Gelsenkirchen-Bulmke-Hüllen. Größte Investition der Bilstein-Historie: Im 120 Mio. Euro teuren Gelsenkirchener Logistikzentrum läuft die Testphase. Gesucht: 280 Mitarbeiter.

Am künftigen Tor zum Warenausgangsbereich zerschneidet Oberbürgermeisterin Karin Welge das obligatorische rote Band. An ihrer Seite bei der Standorteröffnung: die führenden Köpfe der Bilstein Group, die Geschäftsführer Jan Siekermann und Karsten Schüßler-Bilstein. Hinter ihnen: die schier unglaublichen Weiten eines neuen Logistikzentrums. Eine illustre Schar Eröffnungsgäste kann sich Mittwoch anschauen, wofür der Ersatzteilspezialist für Pkw und Nutzfahrzeuge auf dem Gelände Schalker Verein gut 120 Millionen Euro investiert.

Zentrum des Gelsenkirchener Neubaus ist ein 33 Meter hohes Hochregallager

Die Bilstein-Geschäftsführer Jan Siekermann (l.) und Karsten Schüßler-Bilstein weihten mit der Gelsenkirchener Oberbürgermeisterin Karin Welge das neue Logistikunternehmen auf dem Gelände Schalker Verein ein.
Die Bilstein-Geschäftsführer Jan Siekermann (l.) und Karsten Schüßler-Bilstein weihten mit der Gelsenkirchener Oberbürgermeisterin Karin Welge das neue Logistikunternehmen auf dem Gelände Schalker Verein ein. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

320 Meter sind es von dieser Stelle bis zum gegenüberliegenden Hallenende. Auf – bislang - 45.000 Quadratmetern hat das Ennepetaler Unternehmen in 24 Monaten sein neues Logistikzentrum hochgezogen. Buchstäblich herausragendes Zentrum ist ein 33 Meter hohes Hochregallager. Allein hier wurden 2000 Tonnen Stahl für die turmhohen Regalsysteme verbaut.

Flankiert wird das Hochlager von fünf Hallen, die insgesamt Lagerplatz für 116.000 Paletten und 227.600 Behälter bieten. Unvorstellbare Dimensionen – bei Bilstein wird in der Kategorie XXXL gebaut. 200.000 Quadratmeter misst das Grundstück, das bereits 2017 erworben wurde: Sprich: Es bleibt ordentlich Erweiterungsfläche.

Mit Tempo 21 durchfahren Automaten bei Bilstein die Kleinteillager

Alles dreht sich, alles bewegt sich: 45 Wagen einer Elektrobodenbahn zirkeln kontinuierlich ihre Runden, transportieren Paletten durch die Hallen. Mit 21 Stundenkilometer Tempo durchfahren Automaten die Kleinteillager, haben Zugriff auf jeden der zigtausend Behälter in den Regalen. Blaue Transportkisten rattern über Laufrollenbänder. Vom zentralen Leitstand und einigen Steuer-Posten aus wird das System überwacht. 44 Lkw-Ladetore hat der Komplex – von dort aus geht die Fracht hinaus in die Welt. Bilstein liefert Produkte in 170 Länder. Mit dem benachbarten Logistiker „Wheels“ ist Bilstein zudem im Gespräch über die gemeinsame Nutzung des dortigen Bahnterminals.

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Noch läuft hier alles im Probebetrieb, weitgehend ohne Fracht. In dieser Phase gehe es darum, die Prozesse optimal abzustimmen. „Bis zum Hochlauf im Frühjahr 2022 wird die automatisierte Logistik softwareseitig konfiguriert und getestet. Bis dahin sollen auch 200 neue Mitarbeiter eingestellt werden“, bis Ende nächsten Jahres könnten es 400 werden, so Siekermann.

