Oberhausen. Mit Scooter feierte Rick J. Jordan große Erfolge. Heute begeistert ihn ein anderes Genre. Und spielt für das Friedensdorf Oberhausen ein Konzert.

„Hyper, Hyper!“ Für Fans der elektronischen Musik bleibt dies die Spaß-Hymne der 1990er-Jahre. Rick J. Jordan, eigentlich Hendrik Stedler, stand bis 2014 beim immer noch in wechselnder Besetzung synthetisch musizierenden Trio Scooter um Sänger H.P. Baxxter an den Keyboards. Sammelte zwei Echo-Musikpreise und 80 Platin- und Goldschallplatten.

Am Samstag, 25. September, spielt der 53-Jährige mit seiner neuen Band „Leichtmatrose“ im Theater an der Niebuhrg (19 Uhr, Tickets ab 15 Euro) ein Benefiz-Konzert für das Friedensdorf Oberhausen. Wuchtige Techno-Bässe gibt es nicht mehr, sondern feinen Indie-Rock. Ein Interview über eine wundersame Wandlung.

Hand aufs Herz: Waren die Keyboards bei Scooter auf der Bühne eingestöpselt?

Jordan: (lacht) Ich habe eine Menge live gespielt und nicht nur einfach auf Plastik gehauen. Aber klar. Es handelt sich um eine Musik, bei der viel aus dem Rechner stammt. Aber: Der Gesang von H.P. Baxxter war und ist auch heute live.

Vermissen Sie die Zeit?

Jordan: Ich habe Scooter vom ersten Ton begeistert gelebt - bis ich nach 20 Jahren nicht mehr konnte. „Hyper, Hyper“ ist damals in meinem Hannoveraner Studio entstanden. Vorher habe ich mit H.P. Baxxter in einer Synthy-Gruppe gespielt. Das war sozusagen unsere Ausbildung. Aber es kam der Punkt, an dem ich das Gefühl hatte, im Dance alles erreicht zu haben.

Warum?

Jordan: Die frühen Rave-Tage waren verrückt und auch anarchistisch. Doch das war plötzlich wie weggeblasen. Vieles in der Musik wirkte plötzlich durchformatiert. Bei uns war der Sound noch extrem und positiv krank, aber dann musste es plötzlich cool und dezent sein. Ich mochte vorher das Unbändige, den Punk-Einschlag.

Wie haben Sie sich persönlich verändert?

Jordan: Als ich bei Scooter aufgehört habe, war ich Mitte 40. Irgendwann war das Herumgehüpfe auf der Bühne nicht mehr ich. Ich habe das mit den Jungs in Ruhe besprochen. Bis heute pflegen wir ein gutes Verhältnis. Und so an die 55 Singles werten wir noch gemeinsam aus.

Wie hat es Sie zum Indie-Rock verschlagen?

Jordan: Das Genre war mir nie fremd. Wir hatten bei Scooter im Song „Fire“ viele Rockgitarren. Ich hatte immer Bock auf Rock. Irgendwann habe ich ein Video der Band „Leichtmatrose“ geschnitten und gedacht: Das klingt aber amtlich. Daraus ist mehr geworden.

Waren die Rock-Fans nicht skeptisch als plötzlich ein Raver kam?

Jordan: Nein. Ich habe darum auch keinen Wind gemacht und gesagt: Da kommt jetzt einer, der bekannt ist aus Funk und Fernsehen. Die Band brauchte keinen zweiten Keyboarder. Sondern es fehlte ein Bassist.

Durch Reinhard Mey haben Sie vom Friedensdorf Oberhausen erfahren. Wie kam es dazu?

Jordan: Das stimmt, durch unser Projekt „Reinhard Mey & Freunde“. Am Anfang waren wir ja nur Freunde, die planten einen Song von ihm neu aufzulegen. Doch dann wollte Reinhard Mey mitmachen - und selbst singen. Unser Song ist ein Statement gegen Missbrauch von militärischer Macht. Reinhard Mey hat das Friedensdorf als Spendenempfänger vorgeschlagen und gesagt, dass der Song hier helfen kann.

Und das lief nicht schlecht, oder?

Jordan: Bisher haben 4,4 Millionen Menschen den Song "Nein, meine Söhne geb' ich nicht" bei Youtube angeklickt. Über den Fotograf und Videokünstler Ronny Zeisberg sind weitere namhafte Künstler wie Joachim Witt hinzugekommen.

