Mülheim. In Mülheim-Heimaterde gab es keinen Martinszug, aber einen Familienspaziergang. Wie der stimmungsvolle Lichter-Abend Groß und Klein begeisterte.
Welch schöner Moment, als zu Beginn der Andacht in der Erlöserkirche Pfarrerin Anja Strehlau die Kinder bat, ihre Laternen ganz, ganz hochzuhalten. Aus der Menge der weit verteilt sitzenden rund 150 Anwesenden streckten und reckten sich die erleuchteten, meist selbst gebastelten Gebilde. Bunte Einhörner, weiß-gruselige Gespenster mit lang nach unten reichenden Kleiderfetzen, orange und grün-rote Kugeln. Ein herrliches Bild, das sich von der stimmungsvoll abgedunkelten Kirche auf der Heimaterde abhob und den sich langsam herabsenkenden Abend prägte.
Vor der Kirche am Sunderplatz warteten vereinzelte kleine Gruppen, meist Väter, mit den ganz kleinen Kindern, dass der in Heimaterde nun zum zweiten Mal stattfindende „Familienspaziergang mit Laterne“ losging. Selbst die kleinsten Kinder in den Buggys hielten tapfer ihre Laterne fest, auch wenn der lange Stock auf Dauer zu schwer wurde, sich bedenklich den Buggyreifen zuneigte. Hier und da landete eine vorsorglich in Plastik eingepackte Laterne auch in einer Pfütze, dank der elektrischen Lichter kein Problem. Ein elterlicher Rat war allerdings ständig zu hören: „Du musst die Laterne höher halten!“
Jede Familie geht ihren eigenen Weg durch den Mülheimer Stadtteil
Kolpingsfamilie, evangelische Kirchengemeinde und Siedlervereinigung auf der Heimaterde hatten die Initiative ergriffen, den Kindern und ihren Familien trotz des abgesagten Martinszugs ein bleibendes Erlebnis zu bescheren. Sie konnten auf die Erfahrungen des vergangenen Jahres aufbauen, verfeinerten aber den sogenannten Familienspaziergang auf eindrucksvolle Weise. So war es den Veranstaltern wichtig, dass die Geschichte vom Soldaten Martin, der seinen Mantel in bitterster Kälte mit einem Bettler teilte und später Bischof wurde, präsent blieb, auch ohne anwesenden St. Martin. Bewusst waren zwei Andachten im Abstand von einer Stunde angesetzt, so konnten die erwarteten, erhofften und wirklich eintreffenden Menschenmassen gut entzerrt werden. Der Bitte, keine größeren Gruppen zu bilden, sondern als Familie zu gehen und sich in der Siedlung zu verteilen, kamen alle nach.
Anwohnerparken- Drohen auch in Mülheim saftige Gebühren?Und so schlenderten die Familien mal hierhin, mal dorthin, von einem festlich erleuchteten Haus zum nächsten, überall in der Siedlung. An manchen Stellen verharrten die Laternenkinder, insbesondere dort, wo die Anwohner großzügig Süßigkeiten vor ihren Häusern bereitgestellt hatten. Der nassen Kälte wegen in abgedeckten Schüsseln verborgen, aber den findigen Kindern gelang es schnell, an das Begehrte zu gelangen.
Die Mülheimer Siedlung war festlich erleuchtet. Eine sehr schöne Atmosphäre
Das individuell gestaltete Spazierengehen zeitigte großartige Ergebnisse. So vermischten sich gegen 17.30 Uhr die Besucher der zweiten Andacht mit den bereits nach Hause strebenden Familien. Lautstark informierten sich Kinder über die Straße hinweg, wo es was besonders Gutes zu naschen gebe. „Da vorn gibt’s was, aber da musst du erst singen!“ Überhaupt waren ab und an die beliebten Martinslieder von zarten Stimmchen zu vernehmen: „Laterne, Laterne“ oder auch „Ich geh‘ mit meiner Laterne“.
Während die Laternenlichter nach links und rechts schwenkten, strebten sie doch zielorientiert zwei besonders wichtige Orte an. Der Bertha-Krupp-Platz war einer davon, dort gab es nämlich den begehrten Puhmann, der in Mülheim traditionell zu St. Martin gehört. Das andere Ziel der Laternenlichter war die katholische Kirche St. Theresia, deren Eingang mit einer lange Lichterkette weithin sichtbar war.
Buntes Lichtermeer im Kirchenraum von St. Theresia
Kein Kind ging leer aus
Sowohl in der evangelischen Erlöserkirche als auch an der katholischen Kirche St. Theresia wurden Spenden für das „Friedensdorf International“ in Oberhausen gesammelt, das Geld kommt also Kindern zugute.Rund 200 Lichtergläser beleuchteten letztlich den Altarraum in St. Theresia. Von den 400 Martinstüten waren nur knapp 30 übrig geblieben. Dieses Jahr ging kein Kind leer aus.
Hier lebte die Idee der Martinsgeschichte über das Teilen, das Geben und Nehmen greifbar auf. Zahlreiche Kinder stellten mit buntem Transparentpapier beklebte Gläser mit Teelicht in der Kirche vor dem Altar ab und erhielten beim Hinausgehen eine reichlich mit Süßem und Nüssen gefüllte Martinstüte, dazu noch ein Büchlein mit der St. Martin-Geschichte und Liedern zum Vorlesen und Singen. Im Verlauf des Abends wuchsen sich die Kindergaben zu einem beeindruckenden Lichtermeer in der Kirche aus, das am nächsten Tag zur Sonntagsmesse die Gemeinde mit einbeziehen und erfreuen würde.
Christiane Pöhlmann von der Kolpingsfamilie war sehr zufrieden. „Ein sehr schönes Signal.“ Alles hatte gut geklappt, es hatte nicht geregnet, alle waren glücklich. Denn eines war allerorten in Heimaterde zu vernehmen, von Groß und Klein: „Das war einfach wunderschön!“