Oberhausen. Linda Kastrup von „Fridays for Future“ ist Organisatorin des Klimacamps im Sterkrader Wald – und muss viel Hass ertragen. Wie sie damit umgeht.
„Arbeitsscheues Volk“ und „Schönwetter-Klimaretter“, die „lieber Bäume umarmen und nicht rumnerven sollen“ oder sicher nur wegen eines „schlechtem Handy-Empfangs“ das Klima-Camp abbrechen, um wieder „schnell nach Hause zu gehen, wo es schön warm ist“: Es sind noch die nettesten unter den beleidigenden Kommentaren, die nach dem vorzeitigen Aus des Klimacamps am Sterkrader Wald massenhaft auf Facebook verbreitet wurden. Wie geht man als junge Aktivistin mit so viel Spott und Häme um?
„Gerade in diesen Mengen ignoriere ich es eher, anstatt mich damit auseinanderzusetzen“, sagt Linda Kastrup – 22 Jahre alt, aktiv bei „Fridays for Future“ (FFF) und Co-Sprecherin des Klima-Camps. Wenn ein Kommentar nur den Anstrich von Konstruktivität hätte, sei das zwar schon ein Grund, sich diesem argumentativ zu stellen. „Wenn etwas aber nur verletzend gemeint ist, versuche ich da direkt Distanz von zu nehmen.“
Mit Kommentaren auseinandersetzen? Klima-Aktivistin: „Es würde mich auffressen“
Trotzdem: Bleiben sie nicht hängen, die vielen Beleidigungen? „Es würde mich auffressen, wenn ich mich zu sehr damit beschäftigen würde“, sagt die Studentin der Erziehungswissenschaften. „Ich stecke die Energie aber lieber in den Aktivismus.“ Bei anderen im FFF-Team sei das durchaus anders, manch einer leide unter den Hass-Botschaften im Netz. „Wir versuchen ihnen dann klar zu machen: Das wollen die Menschen, die da kommentieren, auch nur erreichen. Sie wollen dich verletzen, um Austausch geht es denen nicht.“
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Dass junge Aktivistinnen viel Hass im Internet ertragen müssen, zeigt sich nicht zuletzt auch bei Luisa Neubauer, Deutschlands bekanntestes Gesicht von „Fridays for Future“. „Sobald ich irgendwas auf Twitter oder Instagram poste, kommen nach wenigen Minuten die Hasskommentare“, sagte sie in einem „Spiegel“-Interview. Vor allem sexualisierter Hass bis hin zu Vergewaltigungsfantasien spielten dabei eine Rolle. Die prominente Klima-Aktivistin ist allerdings ebenso bekannt dafür, gerichtlich gegen sogenannte „Hatespeech“ vorzugehen und Online-Beleidigungen zur Anzeige zu bringen.
Linda Kastrup hat noch keinen Facebook-Nutzer angezeigt, wie sie erzählt. Sie mache eher Gebrauch davon, die Kommentare aufgrund von Verstößen gegen die Richtlinien der sozialen Netzwerke zu melden oder zu verbergen.
Sorge, dass der Hass im Netz zu Gewalt im echten Leben wird
Oft sind die Kommentatoren Männer mittleren Alters. Nicht selten posieren Sie mit Kampfhund, aufgemotztem Pkw oder Deutschlandflagge auf ihren Profilbildern. Für sie sind die jungen FFF-Aktivisten offenbar ein Feindbild. Naheliegend wäre, würde sich das Bild des Ü40-Tuning-Fans da auch bei Linda Kastrup als Feindbild einstellen. Sie sagt aber: „Ich kann ja verstehen, dass viele unsere Forderungen klingen, als müssten diese Menschen viel an ihrem eigenen Leben ändern – was natürlich für Widerstand sorgt. Aber wir wollen ja viel mehr von der Politik als von jedem Einzelnen. Unsere Forderungen richten sich an die Entscheidungsträger!“
Camp sollte unbegrenzt bleiben
Das zweite Klimacamp für den vollständigen Erhalt des Sterkrader Waldes („Sterki bleibt“) am Jugendzentrum Emscherdamm an der Flugstraße 1 in Holten sollte eigentlich „zeitlich unbegrenzt“ bleiben. Nun wollen die Klimaschützer aber mehr Energie in „einzelne Aktionen und Aktionswochenenden“ investieren.Das Ziel der Aktivistinnen und Aktivisten: Sie wollen die Erweiterung der Autobahn A3 mit der notwendigen Fällung von 5000 Sterkrader Bäumen verhindern. Infos zu weiteren Aktionen gibt es vor allem auf Instagram unter www.instagram.com/klimacampsterki/
Dennoch geht bei Linda Kastrup auch die ständige Sorge um, dass sich der Hass im Netz irgendwann in physische Gewalt verwandeln könnte. „Es gibt 24 Stunden am Tag die Panik, dass das passieren könnte", sagt sie. Im Camp habe es deshalb durchgehend Nachtwachen gegeben. Passiert sei bislang jedoch glücklicherweise noch nichts. [Lesen Sie auch:Oberhausen: Klima-Camper spazieren durch den Stekrader Wald]
Aktivisten planen nach Camp-Aus weitere Aktionen
Irritiert habe die 22-jährige Duisburgerin jedoch, als ein Mann „etwas verloren“ vor den Transparenten am Camp stand und sie ihn fragte, ob sie ihm helfen könne. „Dann hat er mich ganz kritisch gemustert und sagte: Du kannst mir sicher nicht helfen!“ Kastrup glaubt: Wäre sie eine männliche Person gewesen, wäre das so nicht passiert. Als junge Frau werde man nicht immer ernst genommen. Dies zeige sich auch auf sozialen Medien wie Instagram: „Als Frau erhält man da oft Kommentare mit sexuellen Anspielungen. Das ist bei Männern natürlich anders.“
Trotz all dieser negativen Erfahrungen gehe sie trotzdem gestärkt aus den Aktionen vor dem Sterkrader Wald hervor, sagt Linda Kastrup. „Man merkt, wie viel man auf die Beine stellen kann.“ Das Camp ist inzwischen zwar abgebaut, aber es soll mit Aktionen weitergehen. Am Samstag (7. August) ist eine Fahrradtour um 14 Uhr am Sterkrader Bahnhof geplant, ab 16 Uhr soll es Snacks und Getränke am Emscherdamm geben. Am darauffolgenden Sonntag ist um 15 Uhr ein Plenum am Emscherdamm vorgesehen. Geplant ist es, Banner zu malen und neue Ideen zu sammeln, wie der Sterkrader Wald vor der Abholzung gerettet werden kann. [Lesen Sie auch: Sorge um Pflege bei Deutschen größer als vor dem Klimawandel]