Mülheim. Mülheimer Betriebe und Vereine nutzen die Möglichkeit, ihre Belegschaft oder Mitglieder vor Ort impfen zu lassen. Ein Unternehmer erklärt, warum.

Impfen in der Adventszeit: Einem Aufruf der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVNo), Covid-19-Schutzimpfungen auch an einem Samstag ohne Termin als „Walk-In“ anzubieten, folgen auch in Mülheim einige Praxen. Die KVNo und das Gesundheitsministerium befürworten zudem das Impfen niedergelassener Ärzte in Betrieben oder Vereinen, die ihre Belegschaft oder Mitglieder vor Ort impfen lassen wollen. In Mülheim machen schon einige Betriebe Gebrauch davon. „Wir bräuchten aber mehr solcher Aktionen, um schneller boostern zu können“, sagt Dr. Stephan von Lackum, leitender Impfarzt in Mülheim.

Das erste so genannte Walk-In-Angebot („walk in“ könnte mit „hereinspaziert“ übersetzt werden) in den Praxen gibt es am Samstag, 27. November, in der Praxis Dr. Benedict Lacner (Schloßstraße 5-7, von 10 bis 16 Uhr). Verabreicht werden dann Erst-, Zweit- und Drittimpfungen an Interessierte, solange der Vorrat an Impfstoff reicht. „Ärmel hoch – wir impfen“ heißt es auch in der Urologie-Praxis Dr. Horst Godo, Kaiserstraße 65, am Samstag, 11. Dezember, von 9 bis 17 Uhr. Auch hier wird geimpft, bis die Impfvorräte verbraucht sind.

Dr. Stephan von Lackum, der als Hausarzt auch Geschäftsführer der Mülheimer KV ist, weiß, dass einige Praxen in vielen Stadtteilen auch an den Adventssamstagen impfen, es aber vorziehen, dass dafür Termine vereinbart werden. „Und die Termine gehen weg wie warme Semmeln“, zitiert von Lackum eine Kollegin.

Innerbetriebliche Impfungen werden in Mülheim bereits genutzt

Innerbetriebliche Impfungen durch einen niedergelassenen Haus- oder Facharzt, der für Hygienestandards und die Dokumentation sorgt, werden auch in Mülheim bereits in Anspruch genommen. Impfarzt von Lackum zählt zwei Schulen auf, die ihr Kollegium impfen/boostern lassen, einen Karnevalsverein oder auch zwei Betriebe außerhalb Mülheims, deren Mülheimer Geschäftsführer das Angebot nutzen. Die ADTV Altstadt Tanzschule versorgt ihre Tanzschüler und -schülerinnen mit der dritten Spritze, und auch der Sportverein TSV Viktoria plant kurzfristig ein Impfangebot für Mitglieder.

Derzeit können niedergelassene Praxen nur vier Impfstofffläschen von Biontech pro Arzt und Woche bestellen, was in der Ärzteschaft für Aufregung sorgt.
Derzeit können niedergelassene Praxen nur vier Impfstofffläschen von Biontech pro Arzt und Woche bestellen, was in der Ärzteschaft für Aufregung sorgt. © dpa | Michael Reichel

Die Stadtbäckerei Hemmerle hat sich schon frühzeitig um Impfmöglichkeiten für interessierte Mitarbeitende gekümmert und etwa per Rundschreiben fürs Impfen geworben. „Wir haben nie jemanden überreden wollen, sondern immer auf Aufklärung gesetzt“, sagt Peter Hemmerle, der gemeinsam mit seinem Bruder Bernd die Geschäfte führt. Das hat offenbar überzeugt. Von 171 Mitarbeitenden seien nur sieben nicht geimpft, so Peter Hemmerle, der hier auch die Gründe kennt.

Derzeit nutzt die Bäckerei Hemmerle die Möglichkeit der innerbetrieblichen Impfungen durch einen Arzt, ein Ärztin für die Auffrischungsimpfung, den Booster. Wenn sich zehn, 20 Impfwillige gefunden haben, wird ein Impftermin für alle vor Ort in der Firma gemacht. In der Belegschaft sei das gut angekommen. „Man wird nie 100 Prozent erreichen können“, sagt Peter Hemmerle, „aber wir merken, dass sich alle Beschäftigten gut aufgehoben fühlen, weil sich das Unternehmen um sie kümmert.“

Moderna wird auch in Mülheim der Impfstoff der nächsten Wochen sein

Derzeit stehe in den Praxen wohl zum Teil noch Impfstoff von Biontech zur Verfügung, so Impfarzt Dr. von Lackum. Doch dieses Vakzin wird künftig von der Ärzteschaft nicht mehr unbegrenzt bestellt werden können. „Moderna wird im großen Stil der Impfstoff der nächsten Wochen sein“, betont von Lackum. Biontech dürfte dann wohl hauptsächlich noch an Patienten unter 30 Jahren und Schwangere gegeben werden.

KVNo kritisiert die Entscheidung Spahns

Die vom geschäftsführenden Bundesgesundheitsminister Jens Spahn verordnete Deckelung des Biontech-Impfstoffs hat den Hintergrund, dass der von Deutschland eingekaufte Impfstoff von Moderna Anfang 2022 zu verfallen droht.Die KV Nordrhein (KVNo) sieht in der Entscheidung Spahns einen politischen Fehler, den in Deutschland am meisten genutzten Impfstoff nur noch begrenzt zur Verfügung zu stellen.Insgesamt würden nach Informationen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) bundesweit nun rund zwei Millionen Dosen von bereits bestelltem Biontech fehlen, so die KVNo in einer Pressemitteilung. Selbst beim Impfstoff Moderna könne es regional zu Kürzungen kommen.

Derzeit können niedergelassene Praxen nur vier Impfstofffläschen von Biontech pro Arzt und Woche bestellen, was in der Ärzteschaft für Aufregung sorgt. Von Lackum schätzt, dass zeitnah auch in den öffentlichen Impfstellen eine Rationierung von Biontech erfolgt. „Wir rechnen schon in der kommenden Woche damit.“ Das Ende September geschlossene Mülheimer Impfzentrum hat auch das Vakzin von Moderna verimpft. „Wir haben keine schlechten Erfahrungen damit gemacht. Moderna ist genauso effektiv und verträglich wie Biontech“, sagt Stephan von Lackum.