Oberhausen. Ob Porno-Sucht oder fehlendes Teamwork: Paare konnten im Lockdown schlecht von Problemen wegrennen. Manch eine Beziehung wurde so sogar gestärkt.
Während man zu Beginn der Pandemie noch glaubte, den Lockdown würden viele Paare mit Romantik und Familienplanung füllen, zeigen die Geburtenstatistiken inzwischen ernüchternd: Einen Corona-Babyboom hat es bislang nicht gegeben. Schließlich waren die vergangenen Monate auch für viele Paare eine herausfordernde Zeit, in der ihnen als Ausgleich oft nicht viel blieb, als jeden Abend auf der Couch zu verbringen. Trotzdem machen die Ergebnisse unseres Corona-Checks deutlich, dass Partnerschaften unter den Krisenmonaten nicht groß gelitten haben, die Beziehung zum Lebensgefährten hat sich in Oberhausen im Durchschnitt weder auffällig verbessert noch verschlechtert.
Bei der Beratungsstelle von Pro Familia Oberhausen hätte man eher eine Verschlechterung erwartet. „Die Nachfragen bei uns sind gestiegen“, sagt Andreas Müller, Sexualpädagoge und Leiter des Beratungsteams. „Dadurch, dass Paare mehr zusammensitzen, kommen auch mehr Probleme ans Tageslicht.“ Ein Streitpunkt, den Müller häufiger beobachtet, ist die Sucht nach pornografischen Inhalten: Während ein Betroffener vor der Corona-Isolation genug Möglichkeiten hatte, sich Pornos auf dem Handy oder PC anzusehen oder in Sex-Chats Befriedigung zu suchen, sei es durch die ständige Anwesenheit des Partners nun wesentlich schwieriger, dies im Verborgenen zu tun. [Lesen Sie auch:Vergewaltigung durch Kinder: Welchen Einfluss haben Pornos?]
Beratung für Verhütung hat in Oberhausen zugenommen
Auch Ausreden ließen sich in der Corona-Zeit schlechter finden. Eine Freundin besuchen? Einem Hobby nachgehen? Da viele Aktivitäten nur bedingt möglich waren, hätten Paare schlechter vor ihren Problemen weglaufen können – ob Porno-Sucht, Lustlosigkeit oder Störungen in der sexuellen Kommunikation. „Aber wenn man dann bei uns landet, hat man natürlich schon einen wichtigen Schritt getan“, betont Müller.
Wo es Hilfe gibt
Die Erziehungs-, Partnerschafts- und Lebensberatung der evangelischen Beratungsstelle an der Grenzstraße 73c erreicht man unter 0208/850087 oder evangelische.beratungsstelle@kirche-oberhausen.com. Die Sexualberatung von Pro Familia ist unter 0208/867771 erreichbar und bietet etwa Hilfe bei sexueller Lustlosigkeit, Orgasmusstörungen oder vorzeitigem Samenerguss. Hilfe bei festgefahrenen Situationen in Partnerschaft, Ehe oder Familie, bei Trennung oder Scheidung sowie bei sexuellen Problemen gibt es auch bei der Ehe-, Familien- und Lebensberatung der Caritas Oberhausen: 0208/3000890.
Auch zugenommen haben die Verhütungsmittelberatungen. Die Stadt Oberhausen ermöglicht Frauen mit geringem Einkommen eine Kostenübernahme von Verhütungsmitteln, Pro Familia vermittelt diese Gelder dann. „Das wird sehr stark nachgefragt“, sagt Müller, der dies auch als ein Zeichen dafür wertet, dass das Sexualleben in manchen Partnerschaften durchaus intensiver geworden ist. Grundsätzlich ließe sich festhalten: „Wo es vorher gut lief, wurde auch das Sexleben in der Pandemie noch mal intensiver. Wo es vorher nicht gut lief, hat Corona die Situation weiter verschlechtert.“ [Lesen Sie auch: Oberhausen: Wie geht’s den Menschen nach einem Jahr Corona?]
Paare mussten sich in der Corona-Zeit besser absprechen
Wenn es weniger um sexuelle Problematiken, sondern um Familien- und Konfliktberatung geht, ist die evangelische Beratungsstelle an der Grenzstraße die richtige Adresse in Oberhausen. Auch hier sind die Anmeldezahlen in der Corona-Zeit nicht zurückgegangen. Allerdings beobachtet Dr. Gereon Heindrichs, der Leiter der Beratungsstelle, durchaus, dass sich manche Partner in den vergangenen Monaten mehr als Team begreifen konnten.
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Die Kinderbetreuung und den Job gut zu meistern und gleichzeitig das Essen pünktlich auf den Tisch zu bekommen, habe den Partnern abverlangt, sich bestens koordinieren zu müssen. „Man musste sich neu organisieren und strukturieren und an die schwierigen Verhältnisse anpassen. Wo das gemeinsam geglückt ist, hat das die Partnerschaft gestärkt“, sagt Heindrichs.
Beziehungen in der Pandemie: „Manche Paare haben aus der Not eine Tugend gemacht“
„Wenn man sich ständig absprechen muss, trainiert man Ressourcen, die wichtig sind für die Gestaltung einer Beziehung.“ Manche Paare hätten so aus der Not eine Tugend gemacht. Natürlich seien manche Paare auf der anderen Seite von der Situation überfordert gewesen. „Was in einer Beziehung zu einem größeren Miteinander geführt hat, hat anderswo zu mehr Konflikten geführt“, sagt der Erziehungsberater.
Dass durch Corona insgesamt mehr oder weniger gestritten wurde, hat Heindrichs jedoch nicht erlebt. Lediglich die Streitpunkte hätten sich etwas verändert. „Eifersucht oder Außenbeziehungen sind natürlich seltener ein Thema gewesen, auf der anderen Seite hat man weniger Möglichkeiten gehabt, sich mal aus dem Weg zu gehen und sein Ding zu machen, wodurch andere Konflikte entstehen konnten.“ Insgesamt findet der Experte jedoch: „Viele Paare haben sich tapfer geschlagen.“ Ein Beziehungskiller sei das Virus immerhin nicht gewesen.