Und wie kam das Benefiz-Konzert in Oberhausen ins Spiel?

Jordan: Ich spiele jetzt seit drei Jahren „Leichtmatrose“ als Bassist und Produzent. Das ist Indie-Rock mit Pop-Einschlägen. Durch den Kontakt zum Friedensdorf wollten wir beim Dorffest spielen. Doch dann kam Corona. Stattdessen spielen wir jetzt das Benefiz-Konzert an der Niebuhrg.

Bei H.P. Baxxter und Scooter lief das ja anders. Sie kennen sich durch eine Zeitungsanzeige?

Jordan: Allerdings. Die Rubrik hieß „Der heiße Draht“ - damals in Hannover. H.P. schrieb: „Sänger sucht Keyboarder!“ Und ich suchte einen Sänger, der es ernst meint mit der Profikarriere.

Nehmen Sie uns mal mit in die Anfangszeit im Keller…

Jordan: Im Kellerraum stand ein C64. Da haben wir die ersten Demos produziert. Die ersten Experimente waren vielleicht poppiger Post-Punk. Camouflage hatten damit noch Erfolg. Wir waren zu spät dran - fanden es aber spannend.

Wie wurde daraus Scooter?

Jordan: Scooter war ein Zufallstreffer. Irgendwann fragte der Party-König Michael Ammer an. Wir waren ja keine Band, wollten eigentlich nur ein bisschen raven. Er lockte uns mit Freibier. Also haben wir die Keyboards aus dem Studio geholt und auf die Bühne gerollt.

Wie schreibt man einen Song, der „Hyper, Hyper“ heißt? 

Jordan: Wir brauchten eigentlich nur schnell etwas für eine B-Seite. „Hyper, Hyper“ ist eine Referenz an die schottische Elektro-Band Ultra-Sonic. Und er steht für positive und aggressionsfreie Energie, die in der Szene herrschte. Bei den ersten Raves hatten wir keine Türsteher. Es herrschte: ein Hype!

Sie huldigen in dem Song bekannten Discjockeys - wie fanden die das?

Jordan: Am Anfang fühlten die sich noch gebauchpinselt. Dann waren viele peinlich berührt als es erfolgreich wurde. Die meisten DJs sahen sich als beinharte Independent-Leute. Aber danach haben sie gemerkt, dass wir auch nur feiern wollen.

Ohne Selbstironie funktioniert Scooter nicht?

Jordan: Wir haben uns nicht besonders ernst genommen. Ein Gegenstück zu den Superstar-Achtzigern. Im Gegensatz zu heute war in den Neunzigern nur das Dosenpfand ein Aufreger, danach herrschte nur noch Angst, dass das Wochenende ausfiel. Den Alarm-Faktor holte man sich beim Rave.

Und sie erfanden Songs wie „How much is the Fish“ (Was kostet der Fisch?)… 

Auch hier gibt es Verbindungen zum experimentellen Pop. Stump aus London hatten den Song „Buffalo“. Es geht um Amerikaner aus der Provinz, die sich in der Großstadt nicht zurechtfinden. Darin gibt es die Zeile „How much is the Fish“, der für ihre Planlosigkeit steht.

Kein Einzelfall?

Jordan: Nein, ähnlich ist es bei „Respect to the Man in the Ice-Cream Van“ (Respekt für den Mann im Eiswagen). Eine Referenz an die britische Dance-Gruppe The KLF, die uns inspiriert hat. Echte Aktionskünstler, die mit einem Eiswagen durch Liverpool fuhren. Der Spruch war eine Huldigung.

Revivals sind angesagt - juckt es Sie noch einmal bei Scooter einzusteigen?

Jordan: Eigentlich heißt es ja, sag niemals nie. Aber es war genau richtig, zu sagen: Jetzt ist Schluss! Ich fühle mich bei „Leichtmatrose“ sauwohl. Wir reden weiter miteinander. Aber ich befinde mich in einer anderen Lebensphase, da sollte man eine klare Kante fahren.

Wo bewahren Sie Ihre Musik-Preise auf?

Jordan: Im Swimming-Pool. Der befindet sich bei mir im Keller. Da ist kein Wasser mehr drin. Die Platin-Platten passten nicht mehr an die Wand.