Gelsenkirchen. Testzentren schießen seit 2G-plus auch in Gelsenkirchen aus dem Boden. Aber wird anständig getestet? Eine Stichprobe und Experteneinschätzung.

Zunächst die gute Nachricht: Sich testen zu lassen ist oft keine besonders unangenehme Erfahrung mehr. Aber: In Teststationen – das zeigt eine Stichprobe in einer Handvoll Gelsenkirchener Adressen in der Altstadt, Ückendorf und in Buer – wird mittlerweile lediglich der vorderste Bereich der Nasenhöhle kurz gestreift. Handelt es sich um einen Rachentest, wird die Probe ebenfalls nur oberflächlich in wenigen Sekunden entnommen. Was bringt es, wenn scheinbar nur noch läppisch getestet wird? Und sollte man deswegen die gesamte Teststrategie infrage stellen?

5-Sekunden-Tests in Gelsenkirchener Teststellen: „Ja, keine Sorge, das reicht so“

Ob in einer Apotheke an der Bahnhofstraße oder vor einem Supermarkt in Buer, ob in einer Teststelle in Ückendorf oder in der Bueraner Innenstadt: Überall ist der Schnelltest in etwa fünf Sekunden erledigt. Teils erfolgt die Probenentnahme nur in einem Nasenloch, teils wird das Stäbchen einfach nur kurz in die Nase gehalten und nicht mal rotiert. Auf unsere Frage, ob das denn so richtig sei, erhalten wir jedes Mal in etwa die gleiche Antwort: „Ja, keine Sorge, das reicht so.“

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Tut es das wirklich? Zunächst: Es ist nicht zwingend ein Zeichen dafür, dass auch falsch oder unzureichend getestet wird, wenn nur am Nasenvorhof getestet wird. Schließlich sind mittlerweile Schnelltests zugelassen, die ausschließlich für die Testung am vorderen Bereich der Nase konzipiert und dafür auch zugelassen worden sind.

Gelsenkirchener Professor: „Der Goldstandard ist der Nasen-Rachen-Abstrich“

Aber Experten sehen diese Tests dennoch kritisch. „Der Goldstandard, egal ob Schnelltest- oder PCR, ist immer noch der Nasen-Rachen-Abstrich“, sagt Prof. Matthias Willmann, ärztlicher Leiter des Gelsenkirchener Eurofins-Labors GeLaMed, in dem täglich unzählige Proben von Corona-Verdachtsfällen untersucht werden. Zwar kann Willmann verstehen, dass die Tests für den Nasenvorhof inzwischen in vielen Teststellen zum Einsatz kommen. „Viele weichen auf diese Verfahren aus, weil sie einfacher sind und die Akzeptanz größer ist.“ Klar müsse aber auch sein, dass durch einen häufigeren Einsatz tiefer eindringender Nasen-Rachen-Abstriche wohl weniger Infektionen durchgehen würden.

Matthias Willmann, Ärztlicher Leiter des Gelsenkirchener Eurofins-GeLa-Med-Labors: „Die Probenentnahme ist ganz entscheidend für die Diagnostik“.
Matthias Willmann, Ärztlicher Leiter des Gelsenkirchener Eurofins-GeLa-Med-Labors: „Die Probenentnahme ist ganz entscheidend für die Diagnostik“. © Eurofins GeLaMed | Melanie Graas

Der zweite Punkt ist die Sauberkeit der Durchführung. In der Gebrauchsanweisung der Covid-19 Antigen Selbsttests des chinesischen Herstellers Beijing Hotgen Biotech Co. heißt es beispielsweise: „Den Tupfer 1,5 cm vorsichtig in ein Nasenloch führen, bis ein leichter Widerstand spürbar ist. Mindestens 15 Sekunden mit einem leichten Druck 4 bis 6-mal entlang der Nasenwand drehen.“ In Testzentren dagegen ist die Probenentnahme häufig in nicht mal der Hälfte der vorgesehenen Zeit erledigt – und die Nasenwand wird kaum berührt.

