Gelsenkirchen-Erle. Die Müke-Tagesgruppe in Erle ist ein neues Angebot für Eltern, die bei der Erziehung ihrer Kinder Hilfe brauchen. Mit Corona stieg der Bedarf.

Sie leisten Unterstützung, Lebenshilfe – besser noch: Hilfe zur Selbsthilfe. Das Team der Tagesgruppe Müke leistet Präventivarbeit, neu am Standort in Erle, im Wichernhaus an der Wilhelmstraße. Und es deckt einen Bedarf, der mit der Zeit immer größer geworden ist. Seit Anfang September sind sie nun schon am Start, ein Besuch.

Gelsenkirchen: Hier wird überforderten Eltern ganz praktisch geholfen

Die Räume sind lichtdurchflutet und wohlig eingerichtet. Beim ersten Betreten wird klar: Hier geht es um Kinder, ihre Eltern, hier ist Spielzeug, da ein Krabbelteppich, hinten ein Wickeltisch, Kinder- und Babybetten. Und eine Küche gibt es auch. Wie eine großzügige Wohnung bietet die Tagesgruppe räumlich all das, was junge Mütter und Väter für ihren Alltag benötigen. Echtes Leben eben, das die Eltern an fünf Tagen in der Woche von morgens bis nachmittags da erfahren.

Die Auslastung der Müke Gelsenkirchen sei schon vor Corona sehr gut gewesen, berichtet Michael Horst, Öffentlichkeitsreferent beim Diakonischen Werk. Die andauernde Pandemiesituation habe, wie in vielen Städten, die Bedarfe noch einmal erhöht und zu einer Warteliste geführt. „Daher haben wir uns in Rücksprache mit den zuständigen Stellen für die Eröffnung eines weiteren Standortes in Gelsenkirchen entschieden“, so Horst weiter.

Im Ruheraum der Müke-Tagesgruppe im Wichernhaus in Erle lernen die jungen Eltern auch, wie sie ihre Kinder zu einem natürlichen Einschlafverhalten bringen.
Im Ruheraum der Müke-Tagesgruppe im Wichernhaus in Erle lernen die jungen Eltern auch, wie sie ihre Kinder zu einem natürlichen Einschlafverhalten bringen. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Das Angebot von Müke – die Abkürzung von Mütter-Kinder-Eltern – richtet sich an Schwangere ab der zwölften Schwangerschaftswoche und Mütter und Väter mit einem oder mehreren Kindern bis zu einem Alter von drei bis vier Jahren. Der Ansatz ist ganzheitlich, wie ein großes Paket, mit dem den hilfebedürftigen jungen Eltern unter die Arme gegriffen wird. Träger ist das Diakonische Werk Gladbeck-Bottrop-Dorsten.

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In Bottrop entstand demnach vor sieben Jahren die erste Müke-Einrichtung – Silke Lingnau-Vorstheim war eine der Ideengeberinnen. Der Gedanke dahinter: Es fehlte an einem Angebot. Auf der einen Seite die Möglichkeit für junge Eltern, die dringend Bedarf haben – und in einer festen, betreuten Wohngruppe Lebensunterstützung finden. Auf der anderen Seite die ambulanten Hilfen, die die Eltern vor Ort, in ihrem Wohnumfeld für eine bestimmte Anzahl an Stunden aufsuchen. Und dazwischen? Nichts. So kam es zur Tagesgruppe Müke. In der Schultestraße in der Gelsenkirchener Stadtmitte gibt es bereits seit 2018 eine Müke-Tagesgruppe.

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Zurück im Stadtnorden zeigt sich, dass es dort ganz lebenspraktisch zugeht: „Wir zeigen unseren Klienten, wie man die Woche strukturiert, wie sie ihre Finanzen regeln und mit ihrem Geld gut wirtschaften können, wie man gesund kochen kann“, gibt Silke Lingnau-Vorstheim einen (kurzen) Einblick in die tägliche Arbeit ihres Teams im Wichernhaus.

