Oberhausen. Wie ein wiederbelebter Song von Reinhard Mey neue Aufmerksamkeit erfährt – und warum dadurch das Friedensdorf Oberhausen neue Spender bekommt
Manchmal kommt Hilfe von einer Seite, von der man sie nicht unbedingt erwartet: „Wir haben bereits über 16.000 Euro an Spenden erhalten mit Verweis auf das Video erhalten“, sagt Claudia Peppmüller, Sprecherin des Friedensdorfs Oberhausen. Mehr als eine Million Menschen haben sich den gut fünfminütige Streifen „Nein, meine Söhne geb’ ich nicht“ bereits angeschaut – oft mit Tränen in den Augen.
Die Floskel von der „bedrückenden Aktualität“ – hier hat sie ihre traurige Berechtigung: Der emotionsgeladenen Neuauflage des fast 35 Jahre alten Antikriegslied s „Meine Söhne geb ich nicht“ von Reinhard Mey und Freunden aus verschiedensten Musiksparten kann sich kaum jemand entziehen.
Dass die zornige Ballade aus den 80ern vom 77-jährigen Reinhard Mey in der Gegenwart angekommen ist, verdankt sie dem vom Videokünstler Ronny Zeisberg und dem Musikproduzenten Rick J. Jordan – seinerzeit der Mastermind hinter Eurodiscostar Scooter („Hyper-Hyper“) war. „Meinem Kumpel Ronny Zeisberg fiel dieser alte Song ein, als er im Radio die Nachrichten hörte und ihm durch den Kopf ging, wie leichtfertig militärische Gewalt zur Konfliktlösung eingesetzt wird“, erzählt Rick J. Jordan. „Und er hat gefragt, ob wir dazu nicht was machen wollen.“
„Viele Künstlerinnen und Künstler haben sich als große Fans geoutet“
Die beiden ließen ihre Kontakte spielen, Jordan selbst hat sich mit seiner aus Münster und Paderborn stammenden Band „Leichtmatrose“ eingebracht. „Überraschend viele Künstlerinnen und Künstler haben sich als große Fans von Reinhard Meys Werk geoutet – und mit dieser Attitüde sind sie an den Song herangetreten“, so der 52-Jährige. So sind u.a. Akteure von „Subway to Sally“ beteiligt, dazu Joachim Witt (einst der „Goldene Reiter“) und Luci van Org („Lucilectric“).
„Reinhard Mey fand es toll, war einverstanden und hat sich sogar bereit erklärt, im Video mitzuspielen. Er hat das Projekt zum Fliegen gebracht“, berichtet Jordan. Reinhard Mey betont: „Alle haben mit ihrem Gesang, ihrer Kunst und ihrem Handwerk aus Idealismus und persönlichem Engagement dieses einmalige Projekt verwirklicht. Alle, ausnahmslos alle, haben auf eine Gage und die Erstattung ihrer Kosten verzichtet, es war nicht einmal die Rede davon. Es ist ein Geschenk, das wir uns beim Aufnehmen des Liedes gegenseitig gemacht haben und das wir Euch nun weiterschenken.“
„Das Friedensdorf ist der absolut richtige Adressat.“
Auch er selbst kam zum Videodreh in den Herbstwald bei Berlin. „Von Anfang an war klar, dass das einem guten Zweck zugute kommen muss. Wir haben Reinhard dann um einen Vorschlag gebeten. Er hat das Friedensdorf genannt, weil er deren Arbeit kennt. Und das ist der absolut richtige Adressat“, berichtet Rick Jordan.
Allerdings haben die Macher Schwierigkeiten, außerhalb von Youtube Gehör zu finden. „Mit mehr als fünf Minuten Länge passt es vielen Radiostationen nicht in deren Formate“, erklärt Jordan – selbst bei öffentlich-rechtlichen Sendern, denen man gesellschaftspolitische Verantwortung zumuten dürfte.
Radiosender finden keinen Platz für den Fünfeinhalb-Minuten-Song
Aber, tröstet sich Jordan, es gebe mittlerweile Echo aus dem Ausland. „Wir haben Kommentare unter anderem aus Syrien und Bergkarabach. Wir wollen daher weitere Fassungen mit Untertiteln machen.“ Eine englische Fassung? „Würde die Wirkung des Songs schwächen“, so Jordan. Mittlerweile haben viele Streaming-Portale den Song in ihr Angebot zum Herunterladen oder Anhören via Internet aufgenommen. Auch dafür gibt es Erlöse, wenn auch eher im Cent-Bereich.
Noch wichtiger als die aktuelle Summe jedoch ist für das Friedensdorf Oberhausen anderes: „Wir haben Spender, die uns und unsere Arbeit vorher gar nicht kannten“, so Claudia Peppmüller. Insofern setzt das Friedensdorf auf den langfristigen Effekt des wiederbelebten Songs. Solange Eltern irgendwo auf der Welt bangen müssen, dass ihre Kinder an die Front geschickt werden, wird auch die Arbeit des Friedensdorfes notwendig bleiben.
Das Friedensdorf Oberhausen behandelt seit 1967 Kinder und Jugendliche mit Verletzungen aus Kriegs- und Krisengebieten, die hier in Deutschland ihre Behandlung erhalten und in dieser Zeit im Friedensdorf wohnen. Mittlerweile gibt es weltweit weitere Friedensdörfer. Hier kann man spenden.