Gelsenkirchener Experte: Worauf es bei einer guten Probenentnahme ankommt

„Die Probenentnahme ist ganz entscheidend für die Diagnostik“, sagt Prof. Willmann. Eine entscheidende Rolle spiele dabei, wie viel Zellmaterial gewonnen wird. „Wenn man nur wenige Sekunden die Nasenwand streift, ist das in der Regel nicht ausreichend.“ Zudem, so Willmann, werde in den Testzentren selten auf einfache Tricks zurückgegriffen, welche die Qualität der Abstriche erhöhen könnten. So sei es lohnenswert, vor der Testung zu schnäuzen oder sich – im Falle einer Speichelentnahme – vorher zu räuspern. So könne sich das Zellmaterial erhöhen.

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Auch Arnd Kemper, Leiter der Krankenhaushygiene bei der St. Augustinus Gelsenkirchen GmbH, ist überzeugt, dass jene Qualitätskriterien in den Testzentren nicht ausreichend befolgt werden. „Wir werden mit Sicherheit Infektionen übersehen und es werden mit Sicherheit vermeidbare Infektionen angefallen sein.“ In den Augustinus-Kliniken setzte man deswegen nach wie vor auf tiefe nasale Abstriche. „Wir wollen sichergehen, dass wir adäquate Werte haben.“ Damit die Werte auch außerhalb der Kliniken verlässlicher wären, müsse in den Testzentren engmaschiger kontrolliert werden, glaubt Kemper.

Teststellen sind auch in Gelsenkirchen aus dem Boden geschossen

Allerdings wird die Kontrolle zu einer immer größeren Aufgabe: Etwas über 100 Teststellen werden in einer Online-Übersicht der Stadt Gelsenkirchen aufgeführt. Seit Ausweitung der 2G-plus-Regel hätten jedoch weitere, mindestens 60 Teststellen die Zulassung vom Gesundheitsamt erhalten. Auf der Liste zu sehen seien sie bislang noch nicht, sagt Stadtsprecher Martin Schulmann. Hinzukommt: Wie gut die Tests nach medizinischen Gesichtspunkten durchgeführt werden, könne bei den Kontrollen gar nicht beurteilt werden.

So geht es nach Angaben von Schulmann bei den Kontrollen eher um organisatorische und hygienebezogene Aspekte: Kann genug Abstand gewahrt werden? Wird die Maske richtig getragen? Wird entsprechend dokumentiert und sind die Abläufe vorschriftsmäßig? „Ob ein Test auch genau nach der Gebrauchsanweisung angewendet wird, prüfen wir nicht.“

Stadt Gelsenkirchen: Bei Kontrollen von Teststellen nur kleine Beanstandungen

Vielleicht liegt es auch daran, dass bei den Kontrollen wenig zu beanstanden ist: Das Gesundheitsamt überprüft laut Schulmann anlassbezogen einzelne Teststellen. Ursprung sei hier meist die Beschwerde von Bürgerinnen und Bürgern. „Beanstandungen gibt es in der Regel schon, meist aber eher kleinere Dinge, die schnell abzustellen sind“, so der Stadtsprecher. „Bei den anschließenden Überprüfungsbegehungen stellen wir dann in der Regel auch Verbesserungen fest.“

Testzentren: So läuft die Genehmigung

Grundlage für die Genehmigung von Schnelltestzentren ist die Coronateststrukturverordnung. Der Antragsteller reicht zuerst einen formellen Antrag ein, in dem er die Adresse des Testzentrums angibt und sich verpflichtet, die Verordnung einzuhalten.Folgend muss ein schlüssiges Hygienekonzept eingereicht werden, in dem geschildert wird, wie der Ablauf für die Bürgertestungen abläuft und wie das ganze räumlich umgesetzt wird.Der Antragsteller reicht die entsprechenden Nachweise ein, woraus hervorgeht, dass die Mitarbeiter eine Schulung zur Durchführung der Bürgertestungen absolviert haben. Für entsprechende, in der Regel weniger als einstündige Schulungen gibt es zahlreiche Anbieter.