Gelsenkirchen. Luca (5) ist schwerstbehindert, Corona ist für ihn lebensgefährlich. Was das für das Leben der fünfköpfigen Gelsenkirchener Familie bedeutet.
Luca ist fünfeinhalb. Bis vor kurzem ist er noch in den Kindergarten gegangen, jetzt traut sich seine Mama nicht mehr, ihn dorthin zu schicken, aus Angst vor einer Ansteckung. Aus gutem Grund: Luca ist schwerst mehrfach behindert, eine Covid-19-Infektion wäre für ihn lebensgefährlich.
Luca kam in der 29. Schwangerschaftswoche zur Welt, erlitt akuten Sauerstoffmangel bei der Geburt, hatte Hirnblutungen, musste reanimiert werden. Er kann daher weder gehen, noch sitzen, sprechen oder in irgendeiner Form Körperspannung halten. Er ist ständig an einen Überwachungsmonitor angeschlossen, seine Lunge ist schwer geschädigt, er leidet unter häufigen Krampfanfällen. Seine Eltern leben seit Ausbruch der Pandemie zurückgezogen, um Luca zu schützen – soweit das mit drei Kindern möglich ist.
Die kleine Schwester geht wieder in den Kindergarten
Denn Luca hat noch zwei jüngere Geschwister. Die vierjährige Schwester geht wieder in den Kindergarten; mehr als ein Jahr daheim ohne Außenkontakte, das mögen die Eltern dem kleinen Mädchen nicht weiter zumuten. Dafür heißt es täglich zittern, dass die Tochter das Virus nicht mit aus dem Kindergarten nach Hause bringt. Der kleine Bruder (2) bleibt noch zuhause, aber auch er leidet unter den fehlenden Außenkontakten.
Seit Dezember ist auch ein Pflegedienst für Luca im Haus. 18 Stunden täglich während der Woche, an Wochenenden nur nachts, für zehn Stunden. Das entlastet die Eltern, schenkt ihnen mehr Zeit, sich den Geschwistern zu widmen, sie aufzufangen.
Kinderarzt Dr. Markus Klotz: „Schließung der Förderschulen hat viele schwer getroffen“
Dr. Markus Klotz, Leiter des Sozialpädiatrischen Zentrums an der Kinder- und Jugendklinik am Bergmannsheil Buer, weiß um die zusätzlichen Sorgen der Familien mit kranken Kindern in Pandemiezeiten. In seinem Zentrum werden Kinder mit die Entwicklungsstörungen, drohenden und manifesten Behinderungen sowie Verhaltens- oder seelischen Störungen ambulant behandelt und betreut.
Auf Kinder mit Beeinträchtigungen wirkt sich Kontaktsperre besonders verheerend aus
„Im ersten Lockdown hatten wir die Ambulanz geschlossen. Aber wir haben gesehen, wie dramatisch sich die Isolierung in Pandemiezeiten auf viele unserer Patienten ausgewirkt hat. Dass die Förderschulen geschlossen waren, hat viele schwer getroffen. Deshalb haben wir in der zweiten Welle auch die Ambulanz offen gehalten. Wir sind froh, die Kinder wieder im Blick zu haben. Natürlich müssen wir sie jedes Mal testen, wenn sie zu uns kommen, auch wenn das nicht lustig ist,“ erklärt der Mediziner. Gerade für viele Förderschulkinder mit komplexen Beeinträchtigungen und ihre Familien wirke sich die pandemiebedingte Kontaktsperre, die fehlenden Berührungen und mangelnde Nähe besonders verheerend aus.
An Berufstätigkeit ist für die Mutter derzeit nicht zu denken
Lucas Mutter war berufstätig, bevor die Kinder kamen. Daran ist allerdings seit Lucas Geburt nicht mehr zu denken. Erst recht nicht in diesen Zeiten; sie arbeitete als Verkäuferin, quasi an vorderster Infektionsfront. Aber es geht nicht nur um Infektionsschutz. Im Sommer, so hat der Medizinische Dienst schon angekündigt, werden die Zeiten des Pflegedienstes eingeschränkt, wenn Luca zur Schule geht; es wird die Löchterschule sein.
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„Aber es ist ohnehin so, dass ich ständig mit Notsituationen rechnen muss wie etwa epileptischen Anfällen. Dann muss ich sofort reagieren können. Und Luca ist schon auch sehr auf mich fixiert“, erklärt die junge Frau. Ein wenig mehr Freiheit könnte ihr und ihrem Partner eine Corona-Schutzimpfung bescheren, wenn endlich gesichert wäre, dass Geimpfte keine Überträger des Virus sein können. Als Betreuerin eines maximalen Risikopatienten stünde ihr eine Impfung eigentlich auch zu. Eine Benachrichtigung dazu hat sie allerdings nicht bekommen.
Corona-Impfungen für Kinder nicht vor Ende des Jahres
Erste Impftests mit Kindern in England
In Großbritannien ist eine Test-Impfreihe mit Astrazeneca mit 300 Kindern ab sechs Jahren angelaufen, in den USA hat man mit Moderna-Testungen bei Jugendlichen ab zwölf Jahren begonnen. Die Notwendigkeit, auch Kinder zu immunisieren, um die Pandemie zu beenden, wird allerdings immer eindeutiger.
Entgegen den ursprünglichen Vermutungen infizieren sich auch Kinder unter 16 Jahren, was unter anderem in Israel besonders gut zu sehen ist, wo der Anteil der geimpften Erwachsenen ständig steigt. Parallel steigt dort der Anteil der infizierten, nicht geimpften Kinder.
Luca selbst kann allerdings noch nicht per Impfung geschützt werden. Ab 16 Jahren frühestens ist eine Impfung zulässig nach jetzigen Stand. Die Entwicklung und Tests laufen in England und den USA bereits. Dr. Gerrit Lautner, Leiter der Kinder- und Jugendklinik am Bergmannsheil, rechnet allerdings nicht mit einer Zulassung für jüngere Kinder vor Jahresende.
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In England wird untersucht, inwieweit Astrazeneca dafür geeignet sein könnte. „Das Immunsystem der Kinder reagiert noch nicht so wie bei Erwachsenen, man weiß nicht, wie der Stoff sich in einem sich entwickelnden Immunsystem auswirkt. Grundsätzlich verändert sich das Immunsystem mit den Jahren,“ so Lautner. Allerdings funktionierten bekannte Impfungen bei Kindern nach sehr ähnlichen Prinzipien.
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