Gelsenkirchen. Die Etat-Folgen der Corona-Pandemie werden Gelsenkirchen lange belasten. Politik, Stadt und Bürger verhandeln über 1,2 Milliarden Euro für 2022.
Am 9. Dezember 2021 soll der Haushalt für das Jahr 2022 vom Rat der Stadt verabschiedet werden. Der Auftakt zum Verfahren stand Donnerstag an. Der Entwurf der Haushaltssatzung wurde vorgelegt: ein Milliardenpaket gilt es zu beraten.
Wie ein knapp zugeschnittenes Betttuch sei der Haushalt „Alle ziehen von allen Seiten daran, es reicht knapp, um das Bett abzudecken“ und nur ein paar Zipfel stünden über – Oberbürgermeisterin Karin Welge und Stadtkämmerer Luidger Wolterhoff nutzen das Bild, um zu verdeutlichen, wie knapp der Etat 2022 zugeschnitten, wie klein der Spielraum ist. Konkret sind es 3 Millionen Euro. Und die bleiben auch nur, weil die Corona-Belastungen 2022 buchhalterisch aus dem Etat isoliert werden können. Ohne diese Möglichkeit sähe es finster aus, wären die Zahlen tiefrot. OB und Kämmerer sprechen rechnerisch von einem Defizit in Höhe von rund 43 Millionen Euro.
Gelsenkirchen hat fast 140 Millionen Euro Kassenkredite abgebaut
Gelsenkirchen war bis zur Krise gut unterwegs: „Wir haben fast 140 Millionen Euro Kassenkredite zurückgeführt und waren auf dem Weg zur Entschuldung“, so die OB. „Jetzt sind wir genötigt, neue Kredite aufzunehmen. Maximal in Anspruch genommen werden dürften 900 Millionen Euro. Aktuell sind es 548 Millionen. Zwei Dinge beschäftigen Welge in diesem Zusammenhang besonders: Erstens, dass weder Bund noch Land die Ausfälle wie noch im laufenden Jahr weiterhin pauschalisiert ausgleichen wollen. Zweitens, dass eine Altschuldenregelung für Kommunen weiter auf sich warten lässt.
Der insbesondere durch Gewerbesteuerausfälle entstandene Corona-Schaden wird also künftig wohl durch kommunale Liquiditätskredite kompensiert werden müssen. Mit 46 Millionen Euro beziffert Wolterhoff die bisherigen Mindereinnahmen. Massiv bemerkbar machten sie sich bei der Gewerbesteuer: Mit 106 Millionen Euro hat die Fachverwaltung kalkuliert, nur 73 Millionen Euro werden wohl fließen. Hochgerechnet bis 2025 geht die Stadt von Corona-Folgen in Höhe von rund 200 Millionen Euro aus.
Größter Posten mit 529,5 Millionen Euro: die Transferaufwendungen
Die NRW-Gesetzgebung erlaubt, Finanzschäden durch die Corona-Pandemie zu isolieren und in den nächsten Jahrzehnten abzuarbeiten. „Wir können die finanziellen Schäden bis zum Jahr 2024 quasi außerhalb des Haushalts ‘sammeln’ und dann über 50 Jahre abschreiben“, erläutert der Kämmerer noch einmal das System, das er vor einigen Monaten noch als eine Art „Haushaltsmagie“ beschrieben hatte. Mit Folgen für kommende Generationen und die Haushalte der Zukunft. Prognostiziert wird eine Belastung von bis zu 4 Millionen Euro jährlich bis 2075.
Mit Gesamterträgen 2022 in Höhe von rund 1,194 Milliarden Euro rechnet die Stadt 2022, die Aufwendungen lägen bei 1,191 Milliarden Euro: Größter Posten mit 529,5 Millionen Euro: die Transferaufwendungen beispielsweise für Soziallasten. Mit gut 287 Millionen Euro wird der Posten für Sach- und Dienstleistungen (allein die Unterhaltung städtischer Gebäude kostet 25 Millionen Euro pro Jahr) beziffert, rund 190 Millionen Euro werden für Personalaufwendungen fällig. Gegengerechnet die dicksten Gesamterträge: 465 Millionen Euro fließen über Zuwendungen und Umlagen in den Hauhalt ein, 265 Millionen Euro über Steuern und Abgaben.
Erhöhung der Grundsteuer ist 2022 seitens der Verwaltung nicht geplant
Mit konstant 47 Millionen Euro Grundsteuer rechnet die Stadt 2022. OB Welge macht klar, dass an eine Erhöhung nicht gedacht sei. „Es ist nicht der richtige Zeitpunkt, die Bevölkerung stärker zu belasten.“ belastet“.
Auch wenn, um im Bild zu bleiben, die Decke kurz ist – die Ausgaben- und Vorhabenliste ist lang. „Wir müssen viel tun, damit das gelingt, was uns der Gesetzgeber aufträgt und was die Bevölkerung von uns erwartet“, sagt Welge. Beispielsweise bei der Entwicklung der Innenstädte, ebenso bei der Kinder- Jugend- und Familienarbeit. „Da haben wir gerade in Gelsenkirchen nach der Pandemiezeit viel aufzuholen.“
In Bildung investiert die Stadt, das gilt für Köpfe wie Beton. Sieben Schulneubauten sollen bis 2030 entstehen Das größte Projekt wird die Kulturschule an der Europastraße. Kostenpunkt: Gut 64 Millionen Euro. Wobei gerade die Baupreise derzeit unkalkulierbar scheinen. Wolterhoff: „Allein in den letzten Monaten haben wir Steigerungen von bis zu 30 Prozent erlebt.“
Größtes Neubauprojekt für 64 Millionen Euro ist der Bau der Kulturschule
Bis 2024 soll die Zahl der Einsatzkräfte des Kommunalen Ordnungsdienstes von derzeit 50 auf 100 angehoben werden. Auch strategisch wird nachjustiert, um, so Welge, „präsenter und dichter dran“ zu sein. Die Mehrkosten der ersten Ausbaustufe werden mit 1,5 Millionen Euro beziffert. Ab 2024 wird der Dienst jährlich rund 6,7 Millionen Euro kosten.
Allein für Baumaßnahmen werden kommendes Jahr rund 40 Millionen Euro fällig, für Kredite für neue Investitionen oder Umschuldung etwa 135 Millionen Euro, für die Tilgung und Gewährung von Darlehen sind 141 Millionen Euro angesetzt. Klimaschutz, Mobilitätskonzept, die ökologische Transformation hin zu mehr Wasserstoffnutzung – all das sind weitere Schlagworte, die die OB als weitere Zukunftsthemen benennt. Und die Millionen kosten werden.
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Der Haushalt durchläuft zunächst die Fachausschüsse. Als Korrektiv sieht Welge die anstehenden Bezirksforen, in denen es heißt: „Lass uns über Geld reden“. Aus Sicht der OB sind die „Veranstaltungen ein Gradmesser für den Bürgerbedarf.“ Nicht zuletzt sind da noch 88 Stadtverordnete mit ihren ganz eigenen Vorstellungen. Für Kämmerer Wolterhoff ist es durchaus wünschenswert, „eine starke Mehrheit“ über die Große Koalition hinaus „für den kommenden Haushalt zu organisieren. Das sei umso schwieriger, je weniger Geld es zu verteilen gebe, Oder, um ein neues Bild einzuführen, „wenn man nur kleine Schräubchen drehen kann.“
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