Oberhausen. Die engen Verbindungen in die Oberhausener Partnerstadt Saporishja retteten Leben. Auch das von Ukrainerin Larissa Kaplunova und ihrer Familie.

„Freunde erkennst du in der Not“, sagt Larissa Kaplunova. Die 58-Jährige und ihre Familie sind in Sicherheit. Sie wohnen jetzt in Oberhausen. Die Pädagogin sorgt heute im Auftrag des NRW-Schulministeriums dafür, dass ukrainische Kinder ihren Schuleinstieg im Land so leicht wie möglich meistern. Vor dem Einmarsch der russischen Armee lebte sie in Oberhausens ukrainischer Partnerstadt Saporishja. 30 Jahre lang hatte sie dort dabei geholfen, die Kontakte zwischen den Städten auszubauen. Nie hätte sie gedacht, dass dieses Engagement ihr und ihrer Familie eines Tages das Leben retten würde.

Larissa Kaplunova ist in Saporishja geboren und aufgewachsen. Sie besuchte das Gymnasium Nummer 46 mit vertieftem Deutsch-Unterricht und entwickelte schnell eine Liebe zu dieser für sie so fremden Sprache und Literatur. Deutsch bildete dann auch ihren Schwerpunkt während des Studiums an der Universität in ihrer Heimatstadt. Weil sie sich an ihrer alten Schule immer so wohl gefühlt hatte, kehrte sie nach dem Abschluss als Lehrerin zurück. Als Russland die Ukraine überfiel, war sie bereits stellvertretende Direktorin – und dachte an alles, aber nicht an eine Flucht. „Ich wollte für unsere Schüler da bleiben.“

Beim Schüleraustausch zum ersten Mal in Oberhausen

Jahre zuvor war Larissa Kaplunova als Lehrerin dabei gewesen, als der erste Schüleraustausch mit dem Bertha-von-Suttner-Gymnasium stattgefunden hatte. Die Teilnahme der Schülerinnen und Schüler aus Saporishja an der Oberhausener Jugendbegegnung Multi (die in diesem Jahr auf eine 30-jährige Geschichte zurückblicken kann) blieb ihr eine Herzensangelegenheit. „Denn das war für mich wie eine Offenbarung“, erzählt sie rückblickend. Sie reiste selbst häufig mit, lernte andere Kulturen und Denkweisen kennen und sorgte dafür, dass möglichst viele Jugendliche ihrer Heimatstadt das Gleiche erleben durften. „Mir hat das minus zehn Jahre eingebracht“, sagt sie lachend und denkt dabei vor allem an die Discobesuche mit den Teenagern in Oberhausen.

Lesen Sie auch:

Im Laufe der Zeit entstanden viele Freundschaften, auch zu Wolfgang Heitzer, der sich nicht nur bei der Multi, sondern auch bei „Oberhausen hilft“ engagiert. Selbstverständlich übersetzte Larissa Kaplunova, als „Oberhausen hilft“ 2011 in Saporishja das erste Waisenhaus renovierte. Viele weitere Hilfsprojekte kamen dazu. „Larissa blieb unsere Brücke in die Ukraine“, sagt Heitzer dazu heute dankbar.

Nach den Kämpfen am Atomkraftwerk packte die Familie ihre Koffer

Die Verbindungen in die Partnerstadt wurden immer enger und so ist es kein Wunder, dass unzählige Oberhausener Familien, die viele Lehrerinnen und Lehrer und Schülerinnen und Schüler aus dem Jugendaustausch bestens kannten, sofort nach Kriegsbeginn anriefen. „Kommt zu uns, bringt euch in Sicherheit!“ Wie oft hörte auch Larissa Kaplunova diesen Satz.

Der Unterricht in Saporishja war gleich zu Kriegsbeginn im Februar 2022 vier Wochen lang ausgefallen, wurde anschließend online fortgesetzt. Ihr heiß geliebter Alltag bröckelte längst. Die Sorge um ihre Familie wuchs. „Da waren ja auch noch mein kranker Sohn, meine Schwiegertochter und die beiden Enkel, zwei und elf Jahre alt.“ Im März 2022 kam es am Atomkraftwerk, dem größten Europas, zu einem Artilleriegefecht zwischen russischen und ukrainischen Armee-Einheiten. „Damit war für uns das Maß endgültig voll“, sagt Larissa Kaplunova. Die Familie packte ihre Koffer und hatte das Glück, sich in Oberhausen in ein tragfähiges Netzwerk fallenlassen zu können.

Drei Wochen wohnten sie in Oberhausen bei Freunden. Inzwischen leben sie – dank der Unterstützung der Stadt – in einer eigenen kleinen Wohnung. Zwei Kolleginnen und ein Kollege, etliche Jugendliche und ihre Mütter oder Großeltern haben ebenfalls in Oberhausen eine Zuflucht gefunden. Larissa Kaplunova wollte sich eigentlich aus Dankbarkeit in der Gesamtschule engagieren, die ihre elfjährige Enkelin jetzt besucht. „Sie geht sehr gerne dorthin.“ Doch dann erhielt sie dieses Angebot aus dem NRW-Schulministerium, das dringend ukrainische Fachkräfte sucht, um einen möglichst reibungslosen Schuleinstieg für die Flüchtlingskinder zu organisieren. Die 58-Jährige sagte sofort zu. „Ich will unbedingt etwas zurückgeben.“

Der vierte Hilfstransport für die Ukraine ist gepackt: (v.l.) Feuerwehrchef Jürgen Jendrian, Heiko Undank, Christian Wolf (Abteilungsleiter Technik Feuerwehr), die ehrenamtliche Dolmetscherin Larissa Kaplunova, Fahrer Alexander Savluk und Organisator Wolfgang Heitzer von „Oberhausen hilft“.
Der vierte Hilfstransport für die Ukraine ist gepackt: (v.l.) Feuerwehrchef Jürgen Jendrian, Heiko Undank, Christian Wolf (Abteilungsleiter Technik Feuerwehr), die ehrenamtliche Dolmetscherin Larissa Kaplunova, Fahrer Alexander Savluk und Organisator Wolfgang Heitzer von „Oberhausen hilft“. © Unbekannt | Oberhausen hilft

Auch an „Oberhausen hilft“. Natürlich dolmetschte sie für den Verein, als es nun darum ging, den vierten Hilfstransport der Oberhausener auf den Weg in die Ukraine zu schicken. Noch kurz vor dem Start war die Abfahrt durch erneute Raketenangriffe auf Saporishja zwar erst abgesagt worden. Aber der Kooperationspartner aus Köln, der deutsch-ukrainische Verein Blau-Gelbes Kreuz, machte es irgendwie noch möglich, dass der Lkw pünktlich zum Beladen bereitstand. Feuerwehrleute aus Oberhausen konnten die 34 von freiwilligen Helfern gut verpackten Paletten aufladen – und schon ging es los. Inzwischen ist der Lkw gut in Saporishja angekommen.

Helferinnen und Helfer gesucht

Aktuell laufen die Vorbereitungen für den fünften Transport von „Oberhausen hilft“. Spendengüter sind noch reichlich vorhanden. Aber Oberhausenerinnen und Oberhausener, die beim Packen helfen möchten, dürfen gerne vorbei kommen.Los geht es am Mittwoch, 22. Juni, ab 18 Uhr an der großen Halle bei der Hauptwache der Feuerwehr Oberhausen an der Brücktorstraße 30.