Oberhausen. Werner Boschmann schickt die Wichtel auf eine satirische Tour de Ruhr. Und Zeichner Benjamin Bäder steckt Kämmerer Apostolos in die Tonne.
Eine Warnung vorweg: „Die Heinzelmännkes“, untertitelt „auf Abenteuer im Ruhrgebiet“, ist kein Kinderbuch – auch wenn die Wichtel auf dem Titelbild ganz und gar knuffig und als rotbemützte Heerschar eine Lore aus dem Stollen schieben. Doch die durchs Bild flatternden Geldscheine und eine Kiste mit der explosiven Aufschrift „TNT“ sollten schon stutzig machen.
Werner Boschmann heißt der Sprengmeister, der hier auf 64 allerliebst gestalteten Seiten in (grob geschätzt) 360 Versen zündelt. Schließlich galt Ähnliches schon für das 185 Jahre alte Original der „Heinzelmännchen zu Köln“ von August Kopisch, einem Allrounder des Biedermeier, der neben der Malerei und satirischen Dichtungen sich auch noch der Entdeckung der „Blauen Grotte“ auf Capri rühmte. Und ins – allerdings eher trübe – Wasser schickt auch der Kopisch-Verehrer und Verleger Werner Boschmann seine ruhrdeutsch umgetauften „Heinzelmännkes“.
Denn die kleinen Helferlein verlassen in einem nachttopfartigen Pott im Rheinstrom das undankbare Köln, lassen das „Kölledouble“ Düsseldorf hinter sich – und nehmen sich ausgiebig Zeit fürs Ruhrgebiet. Denn da ist so einiges einzurenken: vom finanziellen Fiasko bis zum Kappen politischer Seilschaften. Benjamin Bäder schmückt dazu Seite für Seite mit detailreichen Zeichnungen, die herzig-naiv tun, aber auch richtig fies sein können.
In rhythmisch mitreißenden Knittelversen
Das gilt erst recht für Werner Boschmanns gediegenes Wechselspiel aus Prosa und rhythmisch mitreißenden Knittelversen: Denn den allzu provinziellen Mond von Wanne-Eickel lassen die Heinze (Singular: ebenfalls Heinze) rasch hinter sich. In Oberhausen (man beachte das Ortsschild: „ärmste Stadt der Welt“) holen die hilfreichen Kleinkünstler einen Kämmerer namens Apostolos aus seiner Diogenes-artigen Tonne: Sie haben den Haushalt der überschuldeten Stadt über Nacht und im Akkord gelddruckend ausgeglichen.
Spezialist für das Skurrile des Reviers
Gut gebunden und nobel ausstaffiert mit über 50 farbigen Zeichnungen von Benjamin Bäder gibt’s Werner Boschmanns „Die Heinzelmännkes“, 64 Seiten stark, für 9,90 Euro im Buchhandel.Als „regionaler Literaturversorger“ pflegt der Verlag Henselowsky Boschmann das Skurrile des Reviers und kultiviert ein besonderes Faible fürs Oeuvre des Dortmunder Filmemachers Adolf Winkelmann. Die Webpräsenz des Bottroper Verlags heißt denn auch vonneruhr.de.
Wenn die Heinze loslegen, dann legen auch die Verse im eher breitströmend angelegten Heimatdialekt einige Zacken zu: „. . . und printen mit Tinten/ zinken mit Zacken/ hologrammen mit Flammen/ kopieren und schmieren/ moppeln und verdoppeln“. Mit Oberhausen geht der 70-jährige Satiriker noch heiter-milde um.
Schärfer zischt der routiniert Reimende, als es gilt, den Essener Süd-Nord-Dünkel zu demaskieren. Denn dort missverstehen die Heinze zwei Snobs am Baldeneysee, die sich schwer gestört fühlen: „Kuck dat Gesocks von Heiopeis/ wie dat getz den See umkreist.“ Prompt legen die Wichtel den See trocken – damit die Nord-Essener bloß wegbleiben: „Und bisse ein aus Vogelheim/ kommse hier schon gaanich rein.“
Fies, aber es geht noch fieser. Gegen die sozialdemokratische Dauerherrschaft in seiner Heimatstadt Bottrop schüttelt Boschmann seine galligsten Reime aus dem Ärmel: „. . . und sie schrubbten die Korrupten/ schassten die Angepassten/ verrenten die Dezernenten/ verschwarten die Filzokraten“. Im Bild dazu zerhacken die (ausgerechnet) Rotgewandeten einen Herrschersitz wie aus „Game of Thrones“. Dabei war deren überteuerte Mittelalter-Mobiliar-Ausstellung doch eine Attraktion in Oberhausens Centro.
Ein frecher „Ömmes“ krönt den Gasometer
Gemach, denn nach weiteren Abenteuern in Gelsenkirchen und Duisburg sowie einer Hades-Tour bis zur siebten Sohle in Dortmund kehren die Rotkäppchen-Knappen zurück nach Oberhausen. Und verpassen dem Gasometer ein „Ömmes“ genanntes Dach-Monument – noch extravaganter als Markus Lüpertz’ „Herkules“ auf dem Nordstern-Zechenturm. Für diesen besonderen Fingerzeig spendierte der Autor und Verleger seinem Zeichner sogar eine ganze Seite.
Dazu die Stakkato-Silben: „En Bringer, der Finger/ Mit Gestampfe, die Klampfe/Die Kette, wat ne fette.“ Süffig, druckvoll und auch mal derbe daneben – diese spaßigen „Heinzelmännkes“ sind definitiv kein Kinderbuch.