Oberhausen. Alkohol, Cannabis, Kokain: Drogenkonsum schädigt Bürger in der Mitte der Gesellschaft. In Oberhausen soll nun ein neues Beratungsangebot helfen.
Die Stadt Oberhausen und das Ameos Klinikum St. Josef bieten ab sofort eine offene Suchtsprechstunde an der Mülheimer Straße 83 an. Damit eröffnete eine wichtige Anlaufstelle genau dort, wo sie niemand übersehen kann: in der Mitte der Stadt. An gleicher Stelle sollen eine neue Station zur Entgiftung illegaler Drogen, die Einbindung von Selbsthilfegruppen und eine ambulante Reha-Möglichkeit das Angebot schrittweise ergänzen. Denn Alkoholismus, Medikamentenmissbrauch und illegale Drogen sind längst ein Massenphänomen geworden.
Irgendwann landen die Betroffenen dann vielleicht bei Dr. Martin Heilmann. Der Chefarzt der Klinik für Psychiatrie im Ameos Klinikum St. Josef Oberhausen kennt viele dieser Geschichten. Da ist der Gymnasiast, der sich nach mehr Anerkennung sehnt. Nach dem ersten Bier auf der Party wird er lockerer, das kommt bei den Freunden an. Aus einem Glas werden stetig mehr. Was ist schon dabei? „Wir waren doch auch mal jung“, beruhigen sich seine Eltern. Er macht eine Ausbildung, geht arbeiten, heiratet. Doch dann bricht das Kartenhaus zusammen – und die Depression wird so groß, dass der junge Erwachsene in der Psychiatrie landet.
Eltern und Lehrer schauen allzu oft weg und verharmlosen das Verhalten
„Alkoholiker sehen wir erst, wenn es eigentlich schon zu spät ist“, sagt Christian Sauter, Fachbereichsleiter des Kompetenzzentrums Suchtberatung der Stadt Oberhausen. Bis dahin haben viele weggeguckt: die Eltern, die Lehrer, die Freunde. Was Heilmann und Sauter beunruhigt: „Jugendliche fangen immer früher an zu trinken, oft schon ab zwölf Jahren, und es werden immer mehr – nicht nur in Oberhausen.“ Die beliebteste Einstiegsdroge von Zwölfjährigen? „Cannabis“, weiß Heilmann, der an einer Studie der Uniklinik Essen mitwirkte.
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Die einen wollen mal „so richtig abfeiern“, die anderen nehmen Aufputschmittel, weil sie die vielen Überstunden im Job nicht mehr aushalten. Bei vielen läuft vieles lange rund, bis gar nichts mehr geht. Oft mixen sich die Betroffenen einen unheilvollen Cocktail aus Alkohol, Tabletten, Cannabis, manchmal auch Heroin und Kokain.
So wie die Schülerin, die beim Tanzen im Club ein, zwei Gläser trinkt. Im letzten Glas landen K.-o.-Tropfen, sie wird vergewaltigt, leidet an einer posttraumatischen Belastungsstörung. Doch davon weiß sie noch nichts. Sie kann sich nicht erinnern. Aber ihr geht es nicht gut. Wenn sie etwas trinkt, ist es nicht ganz so schlimm. Drogen kommen dazu. Erst Haschisch, dann Ecstasy, später Beruhigungsmittel. Erst Jahre später, in der Psychiatrie, kommt das eigentliche Problem ans Licht.
Corona-Pandemie schnitt Betroffene von Hilfsmaßnahmen ab
2020 lag die Zahl der Drogentoten in Deutschland um 13 Prozent höher als im Vorjahr. Die Corona- Pandemie hatte viele Suchtkranke von Hilfen abgeschnitten. „Umso wichtiger ist es, mehr Angebote zu schaffen. Deshalb richten wir mit dem Kompetenzzentrum Suchtberatung der Stadt eine Sprechstunde für Betroffene ein“, erläutert Heilmann. Die ist für alle Ratsuchenden offen, ist kostenlos und anonym. „Wir bieten aber ebenso eine Beratung für Menschen in einer Substitutionsbehandlung an.“ Die Sprechstunde richte sich damit auch an Patienten der Klinik sowie des Substitutionszentrums unter der Leitung von Dr. Robert Nagels.
Die Beratung ist kostenlos und anonym
Das kostenlose und anonyme Beratungsangebot findet jeden zweiten Montag von 9-11 Uhr im Ameos Klinikum St. Josef an der Mülheimer Str. 83 statt. Nächster Termin: 22. November.Eine vorherige Anmeldung ist nicht erforderlich. Es gilt die3 G-Regel (geimpft, genesen, getestet). Das Büro befindet sich in der Nähe des Haupteingangs, einfach beim Pförtner fragen.
Ein weiteres Anliegen der Beratungsstelle ist die Prävention. Durch frühe Informationen möchten die Experten auf die Gefahren von Drogenkonsum aufmerksam machen. „Damit Eltern und Lehrer so früh wie möglich hinschauen“, sagt Sauter. Die Fachleute bieten dabei Unterstützung an: Von der Beratung über Kriseninterventionen bis hin zu Therapien und Vermittlung in Selbsthilfegruppen.
Bis Ende 2022 will Ameos im St. Josef auch eine Station für etwa 20 Patienten zur Entgiftung illegaler Drogen einrichten. „Bislang müssen wir diese Suchtkranken noch an Häuser in Duisburg und Essen verweisen“, sagt Manuel Bäuerle, stellv. Krankenhausdirektor des Ameos Klinikums St. Josef.
Auch an einer ambulanten Drogen-Reha wird bereits gefeilt. Ab Januar 2022 soll es losgehen. „Das Interesse ist groß, am städtischen Kompetenzzentrum Suchtberatung an der Dorstener Str. 52 richten wir dafür zurzeit eine erste Orientierungsgruppe für bis zu acht Klienten ein“, berichtet Sauter. Weitere Info dazu: Tel. 0208 409205-0 oder per Mail unter suchtberatung@oberhausen.de.