Mülheim. Viele Frauen fürchten die Opferrolle, wenn sie Sexismus kritisieren. Doch wir sollten ihn noch öfter und deutlicher anprangern. Ein Kommentar.

Starke Frauen wollen sich nicht in die Opferrolle begeben. Sie passt nicht zu ihrer Selbstwahrnehmung, nicht zu dem, was sie erreicht haben. Dieser Begriff fällt oft in den Antworten der Mülheimerinnen; er ist Grund, warum sie sich nicht äußern wollen oder eine Erklärung ihrer Schilderungen: Ich habe das erlebt, aber ich bin kein Opfer! Doch warum sollten diese Frauen Opfer sein, wenn sie Missstände benennen und kritisieren?

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Unter der Oberfläche der vermeintlichen Egalität wabert weiter ein machistisches Selbstverständnis der Männer, meist subtil, selten offenkundig. Und eben dieses Unterschwellige ist für Frauen oft schwer zu greifen und noch schwerer im Moment des Geschehens zu thematisieren. Doch darin liegt der Schlüssel: Je öfter Frauen offen benennen, wann sie sich belästigt fühlen, wann ein Kommentar ein deplatzierter ist, desto besser verstehen Männer, wo die Grenzen liegen.

Sexistisch ist, was vom Gegenüber als Sexistisch empfunden wird

„Angemessene Kommunikation ist eine Frage des Respekts.“ Ein Kommentar von Linda Heinrichkeit.
„Angemessene Kommunikation ist eine Frage des Respekts.“ Ein Kommentar von Linda Heinrichkeit. © WAZ

Letztlich ist die Regel doch simpel: Sexistisch ist, was vom Gegenüber als sexistisch empfunden wird. Mag die eine oder andere Bemerkung nicht despektierlich gemeint sein, wenn jemand sie als unangenehm empfindet, war sie unangemessen. Einen ungeschickten Fehltritt darf sich jeder Mann – und auch jede Frau – erlauben: Wer auf die Ablehnung des anderen sofort reagiert, sich selbst reflektiert, hat wenig falschgemacht. Nur sehr plumpe Männer ignorieren klare Signale von Frauen, kontern sie schlimmstenfalls sogar mit einem Satz wie „Sei doch nicht so empfindlich“.

Doch bei all der erforderlichen Sensibilität für die absolute – und nicht nur vorgegebene – Gleichberechtigung der Frauen ist nicht jede Flapsigkeit von Übel, erst Recht nicht, wenn sie nicht mit Machtansprüchen verbunden ist. Kaum jemand wünscht sich ein steriles Umfeld, in dem kein Flirt erlaubt, jeder saloppe Satz degoutant ist.

Angemessene Kommunikation ist eine Frage des Respekts

„Da weiß man gar nicht mehr, was man sagen darf“ – ein Satz, den hilflose Männer gerne Frauen antworten, die Kritik üben an unpassenden Kommentaren. Doch ist die Reflexion, was angemessene Kommunikation ist und was nicht, am Ende keine Frage der Geschlechter, keine Frage der Gleichberechtigung, sie ist keine feministische. Sie ist eine Frage des Respekts und Anstands. Wer meint, sich Frauen gegenüber aufgrund seines Geschlecht profilieren und überordnen zu müssen, ist respektlos.