Oberhausen. Weil die Schülervertretung der Gesamtschule Osterfeld sich für Vielfalt und Toleranz einsetzt, wurde sie angegriffen. Schüler wollen aufklären.

„Das hat uns nur stärker gemacht“, sagt Sila überzeugt. Die 14-Jährige ist stellvertretende Schülersprecherin der Gesamtschule Osterfeld (GSO) in Oberhausen. Sie und andere Mitglieder der Schülervertretung (SV) wurden im November 2021 angegriffen, vermutlich von älteren Schülern. Nun will die Schülervertretung handeln – denn es war nicht der erste Angriff auf das Zeichen der Vielfalt.

Der Grund: In den Fenstern des SV-Raumes im Schulgebäude hängen Regenbogenplakate mit dem Hashtag #dieGSOistbunt. Weitere Plakate sprechen sich für Vielfalt, Toleranz und gegen Rassismus aus. Die Regenbogenflagge war Einigen wohl ein Dorn im Auge. „Wir haben für Weihnachten geschmückt, als mehrere Jungs in den Raum kamen“, erzählt Aras (13). „Sie haben uns weggeschubst und wollten uns zwingen, die Plakate abzunehmen. Wir haben uns aber geweigert.“ Danach hätten die Älteren die Plakate selbst abgerissen und seien geflohen.

Schüler der Gesamtschule Osterfeld wollen sich nicht einschüchtern lassen

„Das war natürlich erst einmal ein Schock“, erzählt Lehrerin Natalie Zak. Die SV-Tür, die sonst allen Schülern offen steht, blieb danach mehrere Wochen geschlossen. „Wir sehen das auch als einen Angriff auf die Demokratie, und das tolerieren wir nicht.“ Eine genaue Beschreibung der Täter konnten die Schülerinnen und Schüler im Nachgang nicht machen; zu schnell, zu aufwühlend war der Vorfall. Die Schule hat nun Anzeige erstattet – gegen Unbekannt.

Lesen Sie mehr:

Die betroffenen Schüler, die meisten davon aus der siebten und achten Klasse, lassen sich trotz des emotionalen Zwischenfalls aber nicht aufhalten. Sie hängten die Plakate schon kurz nach dem Vorfall wieder auf – und erkennen: „Wir müssen unseren Mitschülern viel mehr erklären, was die Regenbogenflagge eigentlich bedeutet.“

Vorurteile gegen Schwule und Lesben – auch wegen sozialer Medien

Denn: An der Gesamtschule kommen Menschen unterschiedlichster Herkunft, Religion und Kultur zusammen. Deshalb gebe es teils Missverständnisse, Unklarheiten und Vorurteile, gegen die die Schülervertretung nun aktiv vorgehen will. „Einige denken, dass die Regenbogenflagge nur für Schwule und Lesben steht“, meint Sila. „Dabei vereint sie uns alle. Sie steht für Vielfalt und Toleranz.“ Auch Beleidigungen gegen Schwule und Lesben habe es in der Vergangenheit durchaus gegeben, berichten die Schüler. Selbst wenn es sich dabei um Ausnahmefälle handelt, sind sie sich einig: „Wir müssen etwas dagegen tun.“

Schon im September vergangenen Jahres habe es einen Zwischenfall mit der bunten Flagge gegeben, damals hatte ein Schüler eines der Fenster ausgehebelt und war in den Raum der SV geklettert, um ein Plakat zu stehlen. „Diesen Schüler haben wir aber zu fassen bekommen“, erzählt Lehrerin Jana Schmidt-Manneh. „Mit ihm hatte ich ein langes Gespräch. Er hatte in den sozialen Medien durch Fake News erfahren, dass die LGBTQ-Community angeblich für ein Kopftuchverbot sei. Ihn konnte ich aufklären. Er hatte einen richtigen Aha-Moment. Wir müssen daran ansetzen, die Schüler abzuholen und aufzuklären.“

Schülervertretung plant Umsetzung eines Workshops zur Aufklärung

Die Gesamtschule ist Teil der Kampagne „Schule ohne Rassismus“ und setzt sich aktiv für Vielfalt ein, veranstaltet teils große Aktionen mit allen Schülern, unter anderem auch für die Bewegung „Black Lives Matter“. Zudem gibt es jedes Jahr vor den Osterferien einen Interkulturellen Projekttag, in dem die Schülerinnen und Schüler mehr über Religionen und unterschiedliche Kulturkreise lernen.

Nach den Vorfällen plant die Schülervertretung nun, sich selbst weiterzubilden und einen Workshop auszuarbeiten, den sie den Lehrern zur Verfügung stellen will. Damit sollen die Schüler lernen, welche Symbole für welche Werte stehen, und mehr sensibilisiert werden – fernab ihrer Social-Media-Filterblase. Davon, aus Trotz nun die ganze Schule mit den bunten Plakaten zu bestücken, sieht die Schülervertretung allerdings ab. „Wir wollen nicht blind provozieren“, erläutert Schmidt-Manneh. „Aber wir lassen es uns auch nicht nehmen, unsere Überzeugungen nach außen zu transportieren.“

Queer-Sprechstunde eingerichtet

Die Gesamtschule Osterfeld bekennt Farbe – und will ihre Schülerschaft unterstützen. Lehrerin Jana Schmidt-Manneh hatte bereits 2021 eine Queer-Sprechstunde eingerichtet. Dort kommen wöchentlich Schülerinnen und Schüler zusammen, die sich informieren, untereinander austauschen oder manchmal auch einfach nur ihr Herz ausschütten möchten.„Die Themen sind ganz unterschiedlich“, erklärt die Lehrerin. „Da geht es von Konflikten im Elternhaus bis hin zur Angst vor dem Outing.“ Zwischen zehn und 15 Schüler würden regelmäßig teilnehmen. „Es ist ein offenes Angebot. Aber ich sitze nie alleine im Raum.“