verletzen und belästigen. Wie können Frauen mit solchen Anfeindungen im Alltag umgehen?
Viele Frauen berichten von der Unsicherheit, ob das, was sie erlebt haben Gewalt ist oder war. Oft ist die individuelle Wahrnehmung unscharf, ungute Gefühle führen (noch) nicht dazu, Grenzüberschreitungen zu erkennen und Grenzen deutlich zu setzen.
Einem Übergriff von (sexualisierter) Gewalt geht sehr oft eine prozesshafte Gewaltspirale voraus. Zunächst erfolgen verbale Abwertungen und Demütigungen, oft verpackt in anzüglichen Bemerkungen, die sich in Ausmaß und Aggressivität häufig steigern und in Formen von physischer Gewalt münden können.
In der Frauenberatungsstelle ermutigen wir Frauen, ihre Individualität und Selbstbestimmung zu leben und angemessenen Respekt bei Grenzüberschreitungen einzufordern. Wenn es zu einer Straftat kommt, unterstützen und begleiten wir die Frauen auch z.B. zur Anzeigenaufnahme bei der Polizei oder zu Ärzten/TherapeutInnen.
„Wichtig ist, dass die Frau ihr ungutes Gefühl klar äußert“
Sexuelle Gewalt erleben Frauen meist in privatem Umfeld. Welche Rolle spielt das Thema bei Frauen, die sich an Sie wenden, im Beruf?
Per Gesetzbuch ist zum Beispiel bei sexueller Belästigung am Arbeitsplatz klar geregelt, was als sexuelle Belästigung gilt: zum Beispiel anzügliche Sprüche, taxierende Blicke und unerwünschte Berührungen. Oft sind Situation aber diffus und kompliziert, etwa wenn zu der Belästigung noch ein Ungleichgewicht in der Hierarchieebene dazu kommt. Zum Beispiel ein Chef, der seine Mitarbeiterin für die guten Leistungen lobt und zum Ende des Gesprächs erwähnt, sie solle doch in Zukunft „öfter diese kurzen Kleider tragen“, die ständen „ihr so gut“.
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Wichtig ist hier, dass die Frau ihr ungutes Gefühl dann nicht verdrängt, sondern klar äußert. Beispielsweise, dass die Bewertung ihres Aussehens nicht Teil der Stellenbeschreibung ist. In vielen Situationen haben Frauen aber Angst, dadurch als „zickig“, „schwierig“ oder „kompliziert“ abgestempelt zu werden. Dabei werden hier ganz klar Regeln des Arbeitsrechtes gebrochen. Das ist einfach ein Unding und kommt – trotz Frauenbewegung – immer noch massiv vor. Der Gesetzgeber sagt, dass der Arbeitgeber den Arbeitsplatz diskriminierungsfrei zu halten hat.
Auch wenn sich die Situation der Frauen in der Gesellschaft kontinuierlich verbessert: Wie erleben Sie die Entwicklung bei sexueller Gewalt?
Seit „MeToo“ trauen sich wesentlich mehr Betroffene, über ihre Erfahrungen zu sprechen. Das heißt aber nicht, dass sich auf der TäterInnen-Ebene viel verändert hätte. Wir beobachten einen zunehmenden Einfluss der Medien, der den Druck zur Konformität und Übernahme von „typischen“ Rollenbildern bestärkt. Die meisten Abbildungen von Menschen in den sozialen Medien sind optisch ansprechend, harmonisch und alle Menschen haben immer gute Laune. Das ist natürlich nicht die Realität, doch viele junge Frauen denken genau das. So entsteht kein gesundes Selbstwertgefühl, sondern allenfalls ein ständiger Vergleich und Abhängigkeit von der Meinung anderer. Das erzeugt ein emotionales Wechselspiel aus Erhöhung und Abwertung. Selbstunsicherheit kann leicht daraus folgen.
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Auch junge Männer verfallen in Geschlechterstereotype, wenn Männlichkeit zum Beispiel immer mit „großer Klappe“ und damit beinhaltetem übergriffigem, oftmals antifeministischem Humor assoziiert wird. Dass damit unter anderem der Weg für sexistische Übergriffe bereitet wird, ist vielen gar nicht klar.
Wo Mülheimer Frauen weitere Hilfe finden
Welche Rolle spielt das Internet bei Fällen von sexueller Belästigung und Gewalt? Wenden sich viele Frauen an Sie, die Aggressivität im Netz aufgrund ihres Geschlechts erleben?
In der Beratungsstelle erleben wir, dass das Internet als Machtinstrument bei Partnerschaftsgewalt dienen kann. Beispielsweise, dass das Smartphone-mit Spionage/Trackingsoftware ausgestattet, von eifersüchtigen Partnern zur Überwachung und Kontrolle der Frauen genutzt wird.
Wo und wie können sich Frauen Hilfe suchen, die sich nicht mehr alleine wehren können?
Grundsätzlich finden wir wichtig, dass Frauen über ihre Rechte Bescheid wissen und sich informieren. Das bieten wir zum Beispiel bei uns in der Beratungsstelle an. Wir sind jeden Tag von 9-12 Uhr unter der Rufnummer: 0208/3056823 erreichbar, Termine am Nachmittag nach Absprache. Im Internet empfehlen wir zum Beispiel die Informationsseite des Bundesverbandes Frauen Beratungsstellen und Frauennotrufe (Bff): www.frauen-gegen-gewalt.de oder auch unsere Webseite: www.hilfe-fuer-frauen-ev.de oder das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ unter der Rufnummer 080000116016 (24 Stunden/sieben Tage in der Woche). Frauen, die häusliche Gewalt erleben, können sich an das Frauenhaus wenden: 0208/997086.