Gelsenkirchen. 2,1 Millionen Euro bis Ende 2022 bekommt Gelsenkirchen für Fördermaßnahmen nach Corona jenseits fachlicher Nachhilfeangebote. Was geplant ist.
Zum „Aufholen nach Corona“-Programm des Bundesfamilienministeriums gehören nicht nur Programme, in denen es darum geht, versäumten Stoff zu pauken. Auch Freizeit und soziale Aktivitäten werden unterstützt. In diesen Tagen ist der Förderbescheid des Bundes dafür in Gelsenkirchen eingetroffen: 703.000 Euro für das laufende Jahr, 1,4 Millionen für 2022. „Aufatmen, Spielen und Spaß haben, sich bewegen, Gelegenheiten bieten, sich unbeschwert zu treffen mit Familien – auch das gehört zum Aufholen“, ist Jugendreferatsleiter Wolfgang Schreck überzeugt. Er ist froh, dass die Mittel für seinen Bereich nicht an enge Vorgaben geknüpft sind, die Summe bereits bekannt ist. Im Gegensatz zu der fachlichen Lernförderung, wo das Bildungsministerium weiterhin auf klare Ansagen warten lässt.
1891 Gefährdungsanzeigen im Krisenjahr 2020
„Wir haben jetzt ohnehin schon die Angebote wieder hochgefahren. Gearbeitet – auch aufsuchend bei Bedarf – haben wir über die gesamte Corona-Zeit. Aber wo es möglich war, eben auch online“ erläutert Schreck. Dass der Bedarf nach Unterstützung bestand, zeigen schon allein die eingegangenen Gefährdungsanzeigen im vergangenen Jahr. 1891 waren es in 2020, im Jahr davor lediglich 1540. „Alarmiert werden wir von Ärzten, Kitas, Nachbarn, der Polizei, der Schule oder auch durch Zufall von einem Heizungsableser, der in der Wohnung des Kunden Verwahrlosung oder gar Spuren körperlicher Gewalt entdeckt hat“, so Schreck. Dabei steckt hinter diesen Meldungen nicht immer ein akuter Notfall. Es könne durchaus auch vorkommen, dass es sich „nur“ um einen Streit handelte, der längst beigelegt ist.
Polizei rückte im Vorjahr 331 mal wegen häuslicher Gewalt aus
Dass die Lunte in Pandemiezeiten, in denen Familien noch enger zusammen rücken mussten, noch kürzer ist als sonst, erstaunt weder die Familienhelfer noch die Polizei. 331 mal rückten die Beamten in Gelsenkirchen in 2020 aus, weil häusliche Gewalt gemeldet wurde, kaum weniger als 2019. Meist handelt es sich um Paarstreitigkeiten, Opfer der körperlichen Gewalt sind oft eher die Mütter. „Aber wenn die Kinder Angst um die Mutter haben, die geschlagen wird, dann ist das auch Gewalt. Seelische Gewalt“, weiß Schreck, der selbst Diplom-Psychologe ist und die Familienberatung leitete, bevor er das Jugendreferat übernahm.
221 Kinder hat das Team der familienunterstützenden Dienste im vergangenen Jahr aus Familien genommen, weil ihre körperliche und/oder seelische Gesundheit bedroht war. „Das ist aber der letzte Schritt. Wir versuchen mit intensiver Einzelbetreuung, Gruppenarbeit und zahlreichen Hilfen zur Erziehung alles, dass Kinder in ihren Familien bleiben können. 44,7 Millionen Euro geben wir dafür aus“, so Schreck.
Kontakte und Bewegung sind wichtig, um Spannungen abzubauen
Umso wichtiger sei es, dass nun das Miteinander von Familien möglich sei. „Das Familienbüro an der Ebertstraße wird quasi überrannt, seit es wieder geöffnet hat. Und wir werden mit Hilfe der Fördermittel auch das Programm ausweiten, mehr Kurse anbieten.“ Im Büro werden Familien zusammengeführt, Netzwerke geknüpft, können Familien sich austauschen – das wirkt deeskalierend, ist Schreck sicher. Auch die Familienhebammen sollen aufgestockt werden, damit sie sich länger um die jungen Familien kümmern können, das werde nachgefragt.
Mehr Ferienfreizeiten mit freien Trägern und Zuschüsse für Eintrittsgelder
Bewerber für Freiwilliges Jahr gesucht
Freiwilligendienstler sollen in verschiedenen Bereichen eingesetzt werden. Die kann bei Freizeiten, aber auch bei der Begleitung von Schülern sein, die ohne Unterstützung allzu oft der Schule fern bleiben. Beim Homeschooling sind manche Schüler „verloren“ gegangen, haben nicht in die Struktur zurück gefunden nach dem Lockdown.Jugendliche, die sich für ein Freiwilliges Jahr beim Familien- und Jugendreferat interessieren, können sich formlos an das Jugendreferat der Stadt wenden, Zeppelinallee 9-13, 45879 Gelsenkirchen. Telefon 0209 169-3887.
„Einen Teil des Geldes wollen wir nutzen, um junge Menschen für ein ökologisches oder soziales freiwilliges Jahr bei uns zu gewinnen“, erläutert Schreck die Pläne. 9000 Euro im Jahr kostet die Stadt die Einstellung eines Freiwilligendienstlers. Aber auch bei den freien Trägern, langjährigen Kooperationspartnern, soll Unterstützung eingekauft werden. Fachkräfte kurzfristig zu finden, ist für die Stadt schwer – die Entscheidungsprozesse sind bei freien Trägern deutlich kürzer.
Eingesetzt werden sollen die Aufhol-Gelder zudem für Ferienmaßnahmen, Bewegungsangebote, Ausflüge, Zuschüsse zu Eintrittskarten bei Ausflügen und im Zoom. Ebenso wie die Lernhilfeprogramme sollen die Freizeitangebote nach Corona über den gesamten Förderzeitraum laufen, also bis Ende 2022.
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