Der Ansatz ist umfassend, reicht von den kleineren Dingen bis zum großen Ganzen. Die Teamleiterin Silke Lingnau-Vorstheim und ihre drei Kolleginnen sind da, bevor es beispielsweise im schlimmsten Fall zu einer Kindeswohlgefährdung kommen kann. Mit ihren professionellen Möglichkeiten wollen sie Entlastung schaffen in familiären Alltags- und Krisensituationen, die Eltern-Kind-Interaktion und die kindliche Entwicklung fördern oder auch die elterlichen Erziehungskompetenzen erweitern und stärken. [Lesen Sie auch:Diakonieprojekt bietet Familien in Gelsenkirchen Hilfe an]

Denn nicht immer ist die Geburt eines Babys verbunden mit den größten Glücksgefühlen. In manchen Fällen ist es die Überforderung, die den Aufbau einer Eltern-Kind-Beziehung erschwert. In anderen Fällen mangelndes Wissen, da die jungen Mütter und Väter es aus den eigenen Biographien vieles gar nicht erlernen konnten. Vielen der jungen Elternteile fehlen die gewöhnlichen Kompetenzen im Umgang mit Familie und ihren Kindern. Man stelle sich ein großes Puzzle vor, bei dem die wichtigsten Teile fehlen. Silke Lingnau-Vorstheim und ihre Kolleginnen ergänzen eben diese Teile.

Die Hilfe für überforderte Mütter und Väter im Müke ist mittel- und langfristig angelegt

Aktuell werden drei Mütter und zwei Kinder an der Wilhelmstraße betreut, erwartet wird noch ein Baby, im November sollen zwei weitere Familien hinzukommen. Ausgerichtet ist die Müke auf zehn Plätze, jeweils eine Mutter und ein Kind machen zwei Plätze aus. Eigentlich sind sie überbelegt.

Müke-Team hat Vielzahl von Zusatzqualifikationen

Das Müke-Team unterstützt die Klienten mit einer Vielzahl von Zusatzqualifikationen, wie Traumapädagogik, Marte Meo, und Sprachförderpädagogik, systemischer Familienberatung und -therapie. Bei der Marte Meo-Methode werden die Mütter und Väter in Spiel-, Wickel- oder Esssituationen mit ihrem Baby oder Kind gefilmt. „Besonders gelungene Momente zeigen wir den Eltern und verdeutlichen anhand der Bilder, mit welchem Verhalten sie ihre Kinder positiv unterstützen können. Diese bildliche Ebene ist für Eltern intensiver und besser nachzuvollziehen. Diese positiven Momente fördern die Eltern-Kind-Beziehung und stärken das Selbstbewusstsein der Eltern“, erklärt Müke-Teamleitung Silke Lingnau-Vorstheim. Die Tagesgruppe Müke in Erle, an der Wilhelmstraße 77 (Eingang im Hinterhof), ist erreichbar unter 0209/38068090 oder per E-Mail unter mueke-erle@diakonisches-werk.de. Mehr Informationen gibt es im Netz unter jugendhilfe-wichernhaus.deTräger des Müke in Erle und der Stadtmitte ist das Diakonische Werk im Evangelischen Kirchenkreis Gladbeck-Bottrop-Dorsten. Das Jugendamt der Stadt Gelsenkirchen vermittelt die jungen Familien an die Müke-Tagesgruppen.

Die Hilfe ist mittel- bis langfristig angelegt, „unser Job ist es, mit Lösungen zu jonglieren“, beschreibt Silke Lingnau-Vorstheim. Und wie geht man mit all diesen Lebensgeschichten um, die vielleicht auch traurig machen oder beschäftigen? Es gibt diese Fälle, die mehr berühren, näher gehen, die nachhallen, auch wenn die Türen des Wichernhauses längst geschlossen sind, das berichten auch Jessica Burkhardt, Erzieherin und Sprachförderpädagogin im Erler Müke-Team, und ihre Kollegin Carolin Rodemann, studentische Hilfskraft. „Wir funktionieren als Team, arbeiten sehr verzahnt“, sagt Jessica Burkhardt auch. Das mache vieles einfach leichter.

Ganz wichtig sei dabei aber auch, „die Eltern mit dem anzunehmen, womit sie hier hin kommen“, so Silke Lingnau-Vorstheim. An der Wilhelmstraße legen sie ein großes Augenmerk darauf, den Eltern „wertschätzend zu begegnen.“ Die Müke bietet Raum, dass Eltern sich entwickeln können – um ihrem Kind eine bessere Zukunft zu bieten. „Nicht nur die Kinder wachsen hier, sondern im besten Falle auch die Eltern“, weiß die Müke-Teamleiterin.