Mülheim. Chöre werden wegen der Corona-Pandemie vermutlich noch lange nicht wieder üben dürfen. Viele von ihnen haben ihre Proben ins Digitale verlegt.

Immer montags treffen sich die Sängerinnen des Frauenchors Resonance normalerweise mit ihrem Chorleiter Stephan Arnold zur Chorprobe. Anderthalb Stunden wird dann an Tönen, Harmonien und dem Gesamtklang gefeilt. Das geht derzeit nicht. Die Resonance-Sängerinnen halten sich natürlich an die aktuellen Corona-Regeln. Aber so ganz ohne geht es auch nicht...

Mülheimer Frauenchor Resonance kann nicht ohne

"Wir vermissen alle das gemeinsame Singen", sagt Susanne Külpmann, Vorsitzende von Resonance. Deshalb wagten sich die Sängerinnen ans Proben via Skype – den Laptop vor der Nase, die Kopfhörer auf den Ohren und den Notenständer griffbereit.

Chorleiter Stephan Arnold hatte alle Sängerinnen zur Skype-Probe eingeladen. Irgendwie aufregend: „Es ist schon verrückt, wenn man vor seinem Laptop sitzt und darauf wartet, dass die Mitsängerinnen auf dem Bildschirm erscheinen“, so Külpmann. Und sie gibt unumwunden zu, dass es ein bisschen Überwindung kostet, im heimischen Arbeitszimmer oder in der Küche laut zu singen. Aber es sind sich alle einig: „Es ist deutlich besser als nichts!“

Technik sorgt für ungewollten Kanon

Die Sängerinnen machen zum Aufwärmen Dehnübungen und üben einfache Einsingpassagen. Dann wird an den Stücken gefeilt. „Die Sängerinnen machen den eigenen Lautsprecher aus. Denn durch die leichte Zeitverzögerung, die es aufgrund der Technik gibt, klingt es, als würden alle durcheinander singen. Ein ungewollter Kanon ...", sagt Stephan Arnold. Die Frauen müssen während der Skype-Proben viel lachen, haben Spaß. „Natürlich sind die Proben musikalisch lange nicht so effektiv, als wenn wir uns treffen“, sagt Susanne Külpmann. „Aber es tut einfach gut, in diesen merkwürdigen Zeiten."

Shanty-Chor Kormoran lässt sich das Singen nicht nehmen

Auch der Shanty-Chor Kormoran der Marinekameradschaft Mülheim lässt sich das gemeinsame Singen in den schwierigen Zeiten der Pandemie nicht nehmen. Er setzte die Idee zu einem virtuellen Chorprojekt schrittweise um.

Zuerst testeten einige technikversierte Chormitglieder, wie jeder einzelne Sänger sich mit einem Smartphone und einer unterstützenden Musikbegleitung via Kopfhörer selber aufnehmen kann. "Das Synchronisieren und Mischen der einzelnen Ton- und Videoaufnahmen ist nicht einfach, dafür bekamen wir professionelle Unterstützung", erklären sie. Tim Deckers, für Videoprojekte im Schauspielhaus Düsseldorf zuständig, übernahm ehrenamtlich die Erstellung des Videoclips.

Experte hilft beim Erstellen des Videoclips

Immer mehr Chormitglieder konnten für die Idee gewonnen werden. Das Ergebnis ist auf der Homepage der Marinekameradschaft verankert (www.mkmuelheim.de/Repertoire).
Mehrere Lieder können dort als Video angeschaut und angehört werden. Chorleiterin Stefanie Melisch fehlt nicht. "Ihr Dirigat steht symbolisch für die Zeit, als man noch nebeneinander singen durfte."

Charisma studiert online neue Songs ein


Nicht verstummt ist auch der Chor Charisma. "Seit März proben wir über die Plattform Zoom", berichtet Leiterin Susanna Keye. Meist sind rund 40 Sängern dabei. Sie singen daheim vor dem Bildschirm nach, was die Chorchefin vorsingt. Oft wird auch Instrumentalbegleitung mitgeliefert. Nach dem Einsingen gibt es gesangstechnische Übungen, dann werden Lieder aus dem Repertoire wiederholt. Auch neue Songs lassen sich online einstudieren.

Die Sänger hören kann Susanna Keye nicht, sie schaltet auf stumm, denn durch die Zeitverzögerung bei der Übertragung entsteht ein Stimmengewirr. "Der größte Nachteil bei den Online-Proben ist, dass man die Sänger nicht korrigieren kann", sagt sie. Für die einzelnen Stimmen hat sie Co-Chorleiter ausgeguckt, die auf Unterkanälen beispielsweise nur mit dem Sopran üben.

"Das ist alles nicht optimal, aber immerhin können wir üben und das Repertoire lebendig halten", sagt Susanna Keye. Der Chor hofft, dass die für Januar 2021 terminierten Konzerte stattfinden können. "Wie das, was wir jetzt einstudieren, dann wirklich klingt, darauf sind wir gespannt", blickt die Chorleiterin voraus.

Petrikirche: Sänger singen daheim und schmieden Pläne


Jede Menge Chöre und Singruppen gibt es an der Petrikirche und der dazugehörigen Singschule. "Singen ist eine Technik, die man pflegen muss", erklärt Kantor Gijs Burger. Deshalb haben er und sein Team sich Ersatzangebote für die Chorproben ausgedacht. Youtube-Videos zum Mitsingen für die kleinen Sänger beispielsweise oder den virtuellen Chor - die Sänger bekommen Vorlagen zugeschickt, können Stücke einüben und sich dann mit dem Handy selber aufnehmen beim Singen. Die einzelnen Stimmen werden später zusammengefügt. "Es gibt uns das gute Gefühl, gemeinsam an einem Projekt zu arbeiten", so Burger.

Mitsingen können alle Sänger zudem bei den Online-Gottesdiensten aus der Petrikirche. "Da sind auch anspruchsvolle Stücke dabei", sagt Gijs Burger. Zoom- und Skype-Konferenzen gibt es auch. "Da schmieden wir gemeinsam Pläne und pflegen die Gemeinschaft." Denn: Die Chor-Treffen fehlen vielen Hobby-Sängern. Ebenso wie die entspannende Wirkung des Singens. Denn: "Singen löst", sagt der Kantor.

EINZELN STATT IM CHOR

Nicht alle Mülheimer Chöre und Singschulen können wir an dieser Stelle nennen. Auch andere machen online-Angebote für ihre Sänger.

Die Chöre werden zu den letzten gehören, die - wenn die Pandemie eingedämmt ist - ihr Hobby wieder aufnehmen dürfen.

Manche Chorleiter - etwa Petra Stahringer von den Musischen Werkstätten am Evangelischen Krankenhaus - ziehen in Erwägung, für die Chorsänger erstmal Einzelunterricht oder Singen im Duett anzubieten.