In Gelsenkirchen werden bis zu 280 weitere Beschäftigte für das Logistikzentrum gesucht

Neubau XXXL: 45.000 Quadratmeter des 198.000 Quadratmeter großen Grundstücks hat die Bilstein Group bereits überbaut. In der Lücke neben dem 33 Meter hohen Hochregallager ist Platz für einen ersten möglichen Erweiterungsbau.
Neubau XXXL: 45.000 Quadratmeter des 198.000 Quadratmeter großen Grundstücks hat die Bilstein Group bereits überbaut. In der Lücke neben dem 33 Meter hohen Hochregallager ist Platz für einen ersten möglichen Erweiterungsbau. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

120 Mitarbeitende sind es bereits, weitere werden gesucht. Die Bewerberauswahl läuft. Gesucht werden gewerbliche Logistikmitarbeiter, IT-Spezialisten, Mechatroniker, Bürokräfte. Die Bewerbersituation in Gelsenkirchen stelle sich besser dar als in Ennepetal, stellt Schüßler-Bilstein fest. Er registriert hier eine deutlich höher Interessentenzahl als am Stammsitz am südlichen Rand des Ruhrgebiets. Dort werden bereits 60 Kräfte, die am Standort Gelsenkirchen einen Job bekommen haben, im laufenden Betrieb in die praktischen Abläufe eingearbeitet. Für die Hin- und Rückfahrt wurde extra ein Shuttledienst organisiert.

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Allein 750 Logistiker arbeiten am Sitz des Familienunternehmens. Und daran wird sich nichts ändern. Wenn Bilstein am Schalker Verein in den Vollbetrieb übergeht, wird es mit Ennepetal zum virtuellen Logistikzentrum vereint. „Headquarter, Vertrieb, Einkauf und Marketing bleiben am Stammsitz“, sagt Sebastian Bertsch, der Logistikleiter Deutschland.

Nachhaltig gebaut

Bilstein setzt beim Neubau des Hallen- und Bürokomplexes auf Nachhaltigkeit: Das Gebäude erfüllt den KfW Standard 55, benötigt also 45 Prozent weniger Primärenergie als vergleichbare Hallen. Hinzu kommen 15.000 Quadratmeter Dachbegrünung und eine etwa 6000 Quadratmeter große Photovoltaik-Anlage. Den Bau hat die BMS Industriebau GmbH aus Brilon nach Entwürfen des Ennepetaler Architekturbüros Frey + Frey Architekten errichtet.

In Summe nahezu 62.000 verschiedene Verschleißteile von A bis Z, vom Achslenker bis zur Zündkerze, hat Bilstein im Sortiment für den freien Ersatzteilmarkt. Den andauernden Trend zur E-Mobilität, der auch mit weniger Verschleißteilen verbunden ist, registriert Schüßler-Bilstein als Vertreter der siebten Familiengeneration an der Firmenspitze gelassen.. „Ich gehe davon aus, dass wir die Ersatzteile, die wir heute benötigen, auch noch in zwanzig Jahren brauchen werden. Selbst wenn hier deutlich weniger Verbrenner fahren werden“, würden sie noch in anderen Teilen der Welt unterwegs sein. Und überhaupt: „Bilstein wurde vor über 170 Jahren gegründet. Da gab es noch gar keine Automobile. Zu unser DNA gehört, dass wir uns immer darauf ausrichten, was benötigt wird. Wir sind also überhaupt nicht bange vor Veränderungen.“

IHK-Standortleiter Jochen Grütters spricht von einem „guten Signal für Gelsenkirchen“

Auf Rollenbändern drehen die Transportkisten ihre Runden – im Testbetrieb sind sie noch nicht beladen.
Auf Rollenbändern drehen die Transportkisten ihre Runden – im Testbetrieb sind sie noch nicht beladen. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Jochen Grütters, Leiter des IHK-Strandorts in Gelsenkirchen überzeugt die Neuansiedlung vollends: „Mittelstand, Familienunternehmen, dazu der richtige Standort und die gute Mischung beim Personalbestand. Das alles passt super. Das ist ein gutes Signal für Gelsenkirchen“, betont der stellvertretende IHK-Hauptgeschäftsführer.

Daran, dass der Schalker Verein für Gelsenkirchen ein geschichtsträchtiger Ort ist, erinnert OB Welge die Geschäftsführer. Der Standort stehe für die Montanindustrie der Stadt, ebenso deren Niedergang und den Strukturwandel, der sich auch mit solch einer Ansiedlung verbinde: „Danke, dass sie den Mut hatten, zu uns zu kommen“, sagt Welge. „Ich glaube, dass auch wir heute ein Stück weit Geschichte schreiben.“