Mülheim. Seemannslieder kommen wieder gut an. „The Wellerman“ stürmt die Charts. Der Shanty-Chor Mülheim hat 100 Songs im Repertoire, er ist 20 Jahre alt.
Das erste Konzert stand unter dem Motto „Eine Seefahrt, die ist lustig“. Es fand 2001 im Wohnstift Raadt statt und entführte die Zuhörer sozusagen an die Küste. Mittlerweile hat der Shanty-Chor Mülheim viele Wellen geschlagen, man kennt ihn nicht nur in der Heimat. Denn er besteht seit 20 Jahren. Über 30 Sänger sind momentan mit an Bord – und die zieht es mehrmals im Jahr auf die Bühne.
Gute Laune schaffen in Pandemie
Wer hätte das gedacht? Ein Shanty stürmt gerade die aktuellen Charts. Mit „The Wellerman“ hat der Schotte Nathan Evans einen echten Hit gelandet. „In Zeiten der sozialen Isolation passt Shanty-Musik einfach gut, denn sie berichtet von den Seeleuten, die oft monatelang fern der Heimat unterwegs waren“, sieht Werner Lindeman, Sprecher des Chors, eine Verbindung zum Corona-Lockdown. Vielleicht sind es aber auch nur die eingängige Melodie und der zünftige Rhythmus des Songs, die den Menschen in bedrückenden Pandemie-Zeiten gute Laune machen.
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Die Mülheimer Shanty-Sänger, die zurzeit von Kirchenmusikerin und Musikpädagogin Stefanie Melisch angeleitet werden, haben ihre Seemannslieder immer schon geliebt – und sie lassen sich auch nicht unterkriegen vom Lockdown. Probten sie zu Beginn der Corona-Krise noch draußen im Freien, so sind sie mittlerweile im virtuellen Raum miteinander aktiv. Akkordeonist Berndt Deckers und Gitarrist und Banjo-Spieler Wilhelm Tenter haben digitale Projekte angestoßen. „Den Sängern wird die jeweilige Liedstimme akustisch als Führungsmelodie bereit gestellt. Sänger und Musiker können ihre eigene Stimme parallel aufnehmen und dann zum Abmischen zur Verfügung stellen“, erläutert Werner Lindeman.
Zehn Stücke sind digital in Arbeit
Schon zehn Stücke sind digital in Arbeit – oder sogar fertig gestellt. Das gesamte Repertoire von „Kormoran“ umfasst etwa 100 Seefahrerlieder, die immer mal wieder angestimmt und geübt werden müssen. Der Chor ist ein reiner Männerchor. „Frauenstimmen passen zu dieser etwas derben maritimen Musik einfach nicht, da halten wir an der alten Tradition fest“, sagt Klaus Jakobi, seit zehn Jahren 1. Baas, das heißt Vorsitzender der Chorgemeinschaft.
Die Sänger gehören zur Marinekameradschaft Mülheim „Kormoran“, dort entstand im Jahre 2000 auch die Idee, einen Shanty-Chor zu gründen. Heinz Helten wurde damit beauftragt, es meldeten sich spontan 16 Leute, die mitmachen wollten. Gastdirigent Engelbert Wilp war der erste Chorleiter, dann übernahm Lothar Gnoth. Aus Auftritten zu Geburtstagen oder Jubiläen wurden irgendwann Konzerte. Stefanie Melisch, die zuvor auch schon den Shanty-Chor der Wasserschutzpolizei Duisburg geleitet hatte, brachte die singenden Mülheimer Marinekameraden noch mal ganz anders in Schwung, sie erarbeiteten sich ein neues musikalisches Profil.
Ukulelen aus Zigarrenkisten gebaut
In 2020 zählte der Mülheimer Shanty-Chor 34 Mitglieder, darunter zwei Akkordeonspieler, drei Gitarristen, vier Mundharmonikaspieler. „Der musikalischen Kreativität sind auch über das Singen hinaus keine Grenzen gesetzt“, berichtet Werner Lindeman. So habe sich beispielsweise Chorsänger Udo Beyer auf den Bau von Ukulelen aus Zigarrenkisten verlegt, und auch Olaf Lapin habe einen Teil seiner Instrumente selbst konstruiert.
Einfach mal reinhören
Wer die Musik das Shanty-Chores kennenlernen möchte, kann einfach mal reinhören. Ein Beispiel für ein erst kürzlich digital aufgenommenes und gemischtes Lied finden Sie hier.Außerdem kann man ein Video von einem Auftritt in Travemünde hier anklicken und anschauen.Auf der Internetseite der Marinekameradschaft findet man Informationen zum Shanty-Chor und eine Repertoireliste: www.mkmuelheim.de/shantychor.htm. Auch dort gibt es Songs zum Reinhören.
Das Jubiläumsjahr hatte der Chor anders geplant. Gemeinsame Proben sind derzeit nicht möglich, Konzerte ebenso wie die schon traditionellen Konzertreisen an Nord- und Ostsee müssen ausfallen. In 2020 realisierte man zumindest Innenhofkonzerte - eins davon in einem Innenhof an der Ruhr-Promenade, über das das WDR-Fernsehen berichtete. Der Erfolg von „The Wellerman“ motiviert die Sänger jetzt jedoch, sie freuen sich darauf, wieder gemeinsam zu üben und aufzutreten – und hoffen, dass auch bei anderen Mülheimern das Interesse geweckt ist, sich bei ihnen zu melden und Shanties mitzusingen.