Gelsenkirchen. Die MiR Dance-Compagnie zeigte den Doppelabend „Lead me“ und „Notre Dame de Paris“. Wer ihn sehen will: Es gibt nur noch drei Termine.
Ein feines, intimes Kammerspiel im ersten Teil, opulentes, bildgewaltiges und aufregendes Tanztheater im zweiten: Mit der Premiere der Choreographie „Lead me“ und der Wiederaufnahme der Produktion „Notre Dame de Paris“ gelang der MiR Dance Company am Freitagabend im Großen Haus des Musiktheaters ein runder, ein großer Abend, den das Publikum mit Jubel quittierte.
Schon im Juni setzte sich die Compagnie mit „Notre Dame“ beeindruckend auf die Spuren von Victor Hugos berühmtem Roman „Der Glöckner von Notre Dame“ rund um den buckligen Quasimodo. Bei der Wiederaufnahme der Erfolgsproduktion stellt Tanzdirektor Giuseppe Spota diesem collageartigen Handlungsballett ein abstrakteres, schwerer zugängliches, sehenswertes Solo voran.
Musiktheater hinterfragt die Rolle des Einzelnen in der Gesellschaft
Fragen um Diversität, um das Anders-, das Fremdsein sind Themen, mit denen sich das Musiktheater in der laufenden Saison schwerpunktmäßig auseinandersetzt. Quasimodo verkörpert sinnbildhaft die Rolle des Außenseiters. Auch im von Fabio Liberti choreographierten Solo „Lead me“ (Führe mich) geht es um den Einzelnen und seinen Platz in der Gesellschaft, um Anpassung und Widerspruch.
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Auf dunkler Bühne taucht eine merkwürdige, kopflose, skulpturale Gestalt auf, wie ein Rucksack auf zwei Beinen. Die Figur, die Tänzer Alessio Monforte eindringlich und kraftvoll verkörpert, scheint zu erwachen, sie streift langsam den Rucksack ab, Kopf und Arme recken sich aus einem dunklen Pullover hervor. Die Bühne, für die ebenfalls Fabio Liberti verantwortlich zeichnet, zeigt einen kalten, kahlen Raum mit einer drehbaren Spiegelwand im Hintergrund, die mal den Tänzer doppelt, mal, und das wirkt besonders faszinierend, die Bühnentechnik widerspiegelt.
Was passiert, wenn der Mensch sich zu häuten beginnt
Der Tänzer beginnt in abgezirkelten Bahnen zu laufen, mit rhythmischen Armbewegungen, wie gefangen in einem starren System. Nach und nach befreit er sich daraus, in dem er Kleidungsstück für Kleidungsstück abstreift und an einer Leine wie einen Rattenschwanz hinter sich her zieht. Mit jeder Häutung kommt mehr Farbe ins Spiel, Hosen und Leibchen werden bunter, schriller, clownesker, individueller vor allem. Am Ende steht der Mann (fast) nackt und vielleicht befreit da und bewegt sich animalisch auf allen vieren wie eine Kreatur.
Den elektronisch-magischen Sound zu beiden Tanzkreationen schuf das Duo Atmo um den Tänzer Simone Donati und seinen Bruder Giulio.
Weitere Vorstellungen: 20. und 28. November, 10. Dezember. Karten und Infos: 0209 4097200 oder www.musiktheater-im-revier